>eschWe öes Kenlhofs Ln Kassel.
Von K. Neuber.
(Fortsetzung.)
Als nach Aufhebung des Edikts von Nantes
(1685) unter dem „allerchristlichsten Könige"
Ludwig XIV. von Frankreich tausende seiner
protestantischen Unterthanen, um ihrem Glauben
treu zu bleiben, über den Rhein flüchteten, in
den Nachbarländern eine neue Heimath sich zu
gründen, nahm auch Landgraf Karl von Hessen-
Kassel die Verfolgten mit offenen Armen auf
und gewährte ihnen nicht nur in der Hauptstadt
selbst mit ihren schützenden Festungsmauern eine
Zufluchts-Stätte, sondern veranlaßten sie auch
zur Gründung der Ober-Neustadt. Die ersten
gottesdienstlichen Versammlungen der französischen
Einwanderer fanden in dem Grandidier'schen
Stammhause in der unteren Entengasse * 4 ) statt.
Sehr bald räumte ihnen jedoch der Landgraf die
Brüderkirche ein, und dieselbe verblieb diesem
Zwecke auch nach Erbauung der Ober-Neustädter
Kirche, da ein großer Theil der fremden An
siedler vorzog', die ihnen in der Altstadt einge
räumten Wohnungen beizubehalten. Im sieben
jährigen Kriege wurde der Brüderkirche ein
trauriges Loos zu Theil. Eine französische Armee
hatte sich der Stadt Dassel bemächtigt und ver
theidigte dieselbe hartnäckig gegen das anrückende
Belagerungs-Heer der mit Preußen verbündeten
Länder (1761). Bei dieser Gelegenheit wurden,
da bei den Ausfällen der Besatzung die Zahl
der Verwundeten sich beträchtlich gemehrt hatte,
die Brüderkirche, gleicher Weise wie die Martins
kirche und die lutherische Kirche zu Lazarethen
eingerichtet; später wurde aus der Brüderkirche
ein Fourage-Magazin. Erst nach dem Frieden,
bis wohin die deutschen Parochianen die Schloß
kapelle, die französischen den Betsaal des
Elisabeth-Hospitals benutzten, am 1. Christtage
1763 wurde wieder Gottesdienst in der Brüder
kirche gehalten. Nunmehr aber wurde dieselbe,
welche in der Kriegszeit viel Ungemach hatte
erleiden müssen, durch Erbauung neuer Kirch-
stühle, Vorrückung der Emporkirche, Versetzung
2«) Nr. 24 jetzt dem Kaufmann Rosenstein gehörig, s.
Nebelthau: Die ältesten und älteren Gebäude Kassels
(1884) S. 35.
der Kanzel und Ausbesserung der Orgel wieder
in guten Zustand versetzt.
Das Klostergebäude selbst, um auf dies zu
rückzukommen, wurde nach Auflösung des Kar
meliter-Ordens in Hessen in seinem Zustande
belassen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, wo
Landgraf Moritz, wie die über dem Kamin-
Sims gleicher Erde angebrachte Jahreszahl 1598
andeutet, einen mit einem schönen hessischen
Wappen über der Eingangsthür, nach der dabei
stehenden Jahreszahl 1617, geschmückten Neubau
aufführte auf der Stelle des alten Klosters und
dicht an die Brüderkirche stoßend, deren vorge
baute Orgel in ein Zimmer der zweiten Etage
des Neubaus hineinragt, und in denselben die
von ihm einige Jahre zuvor (1595) gegründete
H o f s ch u l e für die Söhne der Adels-Familien
verlegte (1599). Zugleich erweiterte er diese
Schule und wandelte sie sogar in eine Art
Universität um, unter dem Namen Collegium
Mauritianum. Große Gelehrte der da
maligen Zeit ertheilten an ihr Unterricht. Der
selbst hochgebildete und in mehreren Sprachen
wohlgeübte Landgraf hielt in ihr am 1. Oktober
1599 die Einweihungs-Rede und wohnte vielen
Redeübungen und Dissertationen bei. Als jedoch
sein Oheim, der bejahrte Landgraf Ludwig IV.
mit dem Beinamen Testator zu Marburg das
Zeitliche segnete (1604) und in Folge seiner letzt
willigen Anordnung dieser Ort nebst der von
Philipp dem Großmüthigen daselbst gegründeten
Universität an die Linie Hessen-Kassel fiel, glaubte
Landgraf Moritz besser für die von ihm gestiftete
Höfschule zu sorgen, indem er sie mit der Uni
versität vereinigte. Es zogen daher Lehrer und
Schüler zum größten Theile nach Marburg
(1605), und nur ein kleiner Theil blieb als
Stamm zurück. Dieser wurde zu Beginn des
dreißigjährigen Kriegs in eine Ritterschule
umgewandelt, und erhielt außer dem ehemaligen
Klostergebäude auch noch Räumlichkeiten im gegen
überliegenden Kanzleigebäude. Beide wurden
durch einen Zwischenbau verbunden, wie die
Schlußworte der über dem Durchgänge befind
lichen Inschrift anzeigen, in denen wieder nach