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gehen sehen. Bleibet daher an euren Heerden,
nehmet keinen Antheil an den kriegerischen Be
gebenheiten und ihr könnt darauf rechnen, bei
allen Chefs der Armee, die ich kommandire,
Schutz zu finden." — Und Artikel 1 dieser
Proklamation lautet: „Den Generalen, Ober
und Unteroffizieren ist aufgetragen, die strengste
Disziplin unter den Truppen zu handhaben, die
sic kommandiren: sie werden nach der Strenge
des Gesetzes jedes Individuum richten und strafen
lassen, welches sich erlaubt zu plündern, oder die
Bewohner der Länder zu mißhandeln, durch
welche die Armee ziehen wird."
Allerdings mordeten und brannten die Fran
zosen nicht so viel als vor hundert Jahren in
der Pfalz, aber sie raubten um so mehr und
übten die scheußlichsten Mißhandlungen besonders
au den Frauenzimmern und den Kirchen. Ihre
viehische Unzucht überstieg jeden Glauben und
ebenso ihre Kunst, den Leuten mit List und Ge
walt den letzten Pfennig abzupressen. Bei der
damals in Frankreich bestehenden großen Finanz
noth erhielt der französische Soldat oft Monate
lang keinen Sold und war deshalb ausschließlich
darauf angewiesen, sich seinen Unterhalt durch
Plünderung zu verschaffen. Es ist erklärlich,
daß dieser Zustand bei der Zuchtlosigkeit der
Soldaten zu den ärgsten Ausschreitungen führte.
Wie Rudel hungriger Wölfe verbreiteten sie sich
über Stadt und Land, was sich fortschleppen
ließ, wurde mitgenommen, was niet- und nagel
los war, zerschlagen und unbrauchbar gemacht.
In unsinniger Zerstörungswuth wurden am
Rhein und in Franken die Fässer mit Wein
zertrümmert, das Vieh, welches man nicht mit
sich führen konnte, getödtet, die Bewohner auf
Herausgabe angeblich versteckter Gelder gequält,
die Frauen geschändet. Die französischen Generale
selbst schrieben nach Paris, die Räubereien seien
allgemein, die Soldaten ohne jede Zucht, und
wenn die Offiziere den Unmenschlichkeiten ent
gegentreten wollten, werde auf sie geschossen.
An allen Orten waren von den Franzosen die
größten Brandschatzungen ausgeschrieben und wenn
solche nicht gezahlt werden konnten, Geiseln mit
fortgeschleppt worden. Kurz unendlicher Jammer
und Elend bezeichneten allenthalben die Spuren der
Franzosen in Deutschland. Kann es da Wunder
nehmen, daß in den Gegenden, in welchen die
Franzosen so unmenschlich gehaust, in Franken,
in der Rhön, im Spessart, im Odenwald, das
Volk sich erhob und Rache übte für die Greuel
thaten, die der Franzmann an ihm begangen?
Einzelne interessante Bilder aus dem Guerilla
kriege, wie er von der Bevölkerung der Rhön
und des Spessart Legen die Franzosen gefochten
wurde, unsern Lesern vorzuführen, ist der Zweck
unseres Artikels. —
Jourdan hatte sich noch einmal auf seiner
Flucht nach der Schlacht von Amberg, bei Würz
burg gesetzt. Aber auch hier wurde er am 3.
September 1796 vom kaiserlichen General Werneck
geschlagen und erlitt einen Verlust von 6000
Todten und 2000 Gefangenen. Tags darauf
rückte Erzherzog Karl in Würzburg ein. Der
Stift- Hauger Kapitular Jenum erzählt in seinem
ungedruckten Tagebuche über die französische
Invasion von 1796 eine hübsche Anekdote, die
wir hier nicht verschweigen wollen. „Lange vor
der Ankunft des Erzherzogs Karl hatten sich
auch die sämmtlichen würzburgischen Offiziere mit
dem General von Ambotten an der Spitze, auf
dem Hofplatze aufgestellt. Als aber Ambotten
von der k. k. Vorhut erfahren, daß der Erzherzog
auf die Festung reiten würde, ging dieser General
nach Hause und die übrigen Offiziere gingen
auseinander. Zufälliger Weise aber gingen vier
würzburgische Offiziere, Major Seuffert, Ritt
meister von Schott, Platzlieutenant Rauch und
Adjutant Geitler aus eignem Antriebe auf die
Festung. Kaum war Erzherzog Karl abgesessen
und sah die fürstlichen Offiziere mit abgezogenen
Hüten Front machen, ging er höflich, den Hut
ziehend, auf sie zu und fragte einen derselben:
„Sind Sie der Festungskommandant von hier?"
Auf diese Frage streckte sich der angeredete Offizier
so viel als möglich und antwortete mit aller
Geistesgegenwart und vollem Anstand ganz kurz,
aber schön: „Ihr Durchlaucht Nee!"
Jourdans Rückzugslinie ging nach der Schlacht
von Würzburg durch die Rhön und den Spessart
an die Lahn. Am 4. September ging er bei
Hammelburg über die fränkische Saale; der
Train und die Bagage zogen auf der Straße
nach Fulda fort. Am 5. September ging der
Marsch nach Brückenau. Am 6. September
setzte die Sambre- und Maasarmee bei Schlüchtern
über die Kinzig und postirte sich hinter dieselbe.
Dieser fluchtähnliche Rückzug ging so rasch, daß
nur eine von dem verfolgenden Liecbtenstein'schen
Korps vorgeschobene Reiterabtheilung von Koburg-
Dragoner zuweilen den Feind erreichte und ihm
Gefangene abnahm. Umsomehr aber machten
die Bauern der Rhön den Franzosen zu schaffen
und um so größere Verluste hatten diese von
jenen zu erleiden.
General en chef der französischen Sambre-
und Maasarmee war, wie bereits gemeldet,
Jourdan. Ihm beigegeben war General Kleber,
der auch zeitweilig, während einer Erkrankung
Jourdans das Kommando führte. General
Eruouf war Chef des Generalstabs, die einzelnen
Divisionen kommandirten die Generale Lefebre,