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4) Kann einer von der Gesellschaft einen Brief
schreiben, mit der Dinte, die ein jeder selbst mitge
bracht hat, wie auf dem Papier, welches ihm gefällt.
Darnach wird selbiger Brief verbrannt und die Asche
dem Künstler in ein anderes Zimmer geschickt, wo-
selbsten er sich während der Zeit aufgehalten hat.
Aus der Asche dieses Briefes wird er alsdann den
Inhalt desselben wieder hervorbringen und ihn auf
ein anderes Papier bekannt machen.
Diese wunderbaren physikalischen Stücke konnten
aber nach der Ankündigung wegen der großen Kosten,
die sie verursachten, nur dann vorgeführt werden,
wenn durch Sudskription zuvor 300 Thaler auf
kämen oder von 60 Personen jeder wenigstens ein
Louisd'or bezahle. In Kassel fanden sich solche nicht
und an anderen Orten war es wohl auch nicht der
Fall gewesen, da Philadelphia sie sonst gewiß ange
geben und sich nicht auf die Angabe beschränkt haben
würde, daß sie in „London-Magazine" vom Jahre
1758 und 59 angezeigt seien.
Der weltberühmte Zauberkünstler hatte, bevor er
nach Kassel kam, in Göttingen seine Künste vorgeführt
und sie in gleicher Weise, wie in Kassel angezeigt.
Dort hatte der als großer Physiker, Humorist und
Satiriker berühmte Lichtenberg den in der An
kündigung der 4 Stücke liegenden Schwindel in
folgender Weise persiflirt. (B. 3 seiner Schriften.)
Am 7. Januar 1777 zeigt der weltberühmte
ZaubererPhiladelphus Philadelphia, den schon Cardanus
in seinem Buche de natura supernaturali den Von
Himmel und Hölle Beneideten nennt, an, daß er mit
der ordinairen Post in.Göttingen angekommen sei,
obgleich es ihm ein Leichtes gewesen, durch die Luft
zu kommen; er sei derselbe, der im Jahre 1482 in
Venedig einen Knaul Bindfaden in die Luft schmiß
und daran in die Luft kletterte, bis man ihn nicht
mehr sehen konnte.
Mit dem 9. Januar wird er seine Einthaler-
Kunststücke auf dem Kaufhause dem Publiko öffentlich
heimlich vorlegen bis er zu den 500 Louisd'orstücken
komme, die ohne Prahlerei zu reden, das Wunder
bare selbst übertreffen, ja, so zu sagen, schlechterdings
unmöglich sind.
Von dem Alltagsstückchen zu einem Thaler giebt
er einige an, die nicht sowohl die besten, als vielmehr
die, die sich mit den wenigsten Worten fassen lassen,
z. B.
1) Nimmt er, ohne aus der Stube zu gehen, den
Weiterhahn von der Jakobikirche ab und setzt ihn
auf die Johanniskirche und setzt sic nach einigen
Minuten wieder an die frühere Stelle. (NB. Alles
ohne Magnet durch die bloße Geschwindigkeit.)
2) Läßt er sich eine Holzaxt bringen und schlägt
damit einen Herrn vor den Kopf, daß er wie todt
zur Erde fällt. Auf der Erde versetzt er ihm den
zweiten Streich, da dann der Herr so gesund wie
vorher aufsteht und gemeiniglich fragt, was das für
eine Musik sei.
3) Er zieht 3 bis 4 Damen die Zähne sanft
aus, läßt sie in einem Beutel von der Gesellschaft
sorgfältig durcheinanderschütteln, ladet sie alsdann in
ein kleines Feldstück und feuert sie besagten Damen
an die Köpfe, da dann jede ihre Zähne rein und
weiß wieder hat.
4) Nimmt er alle Uhren, Ringe und Juwelen
der Anwesenden, auch baares Geld, wenn es verlangt
wird, und stellt jedem einen Schein aus, wirft darauf
Alles in einen Koffer und reist damit nach Kassel.
Nach acht Tagen zerreißt jede Person ihren Schein,
und sowie der Riß durch ist, sind Uhren, Ringe und
Juwelen wieder da. Mit diesem Stück hat er sich
viel Geld verdient.
NB. Diese Woche noch im Kaufhaus, künftig
aber in freier Luft über dem Marktbrunnen.
Denn wer nichts bezahlt, sieht nichts.
W. N-L.
Aus Aeimath und Fremde.
Am 18. Mai fand in programmgemäßer Weise
das Einweihungsfest des Aussichtsthurmes
auf dem Hohen Gras, jenem herrlichen Punkte
des schönen Habichtswaldes, statt. Die Betheiligung
war außerordentlich groß, sie zählte nach vielen
Tausenden, und die Feier gestaltete sich zu einem
wahren Volksfeste, das den schönsten Verlauf nahm.
Der Vorsitzende des Niederhessischen Touristen-Vereins
Professor Dr. K. Zus chlag hielt die Weiherede, die,
nach Form und Inhalt gleich vortrefflich, begeisterte
Aufnahme fand. Durch die Errichtung dieses Aus
sichtsthurmes hat sich der Kasseler Touristen-Verein
ein großes Verdienst erworben/ das in ganz Hessen
volle Anerkennung gefunden hat.
Am 22. Mai feierte der Leihhaus-Inspektor
Georg Opper zu Fulda sein fünfzigjähriges
Dienstjubiläum. Dieser ofsiciellen Feier war bereits
eine mehr private am 1. März vorausgegangen. Der
berufstreue, pflichteifrige Beamte erfreut sich nicht
nur bei seiner vorgesetzten Behörde, der Landes-
Direktion zu Kassel, der Hochschätzung, auch bei seinen
Mitbürgern ist er in Folge seines freundlichen und
gefälligen Entgegenkommens allgemein beliebt. So
konnte es denn auch nicht fehlen, daß ihm bei seiner
Jubelfeier reichliche Ehrungen zu Theil wurden. Der
Herr Landes-Direktor sandte ihm ein Glückwunsch
schreiben mit einer kostbaren, dem Jubilare in An
erkennung seiner verdienstvollen Amtsthätigkeit ge-