Full text: Hessenland (4.1890)

158 
Aufsuchung zurückgelassenen Gepäckes aufhielten und 
es versäumten, gegen die, etwa auf Kanonenschußweite, 
davon entfernte Landwehr vorzugehen und solche zu 
besetzen. 
Als daher die Spitzen der Kolonnen die Höhe 
erreicht und sich jener Landwehr auf gute Schußweite 
genähert hatten, sahen sie sich von daher Plötzlich 
höchst überraschend mit einem mörderischen Geschütz 
feuer begrüßt. 
Der Feind hatte nämlich während der Nacht aller 
dings seine Lagerstellung vom vorigen Abend verlassen, 
sich aber nur hinter jene 10—12 Fuß hohe, ihn 
den Blicken der Verbündeten gänzlich entziehenden 
Landwehr (ein altes auch unter dem Namen des 
Pfahlgrabens bekanntes Römerwerk) zurückgezogen, und 
hier sämmtliches Geschütz in sehr vorteilhafter Weise 
aufgestellt, auch um die Verbündeten noch mehr zu 
täuschen, auf dem alten Lagerplatz absichtlich einige 
Bagage zurückgelassen. 
Zwar ließ der Erbprinz, um das feindliche Feuer 
zu erwidern, ebenfalls Geschütz auf die Höhe vor 
bringen, da jedoch dieses wegen des steilen Hanges 
nur mühesam und vereinzelt geschehen konnte, so 
gelang es dem Feinde unschwer, wo solches zum Vor 
schein kam, das Feuer des seinigen dagegen in über 
legener Weise zu konzentriren und es zu demontiren. 
Namentlich wurden in dieser Weise 3 hessische 
Geschütze gänzlich zusammengeschossen und auch der 
Hauptmann Eitel und Lieutenant Hansen der hessischen 
Artillerie gelobtet, sowie noch zwei Offiziere verwundet. 
Nachdem die Kanonade in dieser Weise eine Zeit 
lang fortgedauert und der Erbprinz von Braunschweig 
sich überzeugt hatte, daß die feindliche Stellung nur 
mit großen Opfern erzwungen werden könnte, gab 
er Befehl den Rückzug anzutreten und nahm hierauf 
hinter der Wetter bei Kloster Arensburg eine 
Stellung ein. 
Die unzureichende Auskundschaftung des Geländes 
und die unrichtigen Meldungen, waren schuld daran, 
daß das Korps des Erbprinzen einen ziemlich be 
deutenden Verlust erlitten hatte. Derselbe belief sich 
auf mehr als 100 Getödtete und Verwundete, deren 
Mehrzahl der hessischen Artillerie und dem Regiment 
Erbprinz (nachh. I.Batl. Kurfürst) angehörten. Von 
letzterem Regiment war namentlich der Hauptmann 
von Hanstein schwer verwundet worden. Ebenso 
mußten die demontirten 3 hessischen Regimentsgeschötze, 
weil deren Räder und Lafetten gänzlich zerschmettert 
worden waren, zurückgelassen werden. 
Ein Gedankenleser vor mehr als hundert 
Jahren in Kassel. Im Jahre 1777 hatten die 
Bewohner Kassels Gelegenheit, die Künste des be 
rühmtesten Zauberers des vorigen Jahrhunderts be 
wundern zu können. In der Fürstlich Hessen- 
Kasselischen „Staats- und Gelehrte-Zeitung" kündigte 
der im Jahre 1758 und 59 in dem gelehrten 
englischen Magazine „angerühmte" Amerikaner 
Jakob Philadelphia denen Liebhabern mathe 
matisch - physikalischer Klinste und dem geehrten 
Pnblika überhaupt an, daß er am 3. und 8. Februar 
im großen Saale des neuen Posthauses am Königs 
platze seine den menschlichen Verstand fast übersteigende 
Geschicklichkeit, welche er auf seinen Reisen durch 
alle vier Welttheile erlernt habe, aus freier Hand 
mit einer ungesehenen Genauigkeit und Geschwindigkeit 
vorzuzeigen, die Ehre haben werde. Der Preis des 
Billets, ein Thaler, war für damalige Zeit ein sehr- 
hoher, er wurde aber von Philadelphia in seiner An 
kündigung dadurch gerechtfertigt, daß er die hohe 
Gnade gehabt habe, seine Künste nicht ohne Beifall 
an den Höfen von England, Frankreich, Rußland, 
Oesterreich und auch in Konstantinopel dem Groß- 
Sultan vorzuzeigen. 
Der im Anfang des vorigen Jahrhunderts in 
Philadelphia von jüdischen Eltern geborene Zauber 
künstler hatte bei seinem Uebertritt zum Christenthum 
den Namen seiner Vaterstadt angenommen und ver 
stand sich auf eine seinem Vaterlande noch jetzt 
würdige Reklame, indem er dafür gesorgt hatte, daß 
die unglaublichsten Kunststücke von ihm verbreitet 
waren, so u. a. daß er in ein und derselben Minute 
durch sämmtliche Thore Berlins nach Meldung der 
Thorwachen hinausgefahren sei. Viel wirksamer, als 
solche Erzählungen aber war die Ankündigung von 
vier seiner Zauberkünste, welche noch niemals gesehen 
waren und auch nach ihm niemals gesehen worden 
sind. 
Diese Stücke waren: 
1) Nimmt der Künstler Sand von vier verschiedenen 
Farben, schüttet solches zusammen in ein steinernes 
Gefäß, gießt Wasser darauf und rüttelt alles durch 
einander , alsdann greift er eine Hand voll Sand 
von derjenigen Farbe heraus, welche die Gesellschaft 
verlangt, ohne daß ein einziges Sandkorn von einer- 
andern Farbe darunter ist. 
2) Nimmt er eine Medaille, welche ihm von einer 
Person in der Gesellschaft gegeben wird, die von 
jedermann besehen und gezeichnet werden kann, ladet 
selbige in eine Muskete und schießt sie aus dem 
Fenster. Alsdann läßt er einen von seinen Vögeln 
fliegen, welcher die Medaille wieder holen muß. 
3) Hat der Künstler eine mathematische Uhr, setzt 
selbige auf den Tisch, alsdann entfernt sich die Ge 
sellschaft und stellt ihre Uhren auf welche Stunde 
ein jeder von ihnen beliebt. Wenn solches geschehen, 
so wird die mathematische Uhr einem jeden nach der 
Reihe anzeigen, auf welche Stunde und Murrte 
seine Uhr gestellt ist.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.