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wagen und den ihn begleitenden Reitern Seile
vorhielten, die dann der Bräutigam erst durch
Spenden des immer reichlich mitgeführten Brannt
weins beseitigte.
Fast täglich zog auch ein größerer Trupp
Handwerksgenossen vorüber, die einem fremd
gewordenen Gesellen bis zum Siechenhof das
Geleit gaben, um dort den Abschiedstrunk mit
ihm zu nehmen, oder eine Handwerkergilde zog
in feierlichem Aufzuge mit ihren Emblemen bei
Verlegung ihrer Herberge über den Platz.
Einen meist recht kläglichen Anblick boten die im
Sommer sehr häufigen Durchzüge der Auswanderer,
die neben den mit ihrer Familie und geringen
Habseligkeiten beladenen Wagen und Karren auf
ihrem Wege nach Münden einherschritten, um
von da aus den Weg zu Wasser nach dem ge
lobten Lande der Freiheit anzutreten.
An einem Tage in der Woche erschienen auch
regelmäßig im Sommer und Winter in ihren
kurzen Kragenmänteln die Partimschüler, an
anderen Orten Currendschüler und von Luther,
der selbst ein solcher war, Parthekenhengste genannt
um unter Leitung eines Lehrers, vor den Häusern
Choräle und geistliche Lieder zu singen, nach deren
Beendigung einer von ihnen mit einer Büchse in das
Haus ging, um für sie milde Gaben einzusammeln.
Auf Bestellung sangen sie auch bei Beerdigungen
vor dem Trauerhause Choräle. An musikalischen
Es ist Faschingszeit. Die Schaufenster stehen
voll toller, bunter Bilder, überall blitzen dem
Vorübergehenden goldene Borden, große gläserne
Brillanten, messingener Flitterbehang, Hermelin
von Watte und leuchtender grellfarbiger Baum-
wollatlas in die Augen. Jeder, der 60 bis 100
Mark oder auch nur 30 übrig hat, kann
wenigstens einmal im Jahre sein, wozu die
Laune ihn treibt — ein König — ein Held —
ein Narr —, natürlich etwas, wozu er im Leben
nicht die mindeste Anlage hat und von dem er
am himmelweitesten entfernt ist, denn Prinz
Karneval stellt Alles auf den Kopf — zumeist
die Gedanken.
Herr Louis Wassermann steht hinter dem
Ladentisch und verkauft mit devotem Lächeln
und unter verbrauchten Redensarten den hübschen,
bunten Kram, welcher das Aeußere der Frauen
annoch von dem der Männer unterscheidet. Er
Genüssen fehlte es den Marktbewohnern damals
überhaupt nicht. Tagtäglich erschienen dort die
beiden Orgelspieler Wettlaufer und sangen mit
ihren Gattinnen die schönsten neuen Lieder, zu
weilen auch Arien und Duette aus neuen Opern.
Auch am späten Abend erschien hier der ältere
Wettlaufer noch zuweilen, spielte dann aber
ernstere Weisen, ohne Gesangbegleitung. Um diese
Zeit stellte auch häufig der Puppenspieler Meth
sein Schattenspiel vor dem Jhläeschen jetzt Weber-
schen Hause auf, die vorgeführten Bilder mit
dem Gesang schöner Verse begleitend, nachdem
er Tags über die Kinder mit seinem Puppenspiel
trotz ihres sich stets gleich bleibenden Inhalts
immer wieder von neuem erfreut hatte. Einen
eigenartigen musikalischen Genuß boten auch in
der Neujahrsnacht die Postillone, wenn sie, da
mals noch in großer Anzahl, vor dem Gasthause
zum Helm auf ihren Posthörnern ihre Lieder
„Schöne Laurentia mein, wann werden wir
wieder beisammen sein" und dergl. zum Besten
gaben. Sie standen mit den Gastwirthen in
einem besonderen Verhältniß, da sie bei den
zahlreichen Extrapostfahrten oft Gelegenheit hatten,
den Reisenden einen Gasthof auf ein ihnen vom
Besitzer in Aussicht gestelltes Trinkgeld hin zu
empfehlen.
(Schluß folgt.)
ist Kommis in dem großen, beliebten Putz
geschäft der Firma „Müller und Schmidt" und
kann seinen Kunden erzählen, daß soeben „die
Frau Herzogin von Braganza — oder die
Fürstin von Wittgenstein" vorgefahren seien.
Er versichert jeder Dame, daß dasjenige, das zu
kaufen sie sich nicht gut entschließen kann, sie
entzückend kleiden werde und daß die Prinzessin
von So und So gar nichts Anderes möge. Er
ist ungeheuer dienstfertig und weiß immer, wen
er vor sich hat, er liest im Gesicht der Leute,
wie weit ihr Portemonnaie reicht. Er ist ein
guter Verkäufer etwas verlegener Gegenstände —
auch wegen seiner Orang-Utang-Arme ist er
vom ganzen Personal sehr geschätzt , da er die
entlegensten Kartons damit in greifbare Nähe
bringt.
In der Karnevalszeit kommt er sich vor wie
ein Buch mit sieben Siegeln, denn er könnte
-»--ö-ch-Z--
lephiflopheles und Hrelchm
Ein Maskenscherz.
Von m. Herbert.