120
Leibdragonerregimentes die Besatzung zu bilden.
Als am 17. Juni die kurhessischen Truppen nach
Hessen abmarschirten, verblieben die obengenannten
in Luxemburg. Nach Ablösung durch preußische
rückten auch sie am 8. Juli ab.
Bardeleben's Bataillon erhielt zum Standorte
Rotenburg an der Fulda angewiesen, hier begann
die Friedensarbeit der Truppe*). Dem Welt-
theile schien nach den mehr als 20 jährigen
Stürmen die Ruhe wiedergegeben. Unser Freund,
welchem seit der Beförderung zum Stabsoffizier
am 25. Januar 1811 der heimische Heerd fast
fremd geworden war, durfte wieder des Beisammen
seins mit Weib und Kindern sich erfreuen, welches
seine gemüthstiefe Seele schmerzlich entbehrt
hatte, so voll und ganz er auch Krieger war.
Am 18. Januar 1815 traf von Kassel der
Befehl ein, sofort die Beurlaubten einzuziehen,
am 20. trat das Füsilicrbataillon, bei welchem
bereits am Abende des 18. und während des
19. ein großer Theil der einberufenen Mann-
schaft sich eingestellt hatte, den Marsch an. In
Hersfeld stieß es zum 1. Bataillon Landgraf
Karl und marschirte durch das großherzogliche
Oberhessen in das Hanauische, wo es vom
24. Januar ab in Windecken und Nachbarschaft,
vom 20. Februar ab in Bruchköbel und einigen
benachbarten Dörfern kantonnirte **). Bardeleben
erfaßte seine Stellung als Befehlshaber einer
Anzahl von Menschen höher, als daß er diese
lediglich zu Kriegern ausbildete, er suchte sie auch
als Menschen zu vervollkommnen. Hierauf zielte
ein Gedanke, welchem er in dieser Zeit Ausdruck
gab. Er wandte sich am 24. Februar an die
Geistlichen der Orte, in welchen Theile seines
Bataillons kantonnirten, mit der „freundschast-
lichen Bitte", welche er in tief empfundener Aus
führung begründete, sie möchten mit ihrer „herz
vollen, belehrenden, zum Herzen dringenden
Stimme den Funken der Vaterlandsliebe zur
hellen reinen Flamme entfachen, aus welcher alle
höheren bürgerlichen Tugenden entsprossen. Wahre
Vaterlandsliebe schütze vor künftigen Sklaven
ketten, da sie einen großen Bund aller Vater
landsfreunde erzeuge" und „Ganz Deutschland
*) Für ausgezeichnetes Verhalten vor dem Feinde
wurden mit dem Orden vom eisernen He'.m belohnt:
Major von Bardeleben, die Lieutenants Carl Staffel und
Ferdinand von Geyso, Gefreiter Hasteiipflug und Füsilier
Lauterbach.
**) Eine Brigade von 5 Bataillonen, 2 Schwadronen
Husaren und einer Batterie wurde hier zusammengezogen.
Der nicht ausgesprochene Zweck dieser Aufstellung mochte
die Sicherung des Landestheils gegen Bayerns Begehr
lichkeit sein, welche in dieser Zeit hervorgetreten war. Die
Kassel'sche Allgemeine Zeitung vom 23. Zanuar 1815
sah sich zu der Erklärung veranlaßt, „die Abtretung von
Hanau sei dem Kurfürsten nicht angetragen, werde auch
niemals erfolgen".
nenne ich unser Vaterland", heißt es. Er bittet
noch, während des Aufenthaltes seines Bataillons
in den Orten, das Gewünschte in die Vorträge
zu mischen und das, was seine Soldaten erheben
sollte, war vielleicht noch mehr auf die anderen
Hörer berechnet. Sämmtliche Geistliche sagten
mit großer Anerkennung von Bardelebcns Vor
gehen Gewährung seiner Bitte zu.
Der entthronte Kaiser verließ gegen Ende des
Februar die Insel Elba und landete am 1. Mürz
an Frankreichs Küste, um in einem Triumph-
zuge nach Paris die den Franzosen aufgedrungene
traurige Herrschaft der Bourbons wie eine Seifen
blase zergehen zu machen. Länger als heutzutage
währte es, bis die Nachricht des großartigen
Ereignisses sich verbreitete. Die erste Kunde
von Napoleons Landung durch öffentliche Blätter
findet sich in Kassel am 13. März in der Mit
theilung, daß der König Ludwig XVIII. am
6. März Napoleon zum Verräther und Rebellen
erklärt habe.
Noch ehe die Regierungen neue Verträge gegen
über der so jäh veränderten Lage geschlossen
hatten, zwei Tage nach Eintreffen der Nachricht
der Landung, erließen die in Wien vereinigten
Mächte am 13. März ein Manifest, welches
Napoleon Bonaparte verfehmte. Die öffentliche
Meinung Deutschlands sah gleich anfangs den
Krieg als selbstverständlich an, so auch der uns
hier Beschäftigende. Unter dem 16. März wendet
er sich an den Oberhofmeister von Bardeleben zu
Kassel: „Unter 70 Blessirten, welche ich in dem
vorjährigen Feldzuge bei meinem Bataillon hatte,
befinden sich 12, die zu Krüppeln geworden sind,
und denen es zum Theil sehr schlecht geht. Seit
fast einem Jahre sind darüber häufige Vor
stellungen an Kurfürstliches Kriegs-Kollegium
gemacht, diesen Menschen Pension zu geben oder
sonst für sie zu sorgen, Vorschläge haben ein
gereicht werden müssen, allein es erfolgt immer
nichts, ich muß fürchten, daß man gesonnen ist,
diese Soldaten, die sich für Fürst und Vaterland
gern und willig opferten, zu vergessen und so
jeden Funken von Hoffnung auf Erkenntlichkeit
des Vaterlandes bei den übrigen zu ersticken —
welcher schreckliche Gedanke für den Soldaten,
wenn ihm im Augenblicke der Gefahr, wo er
Muth und Standhaftigkeit bedarf, der Bettel
stab und das undankbare Vaterland vor die Seele
tritt! . . . ." Er stellt schließlich dem Ober
hofmeister die Frage, ob nicht der Frauenverein
etwas für jene Unglücklichen thun könne, und
bittet um Mittheilung der Entschließung der
patriotischen Frauen, „damit ich meinen übrigen
Soldaten des Bataillons, welche ich jetzt wahr
scheinlich zum zweiten mal ins Feld führe, und
die vom schönsten Geiste beseelt sind, sagen kann,