— 89
wichtigsten Theile des wissenschaftlichen Nachlasses
beider an und so ist er z. Zt. der Herausgeber der
Scherer'schen Litteraturgeschichte und des von Scherer
begonnenen Neudrucks des Grimmischen Grammatik.
— In germanistischen Fachkreisen ist man schon lange
ans diese aufstrebende Kraft aufmerksam geworden,
die mit sicherem und weitem Wissen eine geschulte
Phantasie, geistreiche Darstellung, strenge Kritik und
eisernen Fleiß verbindet, und man prophezeit Schröder
die glücklichste Laufbahn. Freuen wir uns mit ihm,
daß er in seiner Heimat sein Können darthun darf,
und beglückwünschen wir die Landeshochschule, daß
sie in einem ihrer Söhne eine so tüchtige Kraft ge
wonnen hat.
Zum letzten Male der Beiname Raspe?)
Herr Major z. D. und Dozent Hermann v.
Pfister hat mich in der vorigen Nummer des
Hessenlandes durch persönliche Bemerkungen ange
griffen; wobei ich jedoch besser weggekommen bin,
als vor zwei Jahren in ähnlichem Falle (Siehe
Hessische Blätter Nr. 1328) Herr Universitäts-
Professor Dr. Schröder. Veranlaßt hat Herrn H.
v. Pfister dazu ein rein sachliches Urteil über Er
gebnisse seines Forschens, die mein in Nr. 4 dieses
Blattes erschienener Aufsatz über „Raspe" darbietet.
Als der Jüngere sehe ich von jeder persönlichen
Entgegnung ab, zumal es mir heute wie damals nur
um die Sache, in der ich Wort für Wort Recht zu
haben überzeugt bin, zu thun ist.
Des zum Beweise Folgendes:
I. Daß Herr H. v. Pfister selbst auf seinen „Titel
Raspe" (a. a. O. S. 226) hinweist, findet sich im
Hessenland, Jahrgang II, S. 316. Beim Nach
schlagen fand ich dort nicht nur der Zeit nach (1886)
das „Neueste" über Raspe vor, sondern auch im
Inhalte viel „Neuestes" und bis dahin Niegehörtes.
II. Es gibt trotz Herrn H. v. Pfisters persönlichen
Gründen keinen „hessischen Fürsten Ludwig
Raspe, den Salier", sondern nur einen thüringischen
Grafen Ludwig III., dem seine Gemahlill Hedwig,
die Erbtochter der Gisonen, in Hessen gelegenes
Heirathsgut zubrachte, und der acht Jahre später
(1130) als Landgraf von Thüringen Ludwig I. be
nannt wird. Man weiß liicht, woher dessen Groß
vater, Graf Ludwig (I) der Bärtige, stammt; denn
nur muthmaßlich schließt man aus dem Beinamen
seines Sohnes, des Grafen Ludwig (II) des Saliers,
auf fränkische (nicht speziell hessische!) Herkunft,
welcher Annahme jedoch Knochenhauer a. a.O. energisch
und mit guten Gründen widerspricht. Jedenfalls
waren die Nachkommen des bärtigen Ludwig schon
*) Eigenthümlich ist es, daß der ahd. Staunn „rasp“,
den die romanischen Sprachen entlehnten, mit dem mhd.
fast ganz und nhd. völlig geschwunden ist, während ihn
die Mundarten treuer bewahrten.
hundert Jahre durch Kauf, Heirath und Beerbung
thüringische Grafen mit großem thüringischen
Allodbesitze, ehe sie das „ins Gisische (!) Erbe ein-
geheirathete Haus" — damit aber noch lange nicht
ein hessisches Fürstengeschlecht wurden. Von einem
hessischen „Trone" darf man auch vor 1263 kaum
reden, da die hessischen Allode stets thüringische Neben
lande blieben und meist von der Sekundogenitur —
diese allein könnte man die raspische nennen! —
verwaltet wurden.
III. Den Grafen Ludwig III., seit 1130 Land
grafen Ludwig I., mit dem Beinamen „Raspe" zu
versehen, wie Herr H. v. Pfister standhaft thut,
widerspricht jeder Gepflogenheit Deutscher Geschichts
schreibung. Im alten thüringischen Land
grafen hause — ein völlig „kennzeichnender
Name"! — gehört „Raspe" allein und aus
schließlich z u m B o r n a m e n „Heinrich", dessen
Träger sämmtlich nachgeborene Söhne gewesen sind.
Will Herr H. v. Pfister beim thüringischen Land
grafenhause ein aller Überlieferung zuwiderlaufendes
Verfahren einschlagen, so muß er nothwendiger Weise
sagen: „Ich, Hermann v. Pfister, benenne dies Haus
aus persönlichem Ermessen von heute an das raspische",
obgleich von etwa 60 Gliedern nur 4 (Namens
Heinrich) und alle in der Nebenlinie so heißen.
Selbst aber dies „Neueste" in ungewöhnlicher
Geschichtsbenennung zugestanden, heißt damit Graf
Ludwig III. (Landgraf Ludwig I.), als Mitglied der
sogenannten „raspischen" Familie, immer noch nicht
kurzweg „Ludwig Raspe", da keine Urkunde und
kein Schriftsteller — außer Herrn H. v. Pfister aus
eigener Machtvollkommenheit und ohne diese Sach
lage offen darzulegen — ihn so benennt.
IV. Nun zum Ausdruck: Geheimes Archiv!
Es gibt drei Arten, völlig neue Thatsachen in die
Geschichtsforschung einzuführen:
1) Man benutzt die vorhandene Litteratur kritisch
oder bezieht sich auf dort gedruckte Urkunden.
2) Man besitzt oder kennt beglaubigte Urkunden,
die den Mitforschern verschlossen sind.
3) Man erfindet mit lebhafter Phantasie Be
hauptungen, sja neue Ereignisse, ohne urkundliche Be
lege geben zu können. —
Die erste Art ist nun ausgeschlossen, da sich in
der Litteratur kein „hessischer Fürst Ludwig Raspe"
vorfindet und die dritte Art darf ich nicht an
nehmen, da Herr H. v. Pfister in den Hessischen
Blättern a. a. O. solches „Dilettantenthum" weit von
sich abweist, weil er „in den Hörsälen Schleichers
und Grimm's gesessen" ist.
Es bleibt also mir nur übrig, ohne jeden „Scherz"
an ein geheimes Archiv mit beglaubigten Urkunden,
die Herrn H. v. Pfister allein zur Verfügung stehen,
durch klare Logik gezwungen und im vollen Ernst
zu glauben. Denn Herr H. v. Pfister hat in seinen
Schriftm und Aufsätzen öfters die verblüffendsten