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Willigkeit eignete er sich ganz vorzüglich zum
Dertrauensmann der Gesandten, dem sie die
Besorgung diplomatischer Aufträge mit Sicher
heit übertragen konnten. Der letzte französische
Gesandte am kurhessischen Hofe, Graf
Taillepied de Bondy überreichte ihm 1866
im Namen des Kaisers Napoleon III.
das Ritterkreuz der Ehrenlegion, dessen An
legung ihm von seinem Landesherrn ge
stattet wurde. Kein Fest veranstalteten die
genannten Gesandtschaften, zu dem er nicht
eingeladen worden wäre. Aber auch von dem
Kurfürsten, der Vergnügen an seiner Unterhal
tung fand, ward er oft und gern zur Tafel »nd
anderen Hoffestlichkeiten befohlen.
Zur Zeit der Weltausstellung in Paris im
Jahre 1867 wurde Professor Müller von dem
damaligen Civil-Administrator für Kurhessen,
dem königlich preußischen Regierungs-Präsiden
ten E. von Möller, als Kommissar zur Ver
tretung der Interessen der hessischen Aussteller
nach der Hauptstadt Frankreichs gesandt; man
kann nicht anders sagen, als daß diese Wahl
eine vortreffliche war.
Im Jahre 1875 trat Professor Müller in den
Ruhestand. Kurze Zeit darauf feierte er mit
seiner Gemahlin das Fest der goldenen Hochzeit.
Da sollte es sich denn so recht zeigen, welcher
Sympathien sich das Jubelpaar erfreute. Außer
ordentlich zahlreich waren die Glückwünsche, die
von nah und fern, von Freunden und dankbaren
Schülern, einliefen. Drei Jahre später verlor
er seine treue Lebensgenossin durch den Tod.
Bis zum Frühjahre 1887 verkehrte Professor
Müller mit Vorliebe in der Gesellschaft „Staaren-
kasten", einer Vereinigung von Künstlern und
wissenschaftlichen gebildeteil Männern, in deren
Kreise die geistig anregendste Unterhaltung
herrschte. Hier fühlte er sich wohl, er bildete
so zu sagen ben Mittelpunkt der Gesellschaft.
Kein Abend verging, ohne daß er sich eingefnn-
den hätte. Da sollte sich denn auch bei ihm,
i Alters einstellen. Er verbrachte von jener Zeit
au mit wenigen Ausnahmen den Tag und die
! Abende zu Hause, auf das Sorgsamste gepflegt
von seinen Angehörigen.
Er war ein Mann von Geist, riesigem Ge
dächtnisse, umfassenden Kenntnissen ans fast allen
Gebieten des menschlichen Wissens, ein beliebter
Gesellschafter,'witzig und schlagfertig, der Lust
j und Leben um sich zu verbreiten wußte. Selbst
bis zu den letzten Tagen seines Daseins nahm
! er noch lebhaften Antheil an den künstlerischen,
; wissenschaftlichen und politischen Bestrebungen
1 der Zeit. Wurde der Körper des Greises
auch immer hinfälliger, sein Verstand blieb
klar, sein Wille fest, fein Gedächtniß sicher.
Obwohl sein Hinscheiden nicht überraschen konnte,
so wurde dasselbe doch voll allen, die ihn kannten,
und wer kannte den alten Professor hier in Kassel
nicht ? — tief empfunden und beklagt. Außcrordent-
! lich groß war die Zahl der Leidtragenden, die
ihm am Sonntag den 10. Februar, in der
Mittagstunde, das letzte Geleite gaben. Am Grabe
j hielt Dechant Müller , der ihm während einer
; langen Reihe von Jahren nahe gestanden und
ihm wiederholt in seinen letzten Tagen die
■ Gnadenmittel der katholischen Kirche gespendet
hatte, eine ergreifende Rede. In beredter Weise ent
warf dieser hochgeschätzte, würdige Priester ein
treues Lebensbild des Dahingeschiedenen, mit
warmen Worte» hob er die Verdienste hervor,
die sich derselbe um die Kunst, die Wissenschaften,
j das öffentliche Leben, um seine Vaterstadt, wie
I um sein engeres Vaterland erworben, und pries
' des Verblichenen tief - religiösen Sinn, die auf
richtige Frömmigkeit, die diesem treuen Sohne
seiner Kirche ein Herzensbedürfniß gewesen sei. —
Der Name des Professors Friedrich Müller
verdient eingetragen zu werden in die Annalen
! unserer Vaterstadt Kassel, ihm zum Ruhm, den
Mitlebenden zum Gedächtniß, den kommenden
j Geschlechtern zur Nacheiferung. Er ruhe in
j Frieden.
dem 85jährigen Greise, die Gebrechlichkeit des |
Eine Oximierung an den dentsch-fransösischen Feldzug.
Dem Andenken der Frau Dr. Claus, geb. Sanner,
gewidmet von <E. Mentzel.
Ende Januar vorigen Jahres starb zu Mar
burg nach langen und schweren Leiden eine
Frau, deren aufopfernde Thätigkeit in einer
großen und bewegten Zeit es als heilige Pflicht
erscheinen läßt, ihrem Andenken an dieser Stelle
einige Worte zu widmen, lind wenn ich dies
thue und die lohnende Aufgabe nicht einer
Persönlichkeit überlasse, die der Verstorbenen von
frühester Jugend an nahe stand, so glaube ich
um so mehr dazu berechtigt zu sein, als ich ja