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„Vereins für Naturkunde"; dem öffent
lichen Leben, den Gemeindcangelegcnheiten, den
wissenschaftlichen, künstlerischen und gemeinnützigen
Bestrebungen in hiesiger Stadt widmete er fünf
zehn Jahre lang die anerkenncnswertheste Thätig
keit ; wir können ihn daher als einen der Unseren
betrachten: er gehört der Geschichte unserer Vater
stadt an, deshalb wird denn auch eine Skizze
seines Lebens den Lesern unserer Zeitschrift
sicherlich willkommen sein. Dank dem freund
lichen Entgegenkommen des Geschäftsführers des
Vereins für Naturkunde, des hochgeschätzten
treuen Mitarbeiters unserer Zeitschrift, der als
Herausgeber des neuesten Berichtes des genann
ten Vereins uns daraus den ersten Aushänge
bogen zur Benutzung für das „Hessenland" zur Ver
fügung gestellt hat, sind wir in der Lage, nach
den Valparaisoer „Deutschen Nachrichten" eine
Lebensschilderung des hochverdienten Professors
Dr. R. A. Philippi hier zum Abdruck zu
bringen.
Santiago, 16. September 1888.
Unter der freudigen Theilnahme nicht nur der
deutschen Kolonie Santiago, sondern derjenigen
ganz Chile's feierte am 14. dieses Monats der
von seinen Landsleuten wie Chilenen gleicher
maßen hochgeschätzte und allverehrte Herr
Doktor Rudolph Amandus Philippi,
der langjährige unermüdliche Direktordes National
museums, seinen achtzigsten Geburtstag. Es ist
ihm vergönnt gewesen, diesen Tag in männlicher
Rüstigkeit seines Körpers und in voller geistiger
Frische zu begehen, reich wie je an den edlen
Empfindungen eines eckt deutschen Herzens und
deutschen Gemüthes. Möge es unserm „Alten
Herrn" beschieden sein, seinen Angehörigen zur
Freude, seinem Vaterlande zum Stolz, der Wissen
schaft zur Ehre, sich selbst zur Genugthuung, mit
ungeschwächter Kraft noch lange Jahre unge
trübten Glücks in unserer Mitte zu wirken. Wir
glauben im Sinne aller unserer Leser zu handeln,
wenn wir im Folgenden dem Bericht über die
Festlichkeiten selbst einige Notizen aus dem
Leben des Jubelgreises vorangehen lassen.
Rudolph Amandus Philippi wurde
am 14. September 1808 zu Charlottenburg bei
Berlin geboren. Er besuchte von 1818 — 1822
das Pestalozzi'sche Institut zu Jverdun. Die
mächtige und unvergleichlich schöne Schweizer
landschaft rings um ihn her mußte durch sich
selbst auf den geweckten Knaben einen lebhaften
Eindruck machen. Hält man daneben den er
ziehlichen Einfluß Meister Pestalozzi's, der ge
rade damals bestrebt war, das Prineip der An
schauung in die Praxis des Unterrichts einzu
führen, seine Schüler zur Uebung ihrer Sinne
anzuleiten, um richtig zu hören, zu sehen, zu
beobachten, zu prüfen, zu vergleichen, und zu
urtheilen, so wird man kaum fehlgehen mit der
Behauptung, daß die umgebende Natur und die
erziehliche Einwirkung auf die eigne, ihn, unsern
gefeierten Veteranen, frühzeitig für das Studium
der Naturwissenschaften, deiner später mit großem
Erfolg oblag, vorbestimmt haben. Nachdem der
vierzehnjährige Knabe die Schule Pestalozzi's
verlassen, trat er in das berühmte Gymnasium
„zum grauen Kloster" in Berlin ein, um nach
dessen Absolvirung auf der zwei Jahre nach
seiner Geburt gegründeten Berliner „Friedrich-
Wilhelms-Universität" medicinischen Studien ob
zuliegen und im Alter von 22 Jahren das
Staatsexamen abzulegen, sowie den Titel eines
„Doctor medicinae“ zu erwerben (1830).
Ehe der Doctor med. R. A. Philippi seine
ärztliche Praxis aufnahm, ging er voil 1830—
1832 nach Italien, einerseits um Körper und
Geist nach den langwierigen angreifenden Studien
die nothwendige Erholung zu gönnen, andrerseits
auch, um seiner Vorliebe für naturwissenschaftliche
Studien eine praktische Genugthuung geben zu
können. Besonders lang hielt er sich auf der
Insel Sicilieu auf, die er in Gemeinschaft mit
den beiden viel älteren deutschen Gelehrten
Friedrich Hoffmann und Escher von der Linth,
deren Bekanntschaft er zufällig in Italien gemacht
hatte, gründlich erforschte.
In jene Zeit fällt auch das Ereigniß der plötzlich,
südwestlich von Sicilien, aus dem Mittelmeer
auftauchenden vulkanische» Insel „Ferdinanden".
Unsere drei Gelehrten beschlossen, dieselbe zu be
suchen und sie der kritisch-wissenschaftlichen Sonde
zu unterwerfen. Sie fanden aber leider alles
noch in einem solch brodelnden Urschlamm, daß
eine Annäherung nur bis auf einen Kilometer
Entfernung möglich wurde. Sobald ein Betreten
möglich, nahmen das - neu geschaffene Land
natürlich die Engländer in Besitz, unter deren
Füßen es indessen bald wieder im Meere versank.
Eine Episode möge hier noch erwähnt werden,
weil sie charakteristisch ist für das damalige
deutsche Gelehrtenthum und uns das ehrende
Vertrauen offenbart, welches der junge Doktor
sich schnell bei den beiden älteren Gelehrten zu
erwerben verstanden hat.
Es war in Neapel. Unsern jungen Forscher
gemahnte der vvn Tag zu Tag drohender
gähnende Abgrund seiner Börse sich mit dem Ge-
danken der Rückkehr nach Deutschland zu be
freunden. Wir alle kennen ja das. Ein junger
deutscher Doktor, der eben die Universität ver
lassen hat, befindet sich selten in der Lage, mit
Glücksgütern so gesegnet zu sein, daß er nach
Belieben reisen und ohne irgend welche Be
schränkung im theuern Anslande leben kann.