63
Zeitwirren einen schlichten, geraden Sinn be
wahrte wie nur wenige. Schmeichelei war ihm,
der mit den Großen der Erde so viel zu schaffen
hatte, völlig fremd. Einst prahlte^ ein Herr von
hohem Adel, aber Wohl ohne große eigene Ver
dienste mit den Vorrechten seines Standes und
verstieg sich zu der Behauptung, im Himmel
wären für die Fürsten besondere Stühle aufge
stellt. Bemelberg bestätigte es ihm mit der frei
müthigen Antwort: „Ja, gnädiger Herr, ich hab's
auch gehört, daß die Sessel da sein sollen, aber
der mehrere Theil gar bestaubt, daß der Staub
höher denn spanndick darauf liege." Im Sinne
dieser Schlichtheit ist auch seine Anhänglichkeit
an die alte Religion zu erklären; für ihn, den
Kriegsmann, gab es keine Irrgläubigen, er hielt
cs nicht für seine Sache, sich in die Streitigkeiten
der Gottesgelahrten zu mischen; und weil er in
diesem Streit der verschiedenen Meinungen, der
erbittert hin und her wogte, die Entscheidung zu
fällen sich nicht selber anmaßen mochte, hielt er
bei der Religion seiner Väter aus, die diesen
recht gewesen war; wollen wir niit ihm darum
rechten? Aber daß er duldsam gegeil Anders
gläubige war, dafür haben wir mehr als bloße
Vermuthungen. — Das Gebiet, auf dem er
Lorbeern pflückte, war das Kriegswesen. Hier
reiht er sich würdig den ersten Männern an;
und wenn auch sein Genosse Schertlin als Feld
herr den Vorrang verdient, so gebührt unserm
Bemelberg der erste Preis als Oberster der
deutschen Landsknechte, nachdem sein Lehrmeister
Frundsberg von der Bühne abgetreten war. Er
war ein Vater der Landsknechte wie dieser und
hochverehrt wie dieser; ihm strömten von allen
Seiten die Knechte freudig zu; aber er war ein
strenger Vater, der auf Ordnung und Zucht
unter denen hielt, die sich ihm anvertraut hatten.
Seine Meinung darüber haben wir schon oben
erfahren; sie erhellt auch aus der folgenden ver
bürgten Thatsache. Im Jahre 1552 wurde
einem Landsknechtsführer, dein Hauptmann
Sebastian Vogelsberger, einem geborenen Elsässer
aus Weißenburg, der vom Kaiser abgefallen war
und dem König von Frankreich wider jenen ge
dient hatte, der Proceß gemacht, und er zum
Tode verurtheilt. In seiner Verzweiflung wandte
er sich an Bemelberg: „Herr Konrad, ist mir
nicht zu helfen?" Der antwortete: „Mein Bastian,
helfe euch unser Herr Gott!" Und der Unglückliche
getröstete sich dessen: „Der wird mir auch helfen."
So stellt sich unsern Blicken das Bild dieses
Mannes in anziehenden und wohlthuenden Zügen
dar, so daß wir Konrad von Bemelberg ohne
Bedenken den edelsten Vertretern des Ritter
standes, den Sickingeu, den Hutten, den Berlichingen
anschließen dürfen. Auch er ist wie die genannten
Männer ein Mitglied jenes eigenthümlichen
Gliedes in dem Organismus des alten deutschen
Reiches, das zwar von oberflächlichen Beurtheilern
viel geschmäht und für vieles verantwortlich ge
macht worden ist, das aber doch in allen Zeiten
sich nützlich, ja unentbehrlich erwiesen hat: der
Reichsritterschaft; und er verpflanzte den alten
Stamm der Boineburge in das Schwabenland,
wo er, der katholischen Lehre treu geblieben, den
schwäbischen Ritter-Kantonen am Kocher und an
der Donau einverleibt, erst in unserm Jahr
hundert (1826) mit dem Freiherrn Alois von
Bemmelberg erlosch. Sein Stamin ist verdorrt,
aber das Andenken an den wackern und treuen
Landsknechtsoberst Konrad von Bemelberg wird
in deutschen und besonders in hessischen Landen
nicht erlöschen.
fußüäum eines deutschen Greises in
antiago.
Am 14. September 1888 feierte Professor
Ur. Rudolf Amandus Philippi, eines
der würdigsten Mitglieder der deutschen Kolo-
nieen Chile's, in Santiago seinen achtzigsten
Geburtstag. Der allgemein hochgeachtete Ge
lehrte ist bei dieser Gelegenheit Gegenstand von
Ehrungen gewesen, welche ihm und den Seinen
die Wertschätzung, deren er sich sowohl im Kreise
der deutschen Landsleute als darüber hinaus,
hauptsächlich bei der chilenischen Nationalität
erfreut, in deren Dienst er ja den größeren Theil
seines erfolgreichen Lebens unermüdlich thätig
gewesen ist, deutlich dargelegt haben.
Professor Philippi war 1835 als Lehrer der
Naturgeschichte und Geographie an die hiesige
polytechnische Schule, die „höhere Gewerbeschule",
wie sie officiös hieß, berufen worden. In dieser
Stellung verblieb er bis zum Schluffe des Jahres
1850; in den letzten Jahren seiner hiesigen
Wirksamkeit war er Direktor dieser Anstalt, die
sich durch die Tüchtigkeit ihrer Lehrkräfte in den
30er und 40er Jahren eines ausgezeichneten
Rufes erfreute. Er war einer der Begründer
des vor nunmehr 53 Jahren dahier gestifteten,
heute noch in der schönsten Blüthe stehenden und
eine anerkennenswerthe Wirksamkeit entfaltenden