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Gefangenen, bis endlich nach drei Monaten der
Gouverneur im Namen des Königs erschien, alle
Habseligkeiten der Trost'schen Familie untersuchte,
die Papiere beschlagnahmte, wobei es Trost gelang,
ein großes, mit erläuternden Zeichnungen ver
sehenes Tagebuch bei Seite zu schaffen. Vierzehn
Tage darauf erfolgte ein schärferer Haftbefehl.
Dann brachte ein Adjutant die Patente Trost's
zurück, sagte einige Artigkeiten von braven Deut
schen, doch wurden alle Thüren und Läden ge
schlossen und die armen geängsteten Menschen ganz
auf das Innere des Hauses und den mit hohen
Mauern umgebenen Hof beschränkt. Trost war
auf alles gefaßt, er und seine Familie hatten mit
dem Leben abgeschlossen. Da erscholl eines Tages,
es war im Oktober 1820, lautes Geräusch an das
Ohr der Verhafteten, die Thüren öffneten sich
und ihnen wurde die Kunde, daß sie frei seien.
Es war eine von dem Mulatten Boher geleitete
Empörung gegen den schwarzen König Heinrich
ausgebrochen, seine Truppen verließen ihn und
er selbst endete am 8. Oktober sein Leben durch
einen Pistolenschuß. Boyer, der Nachfolger Potion's
vereinigte am 22. November die beiden Theile
zu der Republik Haiti. Nun erhielt Trost mit
seiner Familie die Erlaubniß zur Heimkehr. Nach
siebenwöchentlicher glücklicher Fahrt trafen sie
wieder in Deutschland ein.
Vorstehende die Familie Trost betreffende An
gaben, sind den Aufzeichnungen entnommen, die
der Sohn, der am 1. März 1884 zu München
verstorbene ausgezeichnete Maler Karl Trost hinter
lassen hat, und die s. Z. in der Münchener „All
gemeinen Zeitung" veröffentlicht worden sind,
Schlimmer als dem Major Trost erging es
dessen Leidensgefährten Louis Neuber. Ueber ihn
liegen uns folgende Notizen vor, die wir der
gütigen Mittheilung seines Neffen, des Herrn
Landgerichtssekretärs K. Neuber dahier, verdanken.
Louis Neuber, am 3. Dezember 1791 zu Kassel
geboren, war in westfälischer Zeit Lieutenant
im 1. leichten Infanterie-Bataillon, während des
Kriegs gegen Frankreich Lieutenant im hessischen
Infanterie-Regiment „Kurfürst". Da er sich
nach den großen Befreiungskriegen in seinen
Hoffnungen getäuscht sah, so wanderte er mit
noch einigen Altersgenossen im Oktober 1816
nach Haiti aus. Er wurde freundlich aufge
nommen und seinen Fähigkeiten entsprechend be
schäftigt. Als aber die von Louis Neuber und
dem Artillerie-Major Trost angestellten Proben
in Geschütz-Gießereien mißglückten, verloren beide
die Gunst des schwarzen Königs und wurden
sogar 11 Tage in Haft gehalten. Dann frei
gelassen, vermochten sie doch nicht ihre frühere
Stellung wieder zu gewinnen. Ihre Lage ge
staltete sich sehr ungünstig, indem beide zwar von
neuem mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt
wurden, aber lange ans den wohlverdienten Ge
halt warten mußten und daher bittere Noth
litten. Auch Neuber wurde ebenso wie Trost die
Erlaubniß zur Rückkehr nach Deutschland ver
weigert. In trüben Farben schildert er seine
Lage und den gegen ihn ausgeübten Zwang in
dem letzten an die Seinigen in Kassel gerichteten
Brief am 30. April 1820. Ihm war es nicht
beschieden, seine Heimath wieder zu sehen und
ungewiß ist es geblieben, welches Ende er ge-'
nommen. Nach hierher gelangter Nachricht soll
er schon im Sommer 1820 den schädlichen Ein
flüssen des Klimas und den in Folge davon ein
getretenen Fieberanfällen erlegen sein. Einem
anderen Gerüchte zufolge, das weit schrecklicher
lautet, soll er von dem schwarzen König Hein
rich beauftragt gewesen sein, den Plan zu einem
Gefängnisse zu entwerfen, welcher den Beifall
des Herrschers gefunden habe. Nach Errichtung
des Baues habe der König den Baumeister
Neuber selbst hineinstecken lassen, um dessen An
liegen todtzuschweigen und ihn durch Versagung
der erforderlichen Nahrung und Pflege bei seiner
ohnehin zerrütteten Gesundheit elendiglich um
kommen zu lassen.
Wem fällt da nicht der alte lateinische Spruch,
freilich in anderem Sinne, als ihn - Freund
Horatius meint, ein:
Rio niKor est, dune tu, Romane, caveto!
Wiew.
Von H. Keller-Jordan.
(Schluß.)
In den nächsten Wochen wurde in dem kleinen
Häuschen am Veilchenrain, wie die Straße ge
nannt wurde, in welcher Frau Ruppius wohnte,
alles gesäubert und verschönt. Die Tante hatte
den Bitten Grete's nachgegeben und Rudi mit
Frau und Kind für die Ferien eingeladen sie zu
besuchen. Ob sie kommen würden und Theodora
mit dem zufrieden sein, was fite bieten konnte?
Es hatte sich ihrer, seitdem der Brief mit der
Einladung abgegangen war, eine krankhafte Un
ruhe bemächtigt, für welche sie selbst keinen Grund
fand.