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habe, sie verlangten Genugthuung; ich weiß
nicht, was ich davon halten soll." Als
dem Herrn Prorektor von einem anwesenden
Studenten der mit den Verhältnissen vertraut
war, die Sache klar gestellt wurde, da lachte er
selbst weidlich über den Vorfall; die beiden Herrn
Studiosen wurden zwar vor den Akademischen
geladen, kamen aber mit einer sehr milden Strafe
durch und hatten außerdem noch die Genug
thuung , daß Magnificenz dem Pedellen Vorhalt
machte wegen seines bei dem Falle bewiesenen
Im Winter 1847 glaubte eine Anzahl flotter
Musensöhne, die in der Heuser'schen Wirthschaft
am Markte ihre Kneipe hatten — auch der
Schreiber dieser Zeilen gehörte zu denselben —
die Sonntags-Nachmittage nicht besser verwerthen
zu können, als dadurch, daß sie sich dem edlen
Cerevisspiele hingaben. So sollte es denn auch
wieder an einem Novembersonntage geschehen,
leider blieb der vierte Mann, stuck. C., aus. Es
war dies um so auffallender, als gerade dieser
Studiosus, wegen seines runden glattgeschorenen
Schädels „Kohlrabenkopp" bespitznamt, wenigstens
bei solchen Gelegenheiten die Pünktlichkeit selbst
war. Der Fax der Kneipe wurde nach ihm
ausgeschickt, konnte ihn aber nirgends auftreiben.
Da entschlossen wir uns kurz, ihn auszuschellen.
Wir kauften bei Arcularius in der Barfüßer
straße, in dessen Hause, nebenbei bemerkt, da
mals Konrad Büchel wohnte, eine mächtige
Schelle und begannen den Akt gegen 4 Uhr
Nachmittags an der Ketzerbach, zogen dann den
Steinweg hinauf nach der Wettergasse. Den
Ausrufer machte der von Heidelberg zu Besuch
anwesende stuck. P., der über eine uügemein
kräftige Stimme verfügte, die viel stärker noch
war als diejenige des bekannten officiellen Aus
rufers Nüll. 8tuä. P. verkündete, daß ein
gewisser stuck. „Kohlrabenkopp" verloren gegangen
sei und daß dem redlichen Finder, der ihn auf
der Heuser'schen Kneipe abliefere, eine Belohnung
von zwei gGroschen zu theil werden solle.
Daß dieser'Jokus, namentlich am Sonntag zu
der erwähnten Tageszeit, in welcher sich Alt
und Jung in den engen Straßen Marburgs
drängte, großes Aufsehen- erregen mußte, war
nur allzu natürlich. Die Menge folgte denn
auch dem Ausrufer und seinen Genossen mit großem
Gejohle. Da, als stuck. P. in der Wettergasse
seines Amtes waltete, öffnete sich in dem Schippel-
schen Hause ein Fenster und daraus erscholl der
Ruf: „ich melde mich zum Finderlohn"! Es
war stuck. C. selbst, der bei seinem dort wohnen
den Freunde M. zu Besuche war. Er erschien auch
gleich auf der Heuser'schen Kneipe und das
Cerevisspiel konnte beginnen, das dann zur Zeit
der Feierabendstunde so endete, wie eben die
Cerevisspiele in der Regel zu enden pflegen. —
— Die Sache war von der Polizei bei dem
Prorektor zur Anzeige gebracht worden. Mag
nificenz Büchel ließ den Verfasser dieses Artikels,
als Mitbetheiligten, zu sich rufen und erkundigte
sich nach dem Vorgänge. Die Anzeige lautete
dahin, daß mehrere Studenten, die zum Theil
namhaft gemacht waren, den Verkauf von Kohl
raben zu zwei gGroschen in der Heuser'schen
Wirthschaft ausgerufen und dadurch ruhestörenden
Lärm verursacht hätten, ein Unterfangen, das
gegen die Polizeigesetze verstoße und doppelt
strafbar sei, weil es an einem Sonntage statt
gefunden hätte. Als nun Prorektor Büchel den
Sachverhalt erfuhr, lachte er und meinte, das
sei wieder einmal ein gelungener Studentenstreich
gewesen; er werde der polizeilichen Anzeige keine
Folge geben. Und so geschah es denn auch.
Wie die meisten Pandektisten war Büchel ein
eifriger Verehrer eines oder vielmehr mehrerer Becher
guten Weines; er liebte muntere Gesellschaft,
die er auf seine Weise erheiternd und anregend
zu beleben wußte. Bei öffentlichen Festlichkeiten
hielt er gerne Reden, deren Werth aber im um
gekehrten Verhältnisse zu den Weinsorten stand,
die kredenzt wurden. Bei Festessen kommen be
kanntlich erst die geringeren Weine, denen sich
dann die feineren und gehaltvolleren anschließen.
Bei Büchel war die erste Rede in der Regel die
gehaltvollste. Er sprach da stets ausgezeichnet,
mochte er sich nun der deutschen oder der lateini
schen Sprache bedienen. Seinen folgenden Reden
konnte man aber dieses Lob gerade nicht immer
spenden.
Eine besondere Neigung hegte Büchel für die
Muse Terpsichore. Er war ein gewandter flotter
Tänzer, und wenn er nicht der hervorragende
Rechtslehrer gewesen wäre, mit Leichtigkeit hätte
er ein berühmter Tanzkünstler, ein zweiter
Vestris, werden können. Dieses Urtheil zu
unterschreiben, werden gewiß alle diejenigen
keinen Anstand nehmen, die im Wintersemester
1844/45 den Ball „ohne Damen" im Gasthofc
zum Ritter in Marburg mitzumachen Gelegen
heit hatten.
Bei den Studenten war Büchel außerordent
lich beliebt. Das hinderte aber nickt, daß sie
sich zuweilen einen kleinen Jux mit ihm erlaubten,
den er aber nur sehr selten übel zu nehmen
pflegte. Der Schreiber dieser Zeilen ist zugegen
gewesen, als eine angeheiterte Schaar von Musen
söhnen in großer Gesellschaft im Pfeifer'schen
Garten zu Marburg einen Salamander auf den
anwesenden Professor Konrad Büchel rieb. In
der vorausgehenden Rede hatte der Exercitien
meister den hochberühmten Professor, den Stern