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um die Lehre vom Darlehn — „wie Puchta
will, auszuschließen, heißt gar nichts, es ist
„schlächtes Geschwätz"! Meinen kann jede Frau
Bas! Ja, wenn wir eine Klage aus dem nintunrn
von Seiten des mntunm accipiens gegen den mu-
tuum dans hätten, ja dann wäre es etwas anderes,
die haben wir aber nicht, Herr Puchta!" —
Bei Erörterung des successiv graduum et
ordinum in locum praedefuncti parentis ließ
er sich wie folgt vernehmen: „Vangerow's Mei
nung ist ein wahres Hexengebräu. Sehen Sie,
meine Herrn, da ist's einem gerade so, als er
hielte man rechts und links Ohrfeigen. So eine
Verwirrung, wie sie hier in einem juristischen
Kopfe herrscht, wie bei Vangerow, ist mir noch
nicht vorgekommen." —
„Die dummen römischen Juristen, die haben
das nicht verstanden: der Ulpian, der Gaius,
der Modestinus und wie sie alle heißen. Erst
der Herr Minister von Savigny mußte kommen
und ihnen ein Licht anstecken."
Auch auf die Hegelianer hatte er es abgesehen:
„So meinte er einst, Wenn die Hegelianer da
mitschwatzen", „ob der Besitz ein Recht oder ein
Faktum ist, so ist das gerade so gut, als wenn
die Gänse mitschnattern." —
Im Herbst 1846 war Konrad Büchel zum
Prorektor der alraa mater Philippina gewählt
worden. Da hatte er denn nach seiner feier
lichen Einführung in diese Würde nichts eiliger
zu thun, als nach Kassel zu reisen, um dem
Uector magniücentissimus, der kein Geringerer
war, als Se. Königliche Hoheit der Kurprinz und
Mitregent selbst, seine Aufwartung zu machen. Die
nachgesuchte Audienz wurde ihm bewilligt. Büchel
erschien in escarpins, seidenen Strümpfen und
Schnallenschuhen, den Galadegen an der Seite.
Der sonst so wortkarge Kurprinz unterhielt sich
auf das Leutseligste mit dem gelehrten Pandek
tisten, an dem er Gefallen gefunden hatte. Als
nun die Audienz beendet war und Büchel sich
rückwärts unter tiefen Komplimenten nach der
Ausgangsthür bewegte, gerieth ihm der un
gewohnte Degen zwischen die Beine und er kam
auf dem glatten Parketboden zu Falle. Da soll
der Kurprinz lächelnd zu ihm gesagt haben:
„Ist dieser „Fall" auch in dem 6orpus iuris vor
gesehen? Ist es vielleicht jener famose „casus",
der den Juristen so viel Kopfzerbrechens macht."
Schlagfertig soll da Büchel geantwortet haben:
„Halten zu Gnaden, Königliche Hoheit, dieser casns
beruht auf einer vis inaior, eni humana infirmitas
resistere nequit.“*) „Haben Magnificenz gut
*) Diese Unterredung soll Büchel zu der Herausgabe der
Abhandlung Disquisitio de „uno casu“ paragraphi 2
Inst, de act. (4. 6) veranlaßt haben, die dann bei dem
Prorektoratswechsel erschien.
gemacht", soll darauf der Kurprinz geäußert und
später bei Tafel den Vorfall mit großer Heiterkeit
selbst erzählt haben, woraus sich Büchel nicht
wenig einbildete.
Büchel war kein Splitterrichter, wenn es sich
um gelungene Studentenstreiche handelte, das
hat so mancher Bruder Studio erfahren, welchem
es während seines Prorektorates beschieden war,
vor den Akademischen citirt zu werden. Er wqr
eine prächtige Magnificenz: die Paukereien im
Englischen Hofe und auf dem bunten Kitzel,
deren es freilich damals weniger gab, als heut
zutage, konnten in jener Zeit ungestört ausge
suchten werden und die Feierabendstunden wurden
unter ihm nichts weniger als rigoros gehand-
habt. Zwei Erinnerungen haften aus jener Zeit
noch in unserem Gedächtnisse, die von der wahr
haft humanen und vernünftigen Gesinnung des
Prorektors Büchel beredtes Zeugniß ablegen:
Auf der Teutonenkneipe in Marburg bestand
seit 1845 ein engerer Verein, der sich „Weis
heitsverein" nannte und die Pflege des Humors
und treuer Kameradschaft zum Zwecke hatte.
Die Mitglieder trugen in den Sitzungen weiße
Hemden über den Kleidern und weiße Zipfel
mützen auf dem Haupte. An beiden waren
große Fragezeichen angebracht. Am Stiftungs
tage, 27. Januar, feierte der Verein zugleich
sein Neujahrsfest. Dasselbe sollte im Jahre 1847
ganz besonders feierlich begangen werden. Zwei
Mitglieder, die Studiosen K. und G., rückten
in dem Weisheits-Kostüme mit der in der Farbe
der Unschuld prangenden Fahne aus, wurden
aber von dem Pedellen Röse, da Maskeraden
und ähnliche Aufzüge nach den Universitäts
gesetzen bei strengster Strafe, unter Umständen
sogar mit dem Consilium ahenndi, verpönt
waren, angehalten. Der Pedell entwand ihnen
die Fahne. Ueber solches freventliche Gebühren
aufgebracht, rückten die beiden .„Weisen" in
ihrem Ornate dem Prorektor Büchel in die
Wohnung und führten Beschwerde über den
Pedellen. Der Prorektor wurde nicht klug aus
der Sache, sagte aber, um die aufgeregten Herrn
Studiosen zu beruhigen, Untersuchung des
Falles zu. Abends erzählte Büchel in der Wein
stube, bic- er regelmäßig zu besuchen pflegte:
„Denken Sie, meine Herren, kommen da heute
Nachmittag die Studiosen K. und G. in meine
Wohnung, haben das Hemd, das man doch sonst
auf dem bloßen Leib zu tragen pflegt, über den
Kleidern an und eine weiße Schlafmütze aus und
sagen, sie seien die drei Weisen aus dem Morgen
lande , während sie doch nur zu zweien waren,
der Pedell Röse habe sie schwer gekränkt, indem
er ihnen die Fahne, welche ihnen als Leitstern
zu ihrem löblichen Werke dienen sollte, entwunden