(Schluß.)
Die Aufstellung treffender und umfassender Be
griffsbestimmungen war eine HauPtstärkeBüchels.
Seine Schüler erinnern sich gewiß der Ein
dringlichkeit, mit welcher er auf die große Be
deutung richtiger Definitionen aufmerksam zu
machen pflegte. Ja, meine Herrn, sagte er z. B.
in der Lehre über das Gewohnheits-Recht, de-
finiren Sie mir einmal den Begriff „Gewohnheit"!
Sie alle haben doch Gewohnheiten, der eine ist
gewohnt, zu einer bestimmten Stunde zu rauchen,
den Herrn stad. K. sehe ich zu einer bestimmten
Zeit täglich in die Kneipe wandern, vielleicht
ist auch einer von Ihnen gewohnt, morgens um
5 Uhr aufzustehen. Ob der letzterwähnten pro
blematischen Unterstellung lächelten die meisten
Schüler, zu deren Geflogenheiten das Frühauf
stehen wohl nicht gehören mochte, besonders ein
stud, B., an welchen sich Büchel daher mit der
Frage wandte: „Nun Herr B., Ihnen fällt es
gewiß sehr leicht, die richtige Definition zu
geben. Was ist denn Gewohnheit?" Als nun
Herr B. statt der Antwort ein Lächeln zurück
gab, fuhr Büchel fort: „Ja, meine Herrn, man
muß die Begriffe scharf fassen in iars! Da
fällt mir aus alter Zeit ein gewisser Etzel aus
Fulda ein, den Sie, Herr K., — Büchel wandte
sich an einen stucl. aus Fulda — sicherlich noch
kennen werden. Er lebt als betagter Mann in
Fulda und ist immer noch Rechtspraktikant.
Dieser Etzel gelangte auf eine wunderliche Art
zum Studium der Rechte. Im Anfang dieses
Jahrhunderts noch mußte man, um zu dem
juristischen Studium ohne Weiteres zugelassen
zu werden, entweder der Sohn mindestens eines
Rathes, oder aber adelig sein. Andernfalls war
besondere Genehmigung des Landesherrn er
forderlich. Da nun bei Etzel die erwähnten
beiden Voraussetzungen nicht vorlagen, so richtete
er eine Eingabe an die höchste Landesstelle und
warsehr erstaunt, als er umgehend die Antwort
erhielt, er brauche ja gar keine besondere Ge
nehmigung, er sei ja adelig. Etzel stammte
nämlich aus Roßbach und hatte die Eingabe
unterzeichnet: Etzel von.Roßbach. Hierdurch war
der Irrthum entstanden, der nun dem Herrn
Etzel zu Gute kam. Als er bei seiner Ankunft
in Marburg mir einen Besuch machte, — ich
war damals noch Privatdozent — antwortete
er mir auf die Frage, was er eigentlich studiren
wolle: „Er wolle sich zuvörderst dem Studium
der Rechts- und Kameral-Wissenschaften widmen,
daneben auch das Studium der Mathematik und
Naturwissenschaften eifrig betreiben und die
heilige Theologie nicht vernachlässigen!" „Nun,
das ist ja recht schön, Herr Etzel", erklärte ich
ihm, es will mich nur bedünken, daß die Aus
führung Ihres schönen Vorsatzes auf Schwierig
keiten stoßen wird." Da lachte Herr Etzel, als
ob er sagen wollte: „Nun, du wirst schon sehen!"
Als er einige Zeit danach in meinem Kolleg
erschien und ich gerade dieselbe Materie wie
heute behandelte, da war es der Herr Etzel,
welcher bei meiner Mahnung, daß man die Be
griffe scharf fassen müsse in iure lachte. „Nun,
Herr Etzel", sagte ich, ,-Sie lachen, sagen Sie
mir doch gefälligst einmal: Was ist denn ein
Huhn?" Da lachte Herr Etzel wieder und sagte:
„Nichts leichter als dies! Ein Huhn . . . nun,
ein Huhn ist . . ein Huhn!" Weiter kam er
nicht, nun meine Herrn, das so nebenbei, Sie
sehen aber, wie schwer es ist, dem einfachsten
Begriff richtig zu definiren. Also kehren wir
zu unserm Gewohnheits-Recht zurück.
„Unter Gewohnheit im Allgemeinen versteht man
die durch längereZeitfortgesetzteBefolgung derselben
Handlungsweise herbeigeführte unbewußte innere
Nöthigung." Bezieht sich nun diese Handlungs
weise auf das äußere Zusammenleben der Menschen,
und liegt den Handelnden das Bewußtsein 311
Grunde, daß ihre Handlungsweise der in ihnen
wohnenden Rechtsansicht entspreche, also in diesem
Sinne Recht sei, (sog. opinio necessi (tafcis), so
entsteht der Begriff der rechtlichen Gewohnheit •
und das auf solchen rechtlichen Gewohnheiten
beruhende Recht nennt man Gewohnheits-
Recht. Ich weiß nicht, ob ich den Herrn ver
ständlich bin. —
In den 40er Jahren liebte es Konrad Büchel
ganz besonders, gegen Puchta, Vangerow, von
Savigny zu polemisiren. Sehr rücksichtsvoll und
wählerisch war er dabei in seinen Aeußerungen
nach Gelehrtenart gerade nicht, wie folgende
verba Conradi ipsissima beweisen.
„Die actio de dolo hier" — es handelte sich