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als Aeußerungen eines ebenso richtigen, allgemein
menschlichen Urtheils wie als Beweis eines noch
warmherzigen Interesses für das Andenken an die
Person unseres Kurfürsten und seines Vaters, des.
Kurfürsten Wilhelm II. nur eine dankbar sympathische
Aufnahme finden können, zumal sie von der begrün
deten Voraussetzung ausgingen, daß ein solches Aerger
niß nur in Folge zufälliger Umstände habe unvermieden
bleiben können. Einzelne dieser Zuschriften haben
einen so . überzeugenden Ton innerster aufrichtiger
Theilnahme angeschlagen, daß es bedauert wird, den
anonymen Absendern nicht den Dank für ihre bei
diesem Anlaß bewiesene Gesinnung aussprechen zu
können. Man darf auch annehmen, daß die mehrbenannten
Gegenstände, wenngleich sie in dem Katalog des Nach
lasses des Fürsten Moritz Aufnahme gefunden haben,
doch von der Versteigerung ausgeschlossen bleiben
werden. Jedenfalls ist alle erforderliche Vorsorge
getroffen, um sie den Angehörigen zu erhalten und
ihnen für die Zukunft eine ihrer Bedentung ent
sprechende Aufbewahrung zu sichern. Uebrigens sind,
was nicht unerwähnt bleiben darf, in dem Katalog
eine Reihe von Gegenständen als kurfürstlich bezeichnet,
die es thatsächlich nicht sind."
Der Oberbürgermeister von Gotha, Herr Hüners-
dorf, früher Obergerichtsrath zu Marburg und einer
von den gemaßregelteü verfassungstreuen Beamten
aus der Hassenpflug'schen Aera, tritt in den Ruhe
stand. Die Gothaer Stadtverordneten haben dem
verdienten Beamten die Jahre 1850—54, während
derer er sich in Folge jener Maßregelung außer Amt
befand, zu den übrigen Dienstjahren hinzugerechnet,
um ihm seinen vollen Gehalt als Pension zu belassen.
Dem Vernehmen nach ist von der Intendanz des
hiesigen Königl. Theaters die breiartige Operette „Der
Gaunerkö nig" von O. Ewald und W. Ben necke,
Musik von Dr. Franz Beier, zur Aufführung
angenommen worden.
Universitätsnachrichten. Wie die „Oberh.
Ztg." meldet, wird der Professor für neuere Literatur
Dr. Max Koch in Marburg dem an ihn von
der Universität Breslau ergangenen Rufe Folge
leisten und mit Anfang drs nächsten Semesters dort
hin übersiedeln.
Schönwissenschaftliche Merke hessischer
Dichter für Weihnachten 1889.
Wer diesmal eine poetische Weihnachtsgabe wählen
und dabei die Werke hessischer Dichter berücksichtigen
will, kann sich über Mangel an Auswahl nicht be
schweren. Von neuen Erscheinungen wollen wir im
Folgenden einige als besonders empfehlenswerth
hervorheben.
E. Mentzel bietet uns im „Feldspath" *)
drei Erzählungen aus Heffen dar, die zu dem An-
muthigsten gehören , was wir seit langer Zeit ge
lesen haben. Die Verfasserin ist mit Land und
Leuten in der Marburger Gegend genau bekannt,
mit dortiger Sitte, Denkart und Sprache vertraut,
sodaß alle ihre Schilderungen frische Lebenswahrheit
athmen. Was Berthold Auerbach für den Schwarz
wald, Maximilian Schmidt für Oberbayern, Karl
Jmmermann für Westphalen waren, ist E. Mentzel
für Oberhessen geworden- die Schöpferin der hes
sischen Dorfgeschichte. Wir freuen uns ihrer Erfolge
und wünschen noch recht viele kernige und hoch
poetische Bauernnovellen von der Verfafferin Muse
geschenkt zu erhallen wie die vorliegenden. Welch
eine lebenswahre humoristische Figur ist der „Jnsitz-
frieder", ein oberhessischer Dorf-Salomo, der seinen
Mutterwitz zum Besten der Gemeinde walten läßt!
Wie harmonisch klingt das feingearbeitete Kabinets-
stück „Moos" aus, eine Probe auf den alten Spruch,
daß echte Liebe nicht rostet! Doch ist die mittelste
Erzählung dem Umfange nach die größte und dem
inneren Werthe nach die bedeutendste: „Dora".
Zwei für einander geschaffene junge Leute sollen wegen
ungleich verteilter Glücksgüter für immer auseinander-
gerisfen werden, und Hanjust's Eltern sind schon
auf der Brautfahrt nach der reichen Lenetraut,
einer herzlosen Kokette, als eine mächtige Lahnüber
schwemmung die lösende Katastrophe herbeiführt, in
der die arme Dore ihrem Schatz das Leben rettet und da
durch diesen sich selbst erringt. Neben den fest gezeichneten
Hauplpersonen mit ihrem eigenartigen Denken und
Fühlen sind Prächtige Nebengestalten geschaffen, wie
der treuverschwiegene Mappen-Kaspar, der wild
brausende jähzornige Unterförster und der
grundehrliche Oberknecht Martin. Jeder wird
die spannenden, tiefgefühlten Erzählungen mit hohem
Genusse lesen und gern zu ihnen zurückkehren. —
Einen größeren Anlauf, als E. Mentzel in ihren
schlichten Dorfgeschichten, nimmt Julius W.
Braun in seinem Romane „In Fesseln" ,*) den er
selbst ein Seelengemälde benennt. Und in der That
ist es ihm gelungen, das höchste Fühlen der Menschen
brust zu schildern und vor uns entstehen zu lassen:
*) Leipzig. Verlag von Liebkind, eleg. gebunden
3 Mk. 50 Pf.
*) Berlin, Verlag von F. Fontane, 1889, Preis
5 Mark 50 Pfg. elegant gebunden.