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Auf Napoleonshöh' genossen
Diesen fünfzehnten August
Kassels Schützen unverdrossen
Eine königliche Lust.
Denn der Maire, brav und bieder,
Wie es wenig Maires sein,
Lud gesummte Schützenbrüder
Zum Napoleonsfeste ein.
„Unser König giebt euch Allen",
Sprach er, „auf Napoleonshöh'
Bloß allein euch zu Gefallen
Offen Ball und Assembltze.
Drum erkennt die große Gnade
Und macht euch durch Putz ihr werth,
Zeigt, wie ihr im höchsten Grade
Euren guten König ehrt.
Laßt euch Uniformen machen,
Schafft euch seidne Strümpfe an
Und spart nichts an euren Sachen,
Was euch Ansehn geben kann.
Laßt vorzüglich eure Weiber
Mit Geschmack gekleidet sein,
Schwarze oder weiße Kleider
Werden hierzu schicklich sein.
Sorgt, daß sie im höchsten Glanze,
Schön wie Frühlingsrosen blühn;
Denn der König wird zum Tanze
Huldreich jede Dame ziehn.
Auch zur Tafel wird der König
Höchstselbst gegenwärtig sein,
Und dann werden sie nicht wenig
Ueber euren Putz sich freun." —
Kaum war dies im schönsten Bilde
Unsrer Stadt bekannt gemacht,
Als die ganze Schützengilde
War auf ihren Putz bedacht.
Schmiede, Schuster, Bader, Schneider,
Putergott und Lobesang (?)
Schafften alle neue Kleider
Sich zum großen Feste an.
Gleich als ob's zum Tode ginge,
Wurde schlaflos manche Nacht
Voll Erwartung aller Dinge
Von den Weibern zugebracht. —
Endlich kam der längstersehnte,
Längstgewünschte Augenblick,
Wo so manches Weibchen wähnte;
Heute blüht ihr schönstes Glück.
Eh' die Sonne ihre Kreise
Um den Erdball konnte drehn,
Sah man schon zur großen Reise
Alles fix und fertig stehn.
Ganz in ihrem Glück versunken
Trabte alles, groß und klein,
Von Vergnügen wonnetrunken,
Lustig nach dem Weißenstein.
Greise und Matronen wallten
Keuchend hin in Schritt und Trab,
Und um Kraft zur Eile schallten
Seufzer zum allmächt'gen Gott.
Schützen und die Bürgergarde
Eilten da im schnellsten Lauf
Stolz, als wie die Leoparden
Nach Napoleonshöh hinauf.
Jeder suchte vor dem andern
Eifernd immer mehr und mehr
Mit Gewalt vorbei zu wandern
Zum Genuß der ersten Ehr'.
Endlich sind sie angekommen,
Endlich ist ihr Ziel erreicht,
Doch wie sie ihr Glück vernommen,
Seht, wie da ihr Teint sich bleicht.
Voller Sehnsucht, voll Verlangen,
Hoffte alles, klein und groß,
Daß der König sie empfangen
Werde, in dem schönem Schloß.
Doch vergebens war ihr Warten,
Ganz vergebens ihre Müh';
Denn der König war im Garten
Und gedachte nicht an sie.
Tröstend sprach nun eins zum andern
„Auf den Abend gehts erst los,
Laßt solang herum uns wandern!
Abends gehen wir in's Schloß."
Alle Wasserkünst' und Bäche,
Die Fontainen groß und klein
Sprudelten zur freien Zeche
Heute lauter Gänsewein.
Wetterennen, Klettern, Springen,
Ein verbrannter Luftballon,
Krönten heut vor allen Dingen
Dieses Fest Napoleon.
Durch die große Menschenmenge,
Die das Schauspiel wollte sehn,
Wollten sich die Schützen drängen,
Um als erste da zu stehn.