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fehlen ? Ja Wohl, Braun, sagte der Herr Haupt
mann, geh' hin und hole mir ein halb Kännchen
und einen frischen Wecke. Das holt' ich in vollem
Pleng Karree und wie ich wieder kam, schurri —
stach mir der Herr Hauptmann einen hinter die
Ohren und sagte „verdammter Schweinepelz, wie
kannst du mir den Wecke in deiner schmutzigen
Lausekappe bringen." Zu befehlen, Herr Haupt
mann, sagte ich, meine Kappe ist so rein, da
kann'mer Pfannkuchen drin backen.
Das Königlich Preußische Milletär war auf
der Route nach Breslau, Residenzstadt Schlesingen
in Polen drein, und weil der Herr Hauptmann
und die ganze Mannschaft so freundlich mit mir
gethan, so machte ich mit. Das was aber ein
mordmäßig kalter Winter. Schon in Eisenach
hatte ich Nase und Ohren erfroren, daß sie rap
pelten wie altes Eisen, und in Bunzlau war mir
an einem Fuß der kleine Zehen ganz abgefroren
und im Stiefel stecken geblieben. Der ist aber auch
wieder angewachsen. Ja, da brauchen Sie nicht zu
lachen, da können Sie noch jetzt alle Leute in
Bunzlau fragen; fangen sie nur vom Tambour
Braun an. Das kam aber von der Bärenwurzel,
die ich brauchte. Die thun Sie nur immer in Ihren
Branntwein, denn die verstärket die Natur und
ist vor alle Schäden gut.
In Breslau wurde ich Tambour bei dem König
lich Preußischen 32. Jnf.-Regiment, 3. Kompagnie,
Hauptmann von Ramplitzki.
Sie meinen wohl, Herr Wendelstadt, die Trom
mel wäre leicht zu lernen? Das glauben Sie aber
ja nicht! Das ist ein ludermäßiges Instrument,
die hat 9 lebendige Teufel im Leibe, da muß
man den Verstand im Handgelenke haben, denn
da sitzt alles drin, zuletzt müssen die Finger nach
den Trommelstöcken stehen. Hier in Marburg
giebt's gewiß viele gescheidte Professoren, aber
wenn sie die Trommel lernen wollten, da sollte
es was Schönes geben, da flögen gewiß die
Trommelstöcke in der Luft herum wie die Spatzen.
Ich habe aber 'neu lernschen Kopp und hatte
es bald gelernt. Wenn ich in Breslau vor der
Kumpanie herging und mir das Herze so
recht nach dem Schlagen stand, da rissen sie alle
Fenster aus, abartig die Frauenzimmer. Da hieß
es dann „das ist ein alerter Mensch, der schlägt
die Trommel, daß einem das Herze im Leibe lacht."
Die Frauenzimmer dorten sind meist schwarz
wie der Teufel, und haben Augen im Koppe wie
ein Schandarm, sie binden galante Locken vor,
haben weise Striffel uni den Hals und kapeziener-
rothe Kleider an. Das ist ein Zierrath !
Ich hatte in Breslau eine Liebste, die konnte
tanzen, das war eine wahre Rarctät. Wann ich
mit ihr tanzte, wars meinen Kummeraden allemal
ein Stich ins Herze, die that mir keiner gönnen,
vorablich ein Pfeifer nicht von unserer Kumpanie.
Vor den Pfeifern müssen Sie sich wahren, Herr
Wettdelstadt, das sind ale schlechte Kerls, die
haben den Teufel im Leibe.
Der Pfeifer hatte einen höllischen Hassard auf
mich und schnitt immer ein Gesichte, wie ein
Chausseegelderheber, und zuletzt hat er mich um
meine' Liebste gebracht. Das hat mich schwer
schackenirt und mir bald das Herze abgestoßen.
Allemal wann mir der Pfeifer begegnete, stieg
Gift und Galle in mir auf und mußte ich ein
Kännchen trinken, ums 'nunterzudrücken, sonst
hätt's ein Unglück gegeben. Aber seit der Zeit
schlug ich die Trommel noch einmal so gut, weil
ich daran mein ganzes Gift auslasten that.
In Breslau sprechen die Leute polnisch, das -
ist aber leicht zu lernen, leichter wie das Trom
meten, und Se mögen's glauben oder nitt, das
sprechen da schon die kleinen Kinner. Ich hab's
gleich gelernt und kann es noch sprechen. Wenn
wer ins Wirthshaus kommt, sagt mer „schen
Dower" das heißt guten Abend, dann „Wotki,
das heißt Schnaps und wenn mer weggeht, sagt
mer „Dower notsch" das heißt gute Nacht. Seh'n
Se, das ist polnisch.
Sehr ecklich viele Juden giebts da und die sehen
gar närrisch aus, sie tragen einen langen Tralar,
haben einen struppigen, langen Bart und das
Haar hängt ihnen in langen Strähnen um den
Kopf, hinter den Ohren haben sie Locken. Gerade
so sieht der ewige Jude aus, den ich nachher mal
gesehen habe, wie ich in Hersfeld in Garnison
lag. Ich kam mal an 'nem Sonntag, als es
schon Dämmerung war, von Friedewald her an
ein altes Gemäuerze, welches neben der Straße
im Wald liegt. Das war einmal eine Kirche
und darum herum lag ein Dorf, das aber schon
vor 400' Jahren im Kriege verdemolirt ist und
von dem nichts mehr zu sehen ist, als das alte
Kirchengemäuerze. Wie ich mir das angucke,
kommt auf einmal so ein himmellanger polnischer
Jude mit einem zwei Fuß langen schneeweißen
Bart und einem ganz verrungenirten Hut auf
dem Kopfe auf mich zu und guckt mich mit seinen
Augen an, als wenn zwei Bankenetter auf ein
mal auf mich eingingen. Ich bot ihm die Zeit
und wollte machen, daß ich wegkam, da rief er
mich aber mit einer gruseligen Stimme an „He,
Tambour, liegt denn nicht hier ein Dorf, das
sich Giesel schreibt?" Als ich ihm sagte, daß davon
seit 400 Jahren nichts mehr übrig sei, als dies
alte Gemäuerze, war er sehr verwundert und
brummte in den Bart „wie ich zuletzt hier war,
da stand das Dorf noch und habe ich bei dem
Herrn Pfarrer eine Erbsensuppe gegessen." Sie
wissen, Herr Wendelstadt, daß ich mich vor 9
lebendigen Teufeln nicht fürchte, ich will mit dem