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Eine Porzellan-Fabrik, eine Fayence-Fabrik,
und andere Fabriken haben, obgleich sie Menschen
nährten, Industrie beförderten, und dem Lande
zur Ehre gereichten, längst aufgehört, entweder,
weil sie dem Landesherrn Geld kosteten, oder
aus anderen Gründen.
Sehenswerth sind die vielfältigen Produkte
des neuesten Geschmacks und der Schönheit in
allen Theilen der Ausübung, welche die Arnold-
schen Papier-Tapeten dem Auge darbieten. Seine
Fabrik ist die einzige im Lande. Er hat sie vor
achtzehn Jahren aus eigener Industrie etablirt,
und zum gegenwärtigen Grade der Vollkommen
heit gebracht. Er beschäftigt über zwanzig Ar
beiter. Außer dem einheimischen Verbrauch geht
vieles von seiner, selbst von den Franzosen be
wunderten Waare ins Ausland, meistens nach dem
Norden, bis Hamburg, auch bis zur schwedischen
Grenze.
Als Herr Arnold mir die Tapeten - Muster,
einige lackirte Theebretter und andere Gegenstände
seines Genies zeigte, erinnerte er mich, zu be
merken, daß sich verschiedene Töpfer*) in Kassel
in ornamentalen Oberöfen auszeichnen, und es
in der Kultur dieser Arbeit seit zehn Jahren sehr
weit gebracht haben.
Ich bezeugte Herrn Kommerzienrath Bähr
meine Achtung. Er hat, ohne Eigennutz, sondern
blos um den Armen eine wohlthätige Beschäfti
gung zu geben, ein Fabrikwesen seit sechs Jahren
etablirt. Es werden darin Wollenband, Halb
wollenband, Leinenband, und Baumwollenband
gewebt; ferner Kattunets und Kottonaden; unter
jenen versteht man gewürfelte, und unter diesen
gestreifte und geflammte baumwollene Zeuge;
endlich Tücher. Alles zum inneren Verbrauch.
Beim Anblick dieser Artikel fiel mir ein, in
einem ganz neuen Buche gelesen zu haben, daß
Kassel, außer einer Seidenband-Fabrik, keine
Fabriken besitze. Ich erkundigte mich nach einer
solchen Band-Fabrik. Man gab mir zur Ant
wort: Seidenband wird in Kassel gar nicht ge
macht ; der Bedarf wird aus der Schweiz bezogen.
Spitzen wurden ehedem viel in Kassel geklöppelt.
Jetzt ist es fast aus damit. Andere Gegenden
haben diesen Erwerb verdrängt.
Lederne Handschuhe, von allerlei Art und Güte,
werden in Kassel in großer Anzahl gemacht und
weit und breit vertrieben.
Die Tressen-Fabrik von Des Coudres ist zu
bemerken. Sie arbeitet jetzt stark fürs Militär.
Der Hut-Betrieb, wiewohl in großem Umfange,
ist hier mehr als ein bloßes Handwerk anzusehen.
Inzwischen zeichnet sich Herr Männlich in feiner
Waare aus. Wachskappen für Hüte werden in
Kassel in Menge, und von besonders guter
Qualität, verfertigt.
Eine Tuchfabrik von Schiede liegt gegenwärtig
danieder. Strube, ein Osteroder, macht Flanelle
und Kamelotte, auch wollene Tücher, jedoch von
keiner sonderlichen Bedeutung.
Von zwei Karton- und Spielkarten - Fabriken,
die immer von der Vollkommenheit weit entfernt
waren, ist die eine abgefallen, und die andere
im Abfallen. Ein verständiger Arbeiter könnte,
wenn er diesen Artikel besser lieferte, seinen
guten Nutzen davon ziehen. Mehrere Papier
mühlen im Lande würden ihn bequem mit dem
rohen Bedarf versehen.
Eine vorgehabte Saffian-Fabrik, ich glaube
für Rechnung des Ministers von Waitz, hat nicht
gelingen wollen.
Tabaks-Fabriken gibt es drei, wovon die von
Thorbeck bei weitem die ansehnlichste ist. Man
bedient sich des holländischen Schneidezeuges und
arbeitet darauf bis zu jeder verlangten Feinheit.
Thorbeck fabrizirte sonst allein Virginia; seit
einigen Jahren aber mischt er Landgut darunter.
Er ist aus Zwoll gebürtig, und gehört zu der
bekannten Familie von Thorbeck, deren Wappen
er auf seine Päckchen druckt, und die Sorten des
Tabaks mit Lit. A. ß. etc. bezeichnet. Der
Absatz ist vornämlich nach den Rheingegenden.
Man wollte in Kassel vermuthen, daß Thorbeck
seine Fabrik würde eingehen lassen. Mit dem
Fabriziren des Schnupftabaks will es in Kassel
gar nicht recht von statten gehen.
Den hessischen Landtabak baut man in Ullen
dorf, Eschwege und Wannfried, in der Nähe der
Werra, in einem Bezirk von acht Stunden. Er
wird meistens in Kassel in Rollen gesponnen, und
größtentheils im Hessischen verraucht.
Es wird auch Stärke und Puder in Kassel
fabrizirt.
Das sogenannte Kasseler Gelb, heißt sonst im
Allgemeinen Mineral-Gelb, und, wenn es aus
Frankreich kommt, Pariser-Gelb. Mennige und
Salmiak sind die Haupt-Bestandtheile. Es ist
eine Malerfarbe. Der Assessor Flügger, Eigen
thümer der Einhorns-Apotheke in Kassel, verfertigt
sie nach der von ihm verbesserten Methode von
Turner in London, wo er die Zubereitung zuerst
gelernt hat. Das Kasseler Gelb wird weit verschickt.
G. E. Habich, ein Mann von Industrie,
fabrizirt Salpeter, Salmiak rc.; ferner Berlinerblau
in verschiedenen Sorten. Auch hat er eine blaue
Waschfarbe erfunden, wovon er die flüssige eine
Wasch-Tinktur, die in Kugeln aber Hamburger
blau nennt.
Die Gebrüder Breithaupt, vorher in Philipps
thal, verfertigen seit einigen Jahren in Kassel
*) Der gemeine Mann in Hessen nennt sie Gräper.