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Schon am 28. März wurde er, was früher wohl
Niemand, und er selbst am wenigsten für möglich
gehalten hätte, auf Vorschlag des neugebildeten
liberalen Ministeriums von dem Kurfürsten als
sogenannter Vertrauensmann nach Frankfurt an
den Bundestag geschickt, ja bald nachher mit dem
Titel eines Geheimen Legationsraths zum Kur
hessischen Bundestags-Gesandten ernannt. Seine
Einfahrt in Frankfurt glich einem Triumphzug.
Die zahlreich versammelte Menge begrüßte ihn
mit begeistertem Zuruf, junge Leute spannten
die Pferde seines Wagens aus und zogen den
Märtyrer der Freiheit bis zu der von ihm er
wählten Wohnung. Das Vorparlament erwies
ihm die Ehre ihn zu einem der vier Vicepräsidenten
zu erwählen. Aber trotz all der auf ihn gehäuften
Ehren blieb er der alte bescheidene Jordan, der
mit Jedermann freundlich verkehrte und damals
überall die Gemüther zur Mäßigung und zu ge
setzlicher Haltung zubewegen suchte. Eine solche
beruhigende Thätigkeit entwickelte er namentlich
unter der aufgeregten Bevölkerung von Hanau,
und wenn er sich wirklich früher zu gesetzwidrigen
Schritten gegen die Obrigkeit hatte fortreißen lassen,
so hat er damals das früher Verfehlte wieder gut ge
macht. — Als nach der Wahl des Reichsverwesers
Johann von Oesterreich die Bundestags-
Gesandten auseinander gingen, blieb Jordan in
Frankfurt, da ihn der Wahlkreis Fritzlar zum Ab
geordneten für die Nationalversammlung gewühlt
hatte. Doch hat er die Rednerbühne nur selten betre
ten. Nach Auflösung der Nationalversammlung
wurde er im Frühjahr 1850 von der Kurhessischen
Regierung zum Erfurter Parlament als Mitglied
des Staatenhauses gesandt, jedoch nicht lange
nachher, da die Sache der Union ins Stocken ge
bracht worden war, von dem Minister Hassen
pflug, welcher 1837 seine Entlassung genommen
hatte, 1850 aber von dem Kurfürsten an die
Stelle des liberalen Ministeriums berufen wor
den war, wieder zurückberufen, ohne weiter im
Staatsdienst verwendet zu werden.
Damit endete die ehrenreiche Zeit für Jordan.
Von nun an lebte er in stiller Zurückgezogenheit
zu Kassel. Seine Kraft war gebrochen. Daher
nahm er, der einst die Verfassung von 1831
verfaßt und vertheidigt hatte, nachdem sie durch
Bundesbeschluß aufgehoben war, am Kampf für
deren Wiederherstellung keinen Antheil.
Die letzten Jahre Jordans verflossen nicht nur
in großer Stille, sondern auch unter schweren rheu
matischen Leiden» die sich im Frühjahr 1861
durch das Hinzutreten von Wassersucht bedeutend
steigerten. Im Traumleben der letzten Tage weilte
sein Geist meistens in den Bergen seiner Heimath.
Zu anderen Zeiten war aber sein Geist wieder
hell und klar. In solcher Stimmung ließ er
einen Becher, welchen er einst von badischen
Männern zum Geschenk erhalten hatte, herbei
holen und mit Wein füllen. Dann reichte er ihn
den Seinigen mit den Worten: Liebet Euch unter
einander! Kurz darauf machte ein sanfter Tod
am 15. April 1861 seinem Leben ein Ende. —
Das wenige Tage nachher stattfindende Leichen-
begängniß zeigte noch einmal, welches Vertrauen,
welche Achtung der Verstorbene bei den Bewohnern
Hessens sich erworben hatte. Nicht nur der ge-
sammte Stadtrath nebst Bürger-Ausschuß und
die Bürgerschaft von Kassel folgte der Leiche,
sondern auch aus den übrigen Hessischen Städten
und Dörfern waren viele herbeigekommen, um
ihrem Jordan, den sie als ihren Wohlthäter
und als Märtyrer der Freiheit verehrten, die
letzte Ehre zu erweisen.
_ Den Schluß dieser Schilderung mögen die Worte
bilden, mit welchen Jordans Tochter, Frau Hen
riette Keller-Jordan in München in einem
Brief den Bericht über ihres Vaters letzte Lebenszeit
beendigt: Gott Lob, daß es in Deutschland nicht mehr
so ist, wie vor 50 Jahren! Ja gewiß, wir haben
alle Ursache dafür dankbar zu sein, daß heutzutage
in Deutschland zwischen Regierung und Unter
thanen Eintracht und Vertrauen herrscht, und
daß unsere jetzige Rechtspflege solche politische
Prozesse, wie den 6jährigen gegen Jordan, ganz
unmöglich macht.
Kie schmollt.
Aovellelke von M. Frieörichstein.
(Fortsetzung.)
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„So, da wären wir wieder einmal!" rief der
Amtsrichter, schaute sich prüfend nach allen Seiten
um, und fügte hinzu:
„Noch ganz die alte Schmutzbude, wie zuvor!
Da ist noch der nämliche Fettfleck an der Wand.
Die Streichholzdose ist »ach wie vor verschwun
den, und das Stuhlbein wackelt wahrhaftig ge
nau so wie früher. Alles im alten Geleise!"
„Nur du bist nicht der Alte, Maxell" sagte