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lichen Kampf wurden unter dem Ruf: Nieder
mit dem Bundestag! Es lebe die Republik! die
im Innern der Stadt gelegenen Wachen erstürmt,
wobei 3 Soldaten den Tod fanden. Dann for
derte man die zusammengeströmte Menge zur
Theilnahme auf. Allein dieser Aufforderung
entsprach Niemand und der in Aussicht gestellte
Zuzug von Truppen zeigte sich nirgends. Nun
trat eine bedenkliche Pause ein. "Die Führer
wußten offenbar nicht, was weiter beginnen.
Da rückte das von der Stadt Frankfurt unter
haltene Bataillon heran und gewann die Wachen
fast ebenso schnell wieder, als sie vorher verloren
worden waren. Die Ueberwundenen flüchteten
nach allen Seiten, nachdem sie in einer halben
Stunde Sieg und Niederlage erlebt hatten. Die
Leute, welche nach 10 Uhr aus dem Theater kamen,
erfuhren zu ihrem großen Erstaunen, daß sich
soeben eine Revolution abgespielt habe, wahr
scheinlich die kürzeste und unbesonnenste, welche
je stattgefunden hat. Doch hatte sie mehreren
Menschen den Tod gebracht.
Unmittelbar nach dem mißglückten Putsch be
gannen in mehreren deutschen Staaten die Unter
suchungen und Verhaftungen, welche durch eine
vom Bundestag eingesetzte Zentral-Behörde über
wacht wurden, um die in einem Staat erlangten
Ergebnisse anderen Staaten mitzutheilen und um
insbesondere die Männer zu ermitteln, welche die
eigentlichen Urheber des von den jungen Leuten
ausgeführten Unternehmens wären. In den Ge
ständnissen, welche anderwärts, nicht in Kurhessen,
abgelegt wurden, geschah auch Jordans häufig
Erwähnung, und dies gab Veranlassung, ihn 6
Jahre nach jenem Frankfurter Attentat in An
klagestand zu versetzen und am 28. August 1839
auf dem Marburger Schloß einzukerkern.
Da Jordan jede Betheiligung an dem Attentat
in Abrede stellte, da ferner offenbare Beweise
seiner Schuld gänzlich fehlten, so gab sich der
Untersuchungsrichter die größte Mühe, um durch
Vorführung von Zeugen und durch sogenannte
Judicien die Schuld des Angeklagten festzustellen.
Dadurch wurde aber die Untersuchung sehr um
fangreich und, was für den Verhafteten besonders
nachtheilig war, sehr langwierig. Hier soll jedoch
nur das Wichtigste aus dem Beweisverfahren
gegen Jordan mitgetheilt werden. Die ihn am
meisten belastenden Aussagen waren die eines
früheren Apothekers Namens Friedrich Döring,
aus Schwalbach gebürtig. Derselbe hatte von
1828 bis 1833 die Schwan-Apotheke zu Marburg
besessen, in welcher Jordan zur Miethe wohnte,
hatte mit Jordan täglichen Verkehr gehabt, war
sogar von diesem der Brüderschaft gewürdigt
worden, war also in der Lage, Jordans Hand
lungen genau zu beobachten. Noch mehr: durch
ein gewinnendes Benehmen unterstützt, hatte er
sich in Marburg bald ein gewisses Ansehen er
worben und hatte dieses benutzt, um einen Kreis
revolutionär gesinnter Männer um sich zu ver
sammeln, welche in einem hinter den Räumen
der Apotheke gelegnen Zimmer die neuesten Zei
tungen zu lesen und dabei über die Tagesfragen sich
zu besprechen pflegten. Auch Jordan war hier
sehr oft erschienen. — Dieser Mann sagte nun
Folgendes aus: Jordan habe durch ihn, das
Haupt der von dem Frankfurter Attentat voraus
unterrichteten Revolutionäre Marburgs, von allen
Berathungen und Beschlüssen für einen gewalt
samen Umsturz Kenntniß erhalten; Jordan habe
sogar in seiner Gegenwart die von vr. Gärth
und von Buchhändler Frankh aus Stuttgart
überbrachten Aufforderungen, in die zu Frank
furt oder Ludwigs bürg zu errichtende provi
sorische Regierung einzutreten, angenommen und
die erforderlichen Proklamationen abzufassen ver
sprochen. Der Angeklagte, welchem der Zeuge
gegenüber gestellt wurde, erklärte diese Angaben
für Erdichtungen, eine Behauptung, welche soweit
sie den Buchhändler Frankh betraf, durch das
Zeugniß desselben bestätigt wurde. Außerdem
machte Döring noch folgende Angaben, welche zu
einem Jndicien-Beweis gegen Jordan dienen
konnten. Ein in Gießen studierender Chemiker
Namens Degeling aus Braunschweig, der
auf der Reise in seine Heimath begriffen gewesen
sei, habe ihm (Döring) am 20. März 1833 einen
Brief überbracht, in welchem Mittheilungen über
revolutionäre Unternehmungen gestanden hätten.
Er sei darauf anderen Tages mit jenem nach
Kassel gereist, um mit Jordan darüber zu reden.
Als man aber dort erfahren habe, daß Jordan
bereits nach Höxter zu seinem Schwiegervater
abgereist sei, habe er den Degeling gebeten, er
möge doch, um einen Brief an Jordan zu besorgen,
seine Reise über Höxter fortsetzen. Dies habe
Degeling gethan und an Jordan den Brief über
geben, in welchem er den Professor zur schleunigsten
Rückkehr aufgefordert habe, weil ihn Or. Gärth
zum Eintritt in die provisorische Regierung ab
holen wolle. Degeling, eidlich darüber vernommen,
bestätigte, daß er einen Brief an Jordan nach
Höxter überbracht habe, glaubte aber, daß Jordan
in dem Brief nur zur Rückkehr nach Marburg
aufgefordert worden sei, weil ein Freund ihn
daselbst erwarte. In der That reiste Jordan,
wie bei der Untersuchung festgestellt wurde, am
Tag nach Empfang des Briefs am 23. März
1883 mit Extrapost nach Kassel und am Tag
darauf mit der Eilpost nach Marburg. Hier
blieb er, trug sich auch, wie aus Briefen an seine
Frau hervorging, mit dem Plan zu einer Ferien
reise nach Frankfurt und Heidelberg, trat aber