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Im Jahre 1885 trat Wendelstadt in den
Ruhestand, doch blieb er Vorsitzender des land
wirthschaftlichen Zentralvereins, und als er zu Ende
des vorigen Jahres die Absicht aussprach, auch von
dieser Stelle mit Rücksicht auf seine geschwächte
Gesundheit und seine verminderte Arbeitskraft
zurückzutreten, da wurde von allen Seiten in
ihn gedrungen, wenigstens noch für die nächste
Zeit den Vorsitz zu behalten. Man konnte sich
eben den Zentralverein ohne Wendelstadt nicht
denken. Bald sollte er für immer scheiden. Ein
schweres Leiden warf ihn im Frühjahre auf das
Krankenlager, von dem er sich nicht mehr er
heben sollte. Er starb am 7. Juni Abends
6 Uhr. In der Hauptversammlung des land
wirthschaftlichen Zentralvereines vom 16. Juli
widmete der Vorsitzende, Geheimer Regierungs
rath Kochendörffer, dem Dahingeschiedenen einen
warmen tiefempfundenen Nachruf. Ein gleiches
geschah, als am 3. August der Verband von
Fischerei-Vereinen, Fischerei-Genossenschaften etc.
von Westdeutschland hier in Kassel tagte, auch
erschien ihm, dem Gründer und ersten langjährigen
Vorsitzenden des Vereins, zu Ehren, ein besonderes
Gedenkblatt. In der Versammmlung vom 16.
Juli wurde einstimmig beschlossen, dem edlen
Verblichenen in Anerkennung seiner hohen Ver
dienste ein Denkmal zu errichten. Alle Achtung
vor diesem Zeichen der Pietät. Das schönste
Denkmal aber hat er sich selbst gesetzt in den
Herzen aller, die ihm nahe standen.
Haben wir bisher im Wesentlichen nur der
hervorragenden Wirksamkeit Wendelstadts als
landwirthschaftlichen Fachmanns gedacht, so ge
ziemt es sich jetzt noch, seiner Thätigkeit als
Schriftsteller und Kunstfreund Erwähnung zu thun.
Von 1855—1870 redigirte er die „Landwirth-
schastliche Zeitung", daneben gab er von 1856—
1865 einen landwirthschaftlichen Kalender, den
„Bauernfreund" heraus, welcher, ein wahres
Volksbuch, voll des köstlichsten Humors ist und
heute noch mit demselben Interesse gelesen zu
werden verdient, wie zur Zeit seines Erscheinens.
Ihm war ein großes humoristisches Talent be-
schieden, das er ebenso in seinen Schriften, wie
durch Zeichnungen kund gab. Als Mitarbeiter
der „Fliegenden Blätter" hat er in dieser Be
ziehung Treffliches geleistet. Für eine seiner besten
humoristischen Erzählungen halten wir seinen
Brvd'r Lolls, den er im „Bauernfrennd" von
1863 veröffentlichte und den wir unten wieder
geben. >Lchon als Student pstegte er den Hu
mor. Wer kennt nicht seine Erlebnisse mit dem
Tambour Braun.*) Aber auch ernsteren Gegen
ständen, namentlich historischen, wandte er seine
*) Zn einer der nächsten Nunnnern unserer Zeitschrift
werden wir darüber einen Artikel veröffentlichen.
schriftstellerische Thätigkeit zu; die Früchte dieser
Studien finden wir in verschiedenen Zeitschriften,
auch unser „Hessenland" verdankt ihin werthvolle
literarische Beiträge, die er einfach mit E. W.
zeichnete. Wendelstadt war ein tüchtiger Musiker.
Er spielte ausgezeichnet Violine und Cello, und
die musikalischen Abende, die er in Gemeinschaft
mit mnsikliebenden und musikkundigen Freunden
veranstaltete, waren ihm die liebste Erholung
und eine Quelle reinster Freuden. Sie sollte
leider bald versiegen. Am 23. November 1870
starb sein geliebtes dreizehnjähriges Töchterchen
Lilli, der Eltern Lust und Wonne. Hart
traf ihn und seine Gemahlin dieser Schlag.
Beide waren untröstlich; rührend und tiefes
Gefühl verrathend sind die Ausdrücke des
Schmerzes, die er seinem Tagebuch anvertraute.
Von jener Zeit an rührte er seine Geige und sein
Cello nicht mehr an. —
In Wendelsladt vereinigten sich in schönstem
Ebenmaße Geistes- und Herzensbildung, Wissen
und Können, persönliche Liebenswürdigkeit und
echt deutsches Gemüth, Edelsinn und strenge Recht
lichkeit, Uneigennützigkeit und unbegrenztes Wohl
wollen gegen Jedermann. Bei solchen Eigenschaften
konnte es denn auch nicht fehlen, daß er sich die
Herzen Aller, der Hohen und Niederen, wie im
Sturme eroberte. Gesegnet sei sein Andenken!
Ii. Zwengcr.
Srod'r Lolls.
„Der Kalendermann hat auch einmal am Rhein
gewirthschaftet, das war von Anno 44 an. Gute
und schlimme Jahre durcheinander, wie sich's so trifft“.
In 49 hat er gedacht:
Ost und West
Daheim ist's der best,
hal's Ränzlein geschnürt und ist heimwärts marschirt,
in's liebe, traute Hessenland.
Diesen Oktober (1863) waren's gerade 15 Jahre (es
denkt ihm noch, als wäc's eben passirt), ritt er
einmal in die Eifel, nicht zum Plaisir, denn die
Eifel ist kein plaisirlich Gebirg', wild und wüst ist's
oben drauf. Aber Hämmel giebts da, Staatsthiere,
wie die jährigen Rinder und deren wollt' er kaufen.
Und wie er so einsam durch den Oktoberuebel reitet,
sein Liedchen vor sich hin pfeift und denkt, noch
2 Stunden oder 3, dann sitzest du drunten zu
Malmedy im goldenen Löwen bei einer Flasche
„Guten" — stößt er auf ein Handwerksbürschlein;
»Heda, Landsmann, wohin des Weges?“
„ „Rach Malmedy, bann's Gott's Wille ist; ich glaube
aber net rächt dran. Ich loff schond an die 6 Stonneoffder
Heid und im Waalde rimer, honn noch fei Menscheseel
gesehn, onn bann's noch e Willche so fort gett, schnorrt
me der Mage in. Die Bein wonn o net meeh
rächt." “