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Blattes auf das geplante Werk zu lenken, wallen
wir hier kurz die Geschichte der ehrwürdigen
Grabesstätte folgen lassen.
Es ist bekannt und in jedem Geschichtsbuche
zu lesen, daß St. Bonifatius Fulda, seine
Lieblingsschöpfung, wo im Jahre 744 sein
Jünger Sturmi das Zeichen der Erlösung in
die buchengrüne Waldeinsamkeit gepflanzt, aus
drücklich sich zur letzten Ruhestätte erkoren hatte,
und daß nach seinem am 5. Juni 755 bei
D o k k u m erfolgten Martyrtode wirklich sein
Leichnam dorthin überführt worden ist, obgleich
auch Utrecht und Mainz denselben bean
sprucht hatten. In dem kleinen Gotteshause, dessen
Bau Bonifatius selbst geleitet, wurde er vor dem
von ihm zu Ehren des göttlichen Erlösers ge
weihten Altare beigesetzt, an der Stelle, wo sich
das Hauptportal der jetzigen Domkirche befindet.
Hier, inmitten jener vier Völker, welchen er
zuerst die Heilsbotschaft gebracht, zwischen Hessen,
Thüringern. Franken und den Bewohnern der
Wetterau, ruht er nun, und sein Grab, welches
die Wallfahrer in Schaaren aus den weitent
legensten Gauen herbeizog, wurde für das Kloster
eine Quelle des reichsten Segens. Die Mönche hüte
ten es auch als ihren größten Schatz und trugen
die eifrigste Sorge für seine würdige Aus
schmückung.
Schon Sturmi, der erste Abt, erweiterte die
Kirche und ließ durch die Gold- und Silber
schmiede seiner Klostergemeinde einen auf Säulen
ruhenden, kunstvoll gearbeiteten Baldachin,
„Requiem" genannt, darüber aufbauen. Er selbst
aber wurde nach seinem Hinscheiden (779) süd
wärts zur Seite seines väterlichen Freundes und
Meisters gebettet, mährend Winfried's Nichte
L e o b g y t h oder L i o b a, eine angelsächsische
Klosterfrau, die durch Errichtung und Leitung
der ersten deutschen Frauenschulen überaus
segensreich an der Verbreitung christlicher Kultur
mitgearbeitet hatte, nordwärts von ihm, ihre
letzte Ruhestätte im Jahre 780 erhielt.
Die folgenden Aebte B a u g u l f und R a t g a r
erweiterten und verschönerten die Kirche mehr
und mehr, so daß ein völliger Umbau entstand,
den erst E i g i l, der vierte Abt, vollendete.
Am 1. November 819, dem Feste Allerheiligen,
fand die feierliche Einweihung dieses Gottes
hauses : einer großen kreuzförmigen Basilika mit
drei Chören und zwei Krypten — der ersten
dvppelchörigen Münsterkirche in Deutschland —
„in honorem St. Salvatoris et St. Dei genitricis
Mariae et Petri apostoli et ceterorum apostolo-
rum“ durch den Erzbischof Haistulf von
Mainz unter großer Betheiligung statt. Hier
bei wurden die Gebeine des hl. Bonifatius aus
ihrem bisherigen Grabe erhoben und in feier
lichem Zuge vom Ostchvr in den Westchvr über
tragen, um dort in einem steinernen Grabmale
beigesetzt zu werden — ein Ereigniß, von dem
uns der Mönch Candidus, welcher die Kirche
mit herrlichen Wandmalereien geschmückt, eine
genaue metrische Beschreibung hinterlassen hat.
Auch Eigil's hochberühmter Nachfolger in der
Abtswürde, Hrabanus Maurus, ließ sich die
Ausstattung der hehren Grabcsstätte sehr an
gelegen sein, ebenso spätere Aebte, wie namentlich
Hugo (891— 915), der den Grabesaltar auf's
Kostbarste mit Gold und Edelsteinen verzierte. In
dieser Münsterkirche fand auch König Konrad I.
der Franke, sein Grab, doch wurde sie im
Jahr 937 von einem sehr traurigen Ereigniß
heimgesucht. Kaiser Otto I. verweilte gerade
im Kloster Hers seid, eine Tagereise nur
von Fulda entfernt, als die Kunde kam,
daß die Kirche und das Kloster des hl. Bonifatius
fast gänzlich abgebrannt seien. Nach der Mün-
zer'scheu Chronik soll ein Blitzstrahl den Brand
entzündet haben. Der Kardinal Abt Hada
mar ließ es sein eifrigstes Bestreben sein, die
Kirche bald wieder herzustellen, so daß schon im
Jahre 948, ebenfalls am Allerheiligenfeste, die
Einweihung durch den päpstlichen Legaten
Marinus in Gegenwart Otto's des Großen
erfolgen konnte.
Diese mit zwanzig Säulen gezierte Basilika
soll der vorigen an Form und Größe gleich,
nur die Ausschmückung noch weit prächtiger ge
wesen sein. Auch sie hatte ein Kreuzschiff, so
wie einen Ost- und Westchor über zwei Krypten.
Werniher, der fünfzehnte Abt, verschönerte
sie, indem er gegenüber dem Ostchor eine pracht
volle Taufkapelle erbaute, die durch eine doppelte
Säulenhalle, das „Paradies" genannt, mit der
Hauptkirche verbunden wurde.
Dieser Prachtbau, der im Laufe der Zeit noch
durch drei steinerne Thürme und verschiedene
umkränzende Kapellen vervollständigt wurde,
hatte sich in seiner Grundgestalt nahezu durch
acht Jahrhunderte erhalten, wenn auch manches
schwere Verhängniß über ihn kommen sollte.
So stürzte im Jahre 1122 der südliche Thurm
ein und verschüttete die beiden daran hängenden
Säulengänge, wie auch den im Ostchor befind
lichen Altar der hl. Jungfrau, und sieben Altäre
im südöstlichen Theil der Kirche.
Die langsame Wiederherstellung war erst 1157
vollendet, wonach eine neue Weihe durch die
Bischöfe Eberhard von Bamberg und Her
mann von Verden erfolgte, welcher Kaiser
F r i e d r i ch I. B a r b a r o s s a nebst vielen Großen
des Reiches beiwohnte.
Verheerende Brände trafen die Kirche in den
Jahren 1286 und 1397. Der erstere soll durch