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Schloß von niederhessischen Truppen besetzt worden
waren, vertheidigte der niederhessische Oberst
Staus um Weihnachten 1647 das hiesige Schloß
mit solcher Tapferkeit gegen den kaiserlichen Ge-
neral-Feldmarschall Melander von Holzapfel,
daß dieser die Belagerung, welche er zu Gunsten
der Darmstädter unternommen hatte, aufhob.
Jetzt endlich verzweifelte der Landgraf von Hessen-
Darmstadt daran, Marburg je wieder 311 bekom
men und bot die Hand zum Frieden, welcher im
Frühjahr 1648 zu Stande kam. —
Endlich, hochgeehrte Herren, gestatten Cie mir
in wenigen Worten auf die Bedeutung hinzuweisen,
welche Marburg in den letzten 20 Jahren, fast
gleichzeitig mit derWiedcraufrichtung des deutschen
Kaiserthums, erlangt hat. Diese Bedeutung ist
eine doppelte. Die eine bezieht sich nur auf
unsere Heimath, aber für deren Bewohner, insbe
sondere für Sie, meine Herrn, für Glieder des
Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde,
ist sie von der größten Wichtigkeit. Ich meine
die im Frühjahr 1870 hier erfolgte Gründung
eines hessischen Landesarchivs. Das einzige, so
viel ich weiß, noch unversehrt gebliebene Schloß
unserer alten Landgrafen hat man zur Ausnahme
gewählt, die früheren, unwürdigen Insassen, die
Sträflinge, hat man daraus entfernt, man hat
es in seinen Umgebungen, wie in seinem Innern
würdig ausgestattet und hat es zur geistigen
Schatzkammer unseres Heimathlandes gemacht.
Hier sind alle auf seine Schicksale und Verhält
nisse bezüglichen Urkunden und Zeugnisse vereinigt,
hier findet sich eine reichhaltige Sammlung hei
mathlicher Alterthümer und Merkwürdigkeiten
seit den Anfängen deutscher Kunst bis zur Gegen
wart versammelt, kurz, hier tritt uns gewisser
maßen die hessische Geschichte verkörpert entgegen.
Wir dürfen darum hoffen, daß mit der Gründung
des Archivs und seiner Sammlungen eine neue
: Epoche für die heimathliche Geschichte und Landes
kunde anbrechen werde. Daneben ist zu gleicher
i Zeit auch nach einer anderen Seite hin die Gel
tung Marburgs gestiegen durch das Aufblühen
der hiesigen Universität. Diese ist seit den letzten
20 Jahren in umfassenderem Sinn eine deutsche
Universität geworden. Jahrhunderte lang war
sie die Lehrmeisterin vorzugsweise für die Jugend
des Hesseulaudes, jetzt versammelt sie in ihren
Hörsälen Schüler aus allen Theilen des deutschen
Reichs. Sie hat jetzt ein ihrer würdiges Haus
bekommen, an dessen Ausbau noch fortwährend
gearbeitet wird, sie ist durch eine Anzahl von
wissenschaftlichen Instituten bereichert worden, die
Zahl der Lehrer ist bedeutend gewachsen, die Zahl
der Lernenden ist ans das Dreifache gestiegen.
Marburg ist, so zu sagen, aus einem Uuiversitüts-
Dorf, wie es der große Historiker Leopold
Ranke zu nennen liebte, zu einer Universiiüts-
Stadt geworden, aber die ursprüngliche Bestim
mung, eine Hochschule für Hessen zu sein, ist da
durch nicht beeinträchtigt, sondern gefördert worden.
Möge nun unsere Universität die neu gewonnene
Stellung auch für kommende Zeiten behaupten
und stets bemüht sein, der studierenden Jugend
neben den Schätzen der Wissenschaft einfache reine
Sitten, vaterländische Gesinnung und christliche
Fröinmigkeit einzuprägen!
Zum Schluß erlaube ich mir noch den Herren,
die von auswärts gekommen sind, eine» Wunsch
auszusprechen. Möchte es Ihnen, innerhalb und
außerhalb unserer Mauern wohl gefallen, möchten
Sie mit dem Gefühl der Befriedigung in Ihre
Heimath zurückkehren, namentlich mit dem Be
wußtsein, durch gemeinsame Liebe zu unserer
hessischen Heimath und durch brüderliche Lands
mannschaft stets mit uns verbunden zu sein!
Le Wonifatmsgrust im
ome
zu Kulöa.
Wie wir bereits in Nr. 14 dieser Zeitschrift
mitgetheilt haben, ist nunmehr die künstlerische
Ausschmückung der Bonifatiusgruft im
Dome zu Fulda bestimmt in's Auge gefaßt
worden. Zur thatkräftigen Förderung dieses
Planes ist jetzt auch daselbst ein Comite, bestehend
aus dem hochw. Bischöfe, einigen Domherren,
dem Oberbürgermeister und einem Stadtraths-
mitgliede, zusammengetreten, das in einem
warmen Aufrufe das Interesse für das Unter
nehmen zu wecken bemüht ist und alle Verehrer
des Apostels der Deutschen auffordert, die Hände
doch freigebig zu dem schönen und pietätsvollen
Zwecke zu öffnen. Wenn nun dieser Ruf über
all im deutschen Volke, wo das Andenken an
einen der größten Wohlthäter unseres Vater
landes nicht erloschen ist, begeisterten Widerhall
finden dürfte, so mögen auch die Bewohner des
Hessenlandes nicht vergessen, was die Pflicht
der Ehre und Dankbarkeit insbesondere von
ihnen fordert.
Um die Aufmerksamkeit der Leser dieses