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neues Leben in die landwirthschaftlichen Kreise;
er selbst ging mit bestem Beispiele voran und
glänzend waren die Erfolge, die er erzielte. Ihm
kamen in seinen Bestrebungen seine juristischen,
naturwissenschaftlichen und landwirthschaftlichen
Kenntnisse, seine praktische Erfahrung, sein
Scharfblick, nicht minder aber auch seine treff
lichen persönlichen Eigenschaften zu statten, ver
möge deren es ihm wie keinem Anderen gelang,
die Wege zu ebnen und Hindernisse zu über
winden. (Schluß folgt.)
—*——♦—
tc schmollt
Novellette von M. Friedrich stein.
(Fortsetzung.)
Der versprochene Abendbesuch des Amtsrichters *
zog sich jedoch, durch gesteigerte Berusspflichten, !
etwas in die Länge, ja sogar die abendlichen
Zusammenkünfte bei Howald, hatten aus diesem
Grunde einige Zeit eingestellt werden müssen.
Endlich, eines Abends, ertönte die Glocke an
der Vorgangsthür bei Löpels laut durch den
Korridor; so konnte sie nur vom Amtsrichter
gezogen sein.
Die Thür wurde geöffnet, und eine fremde
junge Dame stand vor dem unerwarteten Gaste.
„Bitte um Entschuldigung. Ist Herr Bank-
kassirer Löpel zu Hause?"
„Bedauere, nein; aber er kann jeden Augen
blick kommen."
Die Stimme, welche diese Antwort gab, hatte
einen selten metallischen Klang, und Herrn
Binders dunkle Augen streiften überrascht die
angenehme Erscheinung vor sich.
„Frau Löpel ebenfalls nicht?" fragte er weiter.
„Leider, nein."
„Darf ich bitten den Herrschaften meine
Empfehlung auszurichten?"
„Wenn Sie zuvor die Güte hätten, mir zu
sagen, von wem ich die Ehre habe?"
„Amtsrichter Binder."
Hierauf erfolgte freundliche, jedoch gemessene
Verbeugung von beiden Seiten. Dann schloß
sich die Korridorthür und die festen Schritte des
Amtsrichters ließen die Treppenstufen ächzen.
Derselbe konnte noch nicht bis zur Hausthür
gelangt sein, als Freudenausrufe und Be- >
grüßuugen im Treppenhause laut wurden. Bald !
danach wurde die Vorgangs- und Wohnzimmer- !
thür aufgerissen, und im Triumph führte der !
Kassierer den so lange vergeblich Erwarteten iws !
Zimmer. !
„Aber, Fräulein Munk!" schrie er. fast ent
rüstet, „wie konnten Sie nur den Amtsrichter
fortgehen lassen!"
„Wie kann denn Jeannette den fremden Herrn
zum Bleiben auffordern, Richard?" sagte die
inzwischen eingetretene Hausfrau vorwurfsvoll.
Stelle die Leutchen lieber einander vor."
„Ah, so: Amtsrichter Binder; Fräulein
Jeannette Munk, Freundin meiner Frau."
Die Freude des Löpelschen Paares über den
Besuch war so aufrichtig, und die warmherzige
Aufnahme so erquickend, daß auch die beiden
Fremdlinge sich rasch dadurch näher traten.
Bald wetteiferten die Frauen darin, den Thee
tisch so zierlich wie möglich herzurichten. Die
Gaskrone in der sogenannten „guten Stube"
wurde angesteckt, und die dahin führenden Flügel
thüren aufgemacht.
Des Amtsrichters Augen folgten der hohen
Gestalt und den ruhig sicheren Bewegungen der
Freundin des Hauses mit sichtbarem Wohlgefallen.
Jeannette Munk war nicht besonders schön,
aber ihr blasses Gesicht und dessen große, kluge,
graue Angen hatten etwas ungemein Fesselndes.
Das braune Haar trug sie in Folge einer Krank
heit kurz geschoren, in krausen Löckchen. Aller
liebst an ihr war ein Grübchen im Kinn.
Nach dem Thee forderte Richard Löpel den
weiblichen Gast auf einige Lieder zum Besten zu
geben, welcher Aufforderung sie ohne Ziererei
und mit schöner Altstimme nachkam.
Die Herren waren entzückt bei der Entdeckung,
daß sie ein Quartett beisammen hätten; sie
brauten eine Bowle, dann wurden Quartetten
gesungen, und spät erst vermochte der Amtsrichter
sich dem gemüthlichen Beisammensein zu entreißen