•250
das Land vom Interdikt. Diesem glücklichen
Friedensschluß folgte noch in demselben oder im
nächstfolgenden Jahr die Aussöhnung mit Heinrich
dem Erlauchten. Sophie und ihr Sohn entsagen
allen Ansprüchen auf thüringische Besitzungen,
dagegen überläßt der Thüringer, welcher sich
hier als großmüthiger Sieger zeigt — die späteren
hessischen Chronisten wollen ihm das freilich nicht
zugestehen — zum Ersatz für die verweigerte
Wartburg seinen Verwandten die Städte an
der Werra Wannfried, Eschwege, Ullen
dorf und Witzenhausen, welche er im Krieg
gegen den Braunschweiger gewonnnen hatte. So
war denn das Erbe, welches Sophie ihrem Sohn
zu gewinnen gehofft hatte, wirklich in Besitz ge
nommen, und mit Befriedigung konnte sie, bevor
sie 1284 hier in Marburg die Augen schloß,
auf ihr Werk zurückblicken. Sie hatte den Grund
zum hessischen Fürstenthum gelegt. Auch dauerte
es nur noch acht Jahre, bis ihr Sohn das höchste
Ziel, welches ihm und seiner Mutter stets vor
Augen schwebte, als reichsunmittelbarer Fürst
und Landgraf anerkannt zu werden, wirklich er
reichte. Aenn am 11. Mai 1292 wurde er auf
dem Feld bei Frankfurt durch Kaiser Adolf
von Nassau zum Reichsfürsten erhoben. Mar
burg ist allerdings nicht der eigentliche Sitz
unserer Fürsten geblieben. Denn nur wenige
derselben haben hier dauernden Aufenthalt ge
nommen. Vielmehr hat schon Heinrich das Kind
im Jahre 1277 seinen Sitz, wie billig, in die
jenige Gegend verlegt, welche von jeher Mittel
punkt des Hessenlandes war, nämlich in die Nähe
vonGudensberg und Maden, nach Kassel.
Der Stadt Marburg aber wird man die Ehre
nicht versagen können, für die Erhebung Hessens
zum Fürstenthum den Ausgangspunkt und die
erste Grundlage gebildet zu haben.
(Schluß folgt.)
Huarö Wenöelstaöl.
Ein Lebensbild.
Am zweiten Pfingsttage (10. Juni) bewegte
sich ein außergewöhnlich großer Trauerzug durch
die Straßen Kassels nach dem Friedhofe. Leid
tragende aus allen Stünden, von hier und von
auswärts, nahmen daran Theil,' galt es doch,
dem Geheimen Regierungsrath Eduard Wen-
delstadt die letzte Ehre zu erweisen, einem
Manne, dessen Name auf das Engste verknüpft
ist mit dem Emporblühen der Landwirthschaft
in unserem Heffenland, der vielfach bahnbrechend
gewirkt hat in seinem Fache, der weit hinaus
bekannt war über die Grenzen unseres engeren
Vaterlandes, dessen persönliche Eigenschaften bei
allen, die mit ihm in Berührung kamen, nur
Hochachtung und Zuneigung erwecken konnten,
dessen Hinscheiden daher allgemein auf das Leb
hafteste beklagt wurde. Wenn Einer, so konnte
er von sich mit gerechtem Stolze sagen: „non
frustra visi“, nicht umsonst habe ich gelebt.
Durch seine langjährige segensreiche Thätigkeit
im Dienste der Landwirthschaft, durch seine aus
gezeichneten Leistungen hat er sich den höchsten
Anspruch auf Anerkennung und Dank aller
seiner Mitbürger erworben. Ein Lebensbild
dieses hochverdienten Mannes in kurzen Zügen
zu entwerfen, ist der Zweck dieser Zeilen.
Eduard Ferdinand Maximilian
Wendelstadt ist am 11. Dezember 1815 zu
Hers selb geboren. Sein Vater war der als
trefflicher Arzt bekannte, allgemein beliebte
Dr. Ferdinand Wendelstadt. Dieser sowohl,
als dessen Gattin, Karoline, geb. Gieseler, eine
hochgebildete geistvolle Frau, ließen ihrem reich
begabten Sohne Eduard die sorgfältigste Er
ziehung zu Theil werden und namentlich die Mutter
übte auf dessen Geistes- und Gemüthsrichtung
einen wesentlichen Einfluß aus. Von 1828 bis
1836 besuchte Eduard Wendelstadt das alt
berühmte Gymnasium seiner Vaterstadt, das seit
seiner Umgestaltung im Jahre 1832 unter der
ausgezeichneten Leitung des Direktors Dr. Wil
helm Münscher neu emporblühte. Nicht nur in
den Wissenschaften, wie sie auf den hessischen
Gymnasien gelehrt wurden, machte Eduard
Wendelstadt die besten Fortschritte, auch in den
Künsten, namentlich in der Malerei und Musik,
für die er besondere Zuneigung und aus
gesprochenes Talent hatte, suchte er sich zu ver
vollkommnen. Nachdem er an der Hersfelder
Gelehrtenschnle das Zeugniß der Reife erhalten
hatte, bezog er 1836 die Hochschule Marburg
um daselbst, dem Wunsche seines Vaters folgend
Rechtswissenschaft ;u studiren, während er selbs
bei seiner Liebe zur Natur das Studium de
Naturwissenschaft vorgezogen haben würde. Der
poetischen, für die Natur und ihre Schönhe'
schwärmenden Jüngling behagten zwar die Pai
betten sehr wenig, doch vollendete er in Mm