238
werden. Die Kabinetsweine (Ausleseweine)
werden nur in Flaschen verkauft; das Minimum
des Preises ist 4,50 Mark, das Maximum 35
Mark für 3 /„ Literflasche. Sie gehen in vielen
Tausenden jährlich nach allen civilisirten Ländern
der Welt. Das alleredelste Gewächs reservirt
der Fürst für sich und zu Geschenken an Höfe.
Der Ueberfluß, sowie die sich nicht zu Kabinets-
weinen eignenden Jahrgänge werden in öffent
licher Auktion verkauft; der Preis für das
Stück — 1200 Liter betrug in den Jahren
1857—1870 von 1550 Mark lim Jahre 1861) bis
22000 Mark (im Jahre 1865); das beste Stück
1831er aus Trockenbeeren mit edelfaulen Trauben
gemischt erzeugt, wurde sogar für 32000 Mark
verkauft, wonach sich also das Liter auf 27 Mark
stellte."
Auf der Londoner Weltausstellung im Jahre
1862 wurden die Rheingauweine von der Jury
für die ersten der Welt und als an ihrer Spitze
stehend, der Johannisberger Kabinetswein erklärt,
dessen Vorzüge wir bereits geschildert haben,
dessen diätetische Wirkung, namentlich bei alten
Leuten, wir hier aber noch besonders hervorheben
wollen. Doch hat er in neuerer Zeit einen
mächtigen Konkurrenten in dem Steinberger Ka
binetswein gefunden, der in guten Jahrgängen
den Johannisberger sogar an Feuer übertreffen
soll, diesem aber an Bouquet stets nachsteht.
W. von Hamm stellt folgende Rangordnung für
die Rheingauweine auf, deren Mittheilung den
Freunden der edelsten aller Getränke gewiß er
wünscht sein wird: 1. Rang, Hochgewächse: Jo
hannisberg, Steinberg, Marcobrunn, Rauenthal,
Rüdesheim, Geisenheim, Gräfenberg, Aßmanns
hausen (roth); 2. Rang: Geisenheim (Kosakenberg,
Morschbcrg, Katzenloch), Rüdesheim (Bischofsberg,
Engerweg), Hattenheim, Dorf Johannisberg,
Winkel (Hasensprung); Oestrich (Eisenberg);
Hallgarten (Schönhelle) und Vollradsberg; 3.
Rang: Erbach, Eltville, Eibingen, Kiedrich, Mittel
heim, Schierstein, Walluf, Lorch (auch roth).
Die Franzosen, eifersüchtig auf den Ruhm des
deutschen Weinguts, haben in ihrer geckenhaften
Eitelkeit die Mär ersonnen und behaupten heute
noch, Marschall Kellermann habe durch französische
Reben, französische Winzer und französische Keller
behandlung den Johannisberger erst zu dem ge
macht, was er heute ist; das ist eine reine Er
findung. Gerade unter Marschall Kellermann
trat ein Rückschritt in den Weinbau des Johannis
bergs ein. Chr. von Stramberg beschuldigt ihn
sogar im „Rheinischen Antiquarius", daß er mehrere
der werthvollsten Weinlager trotz des Widerspruchs
seines Kellermeisters in Krautgärten habe ver
wandeln lassen, aus schnödem Eigennutze, weil
in den Jahren 1808. 1809 und 1810 Mißernten
stattgefunden hätten und seine Erwartungen hin
sichtlich der Einnahmen getäuscht worden wären.
..Man sollte sagen, der geizige Marschall habe,
hierin der Frau Lätitia, der Mutter Napoleons
folgend, an die Dauer seines Besitzes nicht glaubend,
nur von der Aktualität Nutzen zu ziehen gesucht."
Große Anstrengungen mußten gemacht werden,
um dem von Marschall Kellermann vernachlässigten
Weinbau wiederemporzuhelfen, undDankderselben,
ist dies in kürzester Frist dem Fürsten Metternich
gelungen. Das aber dürfen wir nicht vergessen, daß
es Benediktiner, jene verehrungswürdigen Pioniere
der Kultur in Deutschlands frühesten Tagen,
waren, denen wir den Weinbau auf dem Johännis-
berge verdanken, daß es fast ein Jahrtausend
fortgesetzter Arbeit der Veredlung der Rebe be
durfte, von Rhabanus Maurus an bis zur Herrschaft
der geistlichen Fürsten von Fulda, unter denen der
Johannisberg seinen Glanzpunkt erreichte, ehe
es, wie Karl Braun sagt, gelang, auf dem mit
dem Krönungsöle des Fleißes nnd der Jntellegenz
gesalbten Boden, jenen Nektar zu erzeugen, der
die Körper stärkt und die Geister beflügelt.
Wir haben unsere historische Skizze mit Versen
unseres seligen Freundes, des genialen Dichters
Friedrich Hornfeck, des „deutschenHafis", begonnen,
und so schließen wir dieselbe auch mit dessen
Gedicht:
Im Johannisberg.
Grüne, blühe Rebenranke,
In dem sonnenhellen Raum
Und kein trauriger Gedanke
Störe deinen Frühlingstraum.
Trinke milde Sonnenlüfte,
Trinke goldnen Sonnenschein
Und die süßen Blumendüfte
In das volle Herz hinein.
Trinke mit den Sternenfunken
Auch die zauberische Pracht,
Die auf dich herabgesunken
In der mondbeglänzten Nacht.
Trinke, trinke Rebenranke,
Gottestrunken mußt du sein,
Eh' dein lieblichster Gedanke.
Zum Gedichte wird im Wein!