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Elite -Mannschaft, freilich in sehr kleiner Zahl
und nur mit Degen bewaffnet, geblieben, aber
immer noch recrutirt aus wohlgedienten Unter
offizieren der Garde.
Wilhelm IX. weilte gern in dieser im Innern
schön eingerichteten und mit entsprechenden,
namentlich sich auf die Geschichte von Wilhelms
höhe beziehenden Bildern, sowie mit Gobelin-
Tapeten und sonstigem Zierrath ausgestatteten
Burg.
Nur kurz seien noch die kleinen Anlagen, welche
von ihm neben den Wasserfällen errichtet wurden,
genannt. Das Felsen eck, ein kleiner achteckiger
Tempel, etwa 100 Schritt unterhalb der Cascaden,
die Eremitage des Sokrates auf dem Wege
zwischen Teufelsbrücke und Löwenburg, der
Merkur-Tempel nördlich von der-Teufels
brücke, der Apollo-Tempel beim Fontaine-
Bassin, Virgils-Grab und Pyramide des
Cestius oberhalb desselben, die Säulenhalle
des Plato auf dem Rasen-Platz zwischen Fon
taine-Bassin und Schloß.
Wilhelm IX. war es vom gütigen Geschick
vergönnt, die Früchte seiner reichen Thätigkeit
noch eine Reihe von Jahren in ungestörtem Frieden
zu genießen. Auch die Wogen der großen
französischen Revolution brausten an dem Hessen
lande vorüber, da die ganz vereinzelt vorgekom
menen Erhebungen ohne Mühe niedergehalten
wurden, und, freilich nach mancherlei Kosten und
Anstrengungen, hat eres erreicht, die Jahrhunderte
hindurch so bedeutungsvolle Kurwürde mit seinem
Lande zu verbinden (1803). Am Schlosse zu
Wilhelmshöhe wurde diese Rangerhöhung da
durch ersichtlich gemacht, daß die Inschrift
nach den Cascaden hin geändert wurde in:
„ Wilhelmus I. El. condidit.“ Auch wurde in
demselben Jahre die noch jetzt vorhandene groß
artige Thor-Anlage des neuen Wilhelmshöher
Thors begonnen, das vollständig ausgeführt eine
Zierde der Stadt geworden wäre.')
Kurfürst Wilhelm I. wies als echt deutscher
Fürst mit männlicher Entschiedenheit alle Versuche
des Kaisers der Franzosen, des gewaltigen Na-
oleon I., ab, auf dessen Seite zu treten und sich
em die Auflösung des deutschen Reiches veran
lassenden Rheinbünde (1806) anzuschließen. Dies
hatte zur Folge, daß der corsische Imperator
den Kurfürsten von Hessen für abgesetzt erklärte
und Besitz vom Lande nahm, worauf der Kur
fürst über Dänemark nach Böhmen flüchtete und
in Prag seinen Aufenthalt nahm.
>) Beim ersten Einzuge des verstorbenen Kaisers und
Königs Wilhelm 1. in Kassel im August 1867, welcher be
kanntlich durch das neue Wilhelmshöher Thor erfolgte,
wurde die einst geplante Thor-Anlage vollstündig an dieser
Stelle nachgebildet.
Napoleon I. richtete bekanntlich nun das König
reich Westphalen ein mit der Hauptstadt Kassel,
über das er seineu jüngsten Bruder Jerome setzte.
Dieser, ehr Schattenkönig, die Regierung seinen
Ministern völlig überlassend, führte ein höchst
üppiges Hofleben und hielt sich gleich dem ver
triebenen Kurfürsten gern während der Sommer-
Monate in Wilhelmshöhe auf, das unter ihm N a p o-
leonshöhe genannt wurde, (wie nach seiner
Gemahlin Katharina, einer geborenen Prinzessin
von Würtemberg, das Schlößchen Wilhelmsthal
bei Mönchehof den Namen Katharinenthal
empfing). Unter den mancherlei Anekdoten, welche
sich an den Aufenthalt des „Königs Lustik" in
Wilhelmshöhe anknüpfen, sei nur die folgende
erwähnt. Er hielt eines Tages ein großes Hof
fest auf der Löwenburg, als ihn die Lust an
wandelte, sich auch deren Gemächer im Näheren
anzusehen. Dies sollte ihm jedoch übel bekommen.
Er hatte, wenn in den Hofkreisen davon die
Rede gewesen wqr, daß der vertriebene Kurfürst
in der ihm so lieb gewordenen Burg sein Wesen
treibe, darüber gelächelt. Da glaubte er, bei
seinem Rundzange in die Nähe eines Thurmzimmers
angelangt, durch ein Fenster den Kurfürsten leib
haftig vor sich zu sehen. Wie sich später heraus
gestellt, hat ein kurfürstlicher Kammerdiener, aus
welchem Grunde, wird verschieden erzählt, diesen
Mummenschanz ausgeübt. Jerome war über
diesen Vorfall so betroffen, daß er möglichst bald
die Löwenburg verließ und dieselbe niemals
wieder betreten hat.
Nachdem endlich die gewaltige Macht Napoleons
gebrochen und mit seiner Herrschaft auch die seiner
von ihnl eingesetzten Brüder vernichtet worden
war. kehrte Kurfürst Wilhelm I. wieder in sein
Land zurück (25. November 1813) und zog unter
dem Jubel der Bevölkerung in Kassel ein. Sehr
gern hielt er sich nun auch wieder zur Sommers
zeit in Wilhelmshöhe auf und freute sich des
Anblicks der insbesondere an Tagen, wo die
Wasser sprangen, dorthin kommenden und sich
in der schönen Natur herumbewegenden Menge,
namentlich der in großen Schaaren auftretenden
Studenten aus Göttingen. Marburg, Gießen,
ja sogar aus Halle und Jena. Er sah auch den
flotten Burschen manche Ungebührlichkeit, wie
Beschädigung von Pflanzen, Betreten des Rasens
u. dgl. m., wohlwollend nach, indem er auf die
ihm darüber gewordenen Anzeigen mit praktischem
Sinne erwiederte, die Studenten brächten immer
Geld mit, und das käme wieder seiner Bürger
schaft zu Gute.')
Mit besonderer Vorliebe verweilte Wilhelm I.
auf der Löwenburg, und diese ersah er sich, als
i) Fr. Müller. Kassel seit siebenzig Jahren. S. 115 fg.