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Dieser Anblick erregte den Zorn Herzog Karls
im höchsten Grade: machtlos, den Seinen zu
Hilfe zu kommen, befahl er die Geschütze aufzu
fahren und Freund und Feind ohne Unterschied
niederzuschießen. Aber die Kanonade, so heftig
sie war, brachte nur drei Neußern den Unter
gang, die übrigen kamen wohlbehalten, unter
dem Jubel der Bevölkerung, in der Stadt an
und führten ihre Gefangenen, darunter einen
schöngewachscnen Mohren, samt den erbeuteten
Fahnen dem Landgrafen im Triumphe vor. Der
qber ehrte diese erste kühne Waffenthat dadurch,
daß er mit allen Glocken läuten und die Geist
lichkeit in den Kirchen ein feierliches Tedeum
anstimmen ließ.
(Fortsetzung folgt.)
Iur Geschichte von Wilhelmshöhe.
Von K- Neuber.
(Fortsetzung.)
Nach dem Schlosse wandte Wilhelm IX. sein
Augenmerk den Wasserkünsten zu, welche unter
Aufgebung der großartigen, aber wahrscheinlich
durch die damit verbundenen Veränderungen der
Erdoberfläche kostspieligen Anlagen der Vorfahren,
in einer mehr der Natur angepaßten Weise zur
Ausführung kamen. Auch hierzu war ein tüchtiger
Mann gefunden in dem Inspektor der sämmt
lichen Wasserleitungen zu Wilhelmshöhe, Namens
Steinhöfer. Festgehalten wurde von den
früheren Plänen, daß Schloß, Fontaine und
Cascaden in einer geraden Linie verblieben und
zwischen Fontaine und Cascaden die Pluto-Grotte.
Zu deren Linken, sich mehr an die Boden-Ver
hältnisse anlehnend, wurde in Nachbildung der
Teufelsbrücke in der Schweiz ein nach dieser
benannter Wasserfall angelegt, der unter einer
steil aufsteigenden, nur in einem Bogen gebauten
Brücke hervorströmt und über die davor befind
lichen Felsen hinabstürzt. Sodann wurde in
einiger Entfernung südlich davon mitten im
Walde nach Steinhöfers eigner Idee der Berg-
Wasserfall oder Steinhöfer'sche Wasser
fall angelegt, welcher von der Höhe zwischen
wild durch einander gewachsenen Bäumen und
Gesträuchen über mächtige Steinblöcke, die von
der Natur hier in wilder Unordnung aufeinander
gethürmt scheinen, herabstürzt. Dieser Wasser
fall entnimmt seinen Zufluß dem auf der Höhe
befindlichen Pfaffenteiche und dem in einer
Entfernung von */< Stunde weiter entlegenen
Asch, einem romantisch gelegenen Gebirgs-See,
von dessen Ufern man vor sich das mit manchen
Thalgründen wetteifernde Druselthal in der
Tiefe und gegenüber den südlichen Theil des
Habichtswaldes mit seinen reichhaltigen Forsten
erschaut, und führt darauf sein Wasser in Schlangen-
Wegen zu der bereits erwähnten Teufelsbrücke.
Unter dieser über Felsen in einen davor ge
legenen Teich sich ergießend, verläuft das Wasser
weiter in einer Stein-Rinne zu dem gleichfalls
unter Wilhelm IX. von Steinhöfer an der Nord-
Seite nach, römischen Muster angelegten Wasser
falle, der römische Wasserfall oder Aquä
dukt (Aquaeductus), um dann von diesem in
einer Höhe von 120 Fuß in den Abgrund zu
stürzen) Von da ergießt sich das Wasser über
kleine Felsen-Parthien in Cascaden um den A p o l l o-
Berg (aus dem der Apollo-Tempel) in das Fon
taine-Bassin und von da durch den sog. Schloß
garten an der Rosen-Jnsel vorbei zum
großen Lac, dessen Abfluß wieder Felsen-Cascaden
bildet und dann sich bei Wahlershausen in den
D r u s e l b a ch ergießt. Außerdem erbaute sich
Wilhelm IX. nach dem Muster der alten, nun
mehr längst dahin geschwundenen Ritterburgen
ein Schlößchen nicht weit vom Steinhöfer'schen
Wasserfalle, westwärts desselben, die sog. Löwen
burg oder Felsenburg. Unter Leitung des bereits
genannten Ober-Baudirektors Jussow aufgeführt,
(1793) ist dieselbe eine kunstvolle Nachbildung
einer vielen Stürmen getrotzt habenden Burg
und enthält alle mit einer solchen verbundenen
Eigenthümlichkeiten und Einrichtungen, wie Herrn-
Haus, Ritter-Saal, Rüstkammer, Burg-Kapelle,
Frauen-Wohnung, ferner Burghof, Burggarten,
Turnier-Platz und die feindliche Angriffe ab
wehrenden starken Thore mit Zugbrücken. Auch
eine besondere Schloß-Wache wurde für diese
Burg gehalten, die Schweizer-Leibgarde, welche
in der Ausrüstung der Infanterie bei festlichen
Gelegenheiten große Bärenmützen trug und aus
Unteroffizieren des Leibgarde-Regiments von
tadelloser Dienstführung gebildet wurde. An der
Spitze stand ein Feldwebel, und über diesem be
fehligte ein Flügel-Adjutant des Kurfürsten.
Auch nach Einverleibung des Kurfürstenthums
Hessen in die Preußische Monarchie ist diese