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ermann,
kanögraf zu Kessen, Wursürst und Krzblschos
von Döln.
Von Hugo Brunner.
(Fortsetzung.)
Auf dieser Anhöhe, etwa eine Piertelmeile
von der Stadt entfernt, wurde ein vorläufiges
Zeltlager aufgeschlagen. Alsobald entsandte der
Herzog einen Herold an die Stadt und ließ
Einlaß fordern; aber die Neußer beriefen sich
auf des Kaisers Frieden, in dem sie stünden,
und lehnten so jede Verhandlung ab. Die Er
bitterung gegen den Herzog war derart, daß der
Herold von den Mauern mit Schmähungen
beleidigt wurde, ja daß inan ihn erschlagen hätte,
wenn nicht die Väter der Stadt dagegen auf
getreten wären?)
Herzog Karl hatte eine solche Antwort voraus
gesehen; denn er ließ sofort 6000 Mann zu
Roß und Fuß, hauptsächlich Lombarden und
Picarden, in 3 Heerhaufen aus dem Lager aus
rücken, um die Stadt im ersten Anlauf zu
nehmen?) Unter dem lauten Schall der Hörner,
mit wehenden Bannern und hochgehobenen Lanzen
kamen sie herangesprengt, die Reiter in stattlicher
Rüstung, und auch die Rosse durch vergoldete
Leder- oder leichte seidene Decken geschützt. Schnell
ließ Landgraf Hermann die Bürger und Söldner
sich sammeln und ihnen entgegen rücken. Diese
stellten sich hinter den Hecken und Zäunen, die
die Stadt umgaben, auf, in ihrer linken Flanke
durch die Erft, im übrigen durch zahlreiche
Geschütze gedeckt, und erwarteten muthig den
Angriff. Jetzt schloffen die feindlichen Reiter-
schaaren bei dem Anblick des kaum erwarteten
Widerstandes sich fest zusammen. Mit eingelegten
Speeren, als wollten sie jeglichen Gegner über
den Haufen reiten, kamen sie herangetrabt. Schon
waren sie in dem Bereich der Kugeln, da gaben
die Neußer Feuer aus Feldschlangen und Haken
büchsen, daß Rosse und Reiter stürzten und der
Angriff in's Stocken gerieth. Im selben Augen
blicke griffen die Reisigen aus der Stadt die
feindliche Schlachtreihe von der Seite an und
würden sie wohl gänzlich über den Haufen ge
worfen haben, wenn sie nicht selbst zu schwach
gewesen wären. Sie waren nämlich, wie die
Chronik sagt, ursprünglich nicht sowohl zum
Fechten herangezogen, als um die Gegner heraus-
') Dies und das Folgende nach dem Magn. Chron.
Belg. S. 4t4ff. und Wierstraat's Histori des beleegs
van Nuis. Chroniken deutscher Städte. Bd. 20. III.
(S. 479.)
2 ) Das Magn. Chr. Belg, spricht nur von Reitern;
Wierstraat dagegen sagt: si quamen zo perde ind
vios gedrungen.
znfordern und in das Bereich der Geschosse zu
locken. Trotzdem setzten sie den Burgundischen
hart zu; der Kampf dauerte mehrere Stunden,
dann zog sich das Heer des Herzogs nicht ohne
merklichen Verlust zurück.
So war der erste Angriff mit Glück ab
geschlagen, und der Muth der Belagerten hob
sich. Herzog Karl aber mußte sich zu einer
regelrechten Einschließung der Stadt bequemen.
Am nächsten Morgen (den 30. Juli) bewegte
sich das Heer näher an die Stadt heran. Der
Herzog selbst nahm seine Wohnung in der Nähe
des Klosters vor dem Oberthore, in dessen
Baumgarten hinter der Kirche man ihm sein
kostbares Zelt aufschlug.
Hier wohnte der Fürst 46 Wochen lang, ohne
ein anderes Haus zu betreten. Des Nachts
schlief er gewappnet in seinem Stuhle. Ihn
umgab eine zahlreiche Dienerschaft, eine aus
erlesene Leibwache; und zwölf der edelsten Herren
seines Heeres hatten ihre Zelte im Kreise herum
aufgeschlagen.
Bald entwickelte sich auf Feldern und Wiesen
um die Stadt ein wunderbares Leben. Es war,
als wüchse eine neue Stadt aus der Erde, so
erhoben sich überall die Hütten und Zelte der
Kriegsleute. Aber auch andere Menschen strömten
in Menge herbei. An Wegen und Straßen zu
beiden Seiten erbauten die Kaufleute, Schenk-
wirthe, Waffenschmiede, Apotheker und viele
andere Gewerbetreibende ihre Buden; andere
brachen ihre Häuser daheim, im Kölnischen oder
im Herzogthum Jülich, einfach ab und setzten sie
samt Thüren und Fenstern hier wieder her,
als gedächten sie sich für Jahr und Tag häuslich
niederzulassen. Da wurde gespielt, getrunken,
gesungen und gefeilscht, als sei das Lager ein
ewiger Jahrmarkt; und die Goldschmiede boten
den Landsknechten und ihren Dirnen Kostbar
keiten zum Kauf an, wie sie in mancher großen
Stadt nicht zu finden waren. Schlug man doch
die Zahl der Weibspersonen, die dem Heere
folgten, auf 1000, ja auf 1600 und mehr an?)
Das Heer des Herzogs war aus den ver
schiedensten Nationen zusammengesetzt. Er selbst
mit seinen Burgundern umlagerte die Stadt auf
der Süd- und Südwestseite vom Oberthore bis
zu dem Zollthore hin. An ihn schlossen sich im
') Basler Chroniken, II, S. 136 und 173; vgl.
Magn. Chr. Belg. S. 416.