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Preußen und Einführung der neuen Gerichts
ordnung im Jahre 1867 wurde er zur Disposition
gestellt. Im Jahre 187! wurde er zum Kurator
der Landesbibliothek zu Fulda bestellt, welchem
Ehrenposten er bis zuletzt vorstand. Diese kommunal
ständische Anstalt verdankt ihm treffliche Bücher-
Anschaffungen, bei denen er nichts weniger als
einseitig vorging, vielmehr möglichst gleichmäßig alle
jene Zweige der Wissenschaften, die hier in Betracht
kommen, berücksichtigte. Bis zu seinem Lebensende
verblieb er geistig frisch und interessirte sich leb
haft für juristische und auch politische Fragen, dagegen
war er körperlich schon seit längerer Zeit schwach ge
worden, so daß er, um frische Luft zu genießen und
seine Geschäfte besorgen zu können, sich in einem
Rollstuhle fahren lassen mußte. Mag er auch von
der Neigung zur Rechthaberei nicht freizusprechen sein,
so verdient andererseits sein ehrlicher, aufrichtiger
und biederer Charakter, sein wohlmeinender Sinn,
die vollste Anerkennung. Friede seiner Asche. —
Am 31. Juli verschied nach langem schweren
Leiden im 78. Lebensjahre zu Rothenditmold
bei Kassel der Generalmajor a. D. Freiherr Ludwig
Schenk zu Schweinsberg. Senior der von
Schenk'scheu Familie. Der Verblichene war der letzte
km hessische Kommandant der Residenzstadt Kassel im
Jahre 1866.
Noch einmal d as „E h r e n b ü ch l e i n. tt
Meine Besprechung des »Hessischen Ehrenbüchleins«
in Nr. 11 des ,Hessenland« hat eine wüthende Ent
gegnung in den ..Hessischen Blättern« vom 15. Juni
d. I. zur Folge gehabt, auf die ich nicht gut eher
antworten konnte, da ich mehr als vier Wochen
von Kassel abwesend war und das betreffende Blatt
erst nach meiner Rückkehr zu Gesichte bekam. Was
mich vor allen Dingen dabei wundern muß, ist der
Umstand, daß nicht der Verfasser des famosen
„Ehrenbüchleins« selbst, den ich nachträglich aus
Kürschners Deutschem Litteratur - Kalender eruirt
habe, nämlich der Herr Major a. D. v o n
Pfister, Docent an technischer Hochschule für
Russisch und Waffeulehre in Darmstadl, sondern
ein unberufener Dritter, unterzeichnet mit den viel
deutigen Buchstaben v. S., sich gemüßigt sieht, gegen
meine Kritik eine Lanze zu brechen. Es ist dies ein
bedenkliches Zeichen für das Schuldbewußtsein des
Verfassers!
Nun könnte mich sowohl die Form wie der In
halt der Entgegnung einer Erwiderung leicht über
heben, denn ich halte es für weit unter meiner Würde,
auf die niedrigen Beweggründe, die man meiner Be
sprechung unterzuschieben versucht, auch nur ein Wort
zu erwidern. Derartige anonyme Verdächtigungen
schaden nicht mir, sondern ihrem eigenen Urheber.
Daß er mich aber unter Zuhilfenahme der bekannten und
bei Kindern üblichen „Retourchaisen« einen Dilettanten
nennt, zeigt höchstens, daß ihm der Begriff eines solchen
abgeht*). Wenn ich nun trotz alledem jetzt noch ein Mal
das Wort ergreife, so geschieht dies, um den einzigen
positiven Punkt der Entgegnung herauszunehmen, welcher
etwas Handgreifliches vorbringt und den Versuch einer
Widerlegung meiner Ausstellungen mack)t, indem man
mir selbst Unkenutniß der Thatsachen vorwirft. Es heißt
da: »Hier verräth nun Herr Brunner große sachliche
Unkeuntniß (nämlich in der Geschichte des Verhältnisses
Landgraf Wilhelms VIII. und seines Sohnes Fried
rich zu König Friedrich II. von Preußen). Er muß
doch noch fleißiger excerpiren, und vor allem nicht
bloß einseitige Quellen. Diese Excerpte fangen
auch erst mit dem 23. Merz 1743 an. Er weiß
nichts von dem Briefwechsel zwischen dem Land
grafen und dem Herzoge von Braunschweig aus dem
Winter 1740/41 ; nichts vom Lager bei Hameln,
wo ein Heer von Hessen, Hannoveranern, Dänen
unterm Landgrafen zusammengezogen war, um auf
Berlin zu marschiren« u. s. w.
Alles, was hier gesagt ist, hat mit der Sache,
um die es sich handelt, sehr weirig zu thun, und
dürfte nur geeignet sein, unbefangene Leser irre
zu führen. Eine Vergleichung meiner in Nr. 11
dieser Zeitschrift, S. 168, gemachten Einwendungen
gegen die Ausführungen auf S. 42 des »Ehren
büchleins« wird dies jedem klar machen. Wenn
der Verfasser dort sagt, Landgraf Wilhelm habe
im Jahre 1740 einen Brief an den Herzog
Karl von Braunschweig geschrieben und darin die
Politik König Friedrichs II. verurtheilt, so wäre es
seine Pflicht gewesen, anzugeben, wo dieser Brief sich
befindet. Das thut er nicht, und seine Angabe
verdient, weil unbelegt, keine weitere Beachtung.
Zugegeben aber auch, der Landgraf habe that
sächlich einen solchen Brief im Jahre 1740
geschrieben, so hat er dagegen unzählige freund
schaftliche Briefe an Friedrich den Großen ge
schrieben, die alle in der „einseitigen« Quelle,
nämlich in der politischen Korrespondenz dieses Königs
nachgesehen werden können. Da nun letztere aller-
*) Damit hierüber kein Zweifel besteht, will ich diesen
Begriff kurz feststellen. Ein Dilettant ist eine Person, die
sich mit Sachen beschäftigt, welche außerhalb ihres Berufes
liegen; so z. B. wenn einer, statt Russisch und Waffenlehre
an technischer Hochschule vorzutragen, in Germanistik und
Geschichte hineinpfuscht, ohne noch dazu die Ergebnisse
neuerer Forschung zu verstehen, und die er deshalb einfach
negirt. Da mir meine amtliche Stellung aber die Be
schäftigung mit Geschichte zur Pflicht macht, so kann man
mich keinen Dilettanten nennen. Wenn Herr v. S. bezw.
sein Mandant außerdem das, was ich bis jetzt geschrieben
habe, nicht kennen, so ist das höchstens ein Beweis dafür,
daß sie sich um die Erscheinungen der letzten Jahre auf
dem Gebiete der hessischen Geschichte überhaupt nicht
gekümmert haben.