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„Es giebt deren noch mehr, für gewisse fein
schmeckerische Amtsrichter".
Die Lokomotive pfiff. Ein sarkastisches Lächeln
war das Letzte, was der Kassierer von seinem
entschwindenden Freunde erkannte.
Eilend verließ der Bankbeamte den Bahnsteig
und suchte seine weit gelegene Wohnung so rasch
wie möglich zu erreichen.
* *
*
Der nächste Morgen im Hause Löpcl dämmerte
trüb herauf, nicht nur als naßkalter, düsterer
Januar-Tag, sondern auch auf dem Antlitz der
jungen Hausfrau, und als der Kassierer zum
Morgenkaffee in's Wohnzimmer kam, wußte er mit
einem einzigen Blick unter die gesenkte zierliche
Morgenhaube, daß das Geschmolle noch im besten
Zuge sei.
„Guten Morgen Anna!" sagte er.
Für die Schmolltage war der Morgenkuß
stets ausgesetzt. Nur halblaut wurde ihren
Lippen ein gnädig gewährtes „Guten Morgen"
abgerungen.
Herr Löpel begann seine Kur.
„Lalala, lala, la, la!" trällerte er, und be
trachtete im ovalen Goldrandspiegel den Sitz
seiner Kravatte; dann fing er an zu pfeifen.
Der Kopf mit der hübschen Morgenhaube
schnellte in die Höhe und die unter derselben
befindlichen braunen Augen richteten sich in ver
letztem, erstauntem Ausdruck auf den fröhlichen
Sänger.
Der Kaffee dampfte in den Tassen, und das
Frühstück zum Mitnehmen, welches Herr Löpel
Auf dem Melersberg bei Fulda.
Es ragt von der Bergesspitze
Ein Kirchlein altersgrau,
Sankt Benedikt's wack're Söhne,
Die schufen einst den Bau.
Sie ebneten unverdrossen
Den Fels zum Fundament,
Wo seit elfhundert Jahren
Die ew'ge Leuchte brennt.
Von Stein zwei Königsgestalten,
Die grüßen von der Wand,
Auf hohen Stühlen thronend,
Das Szepter in der Hand.
Doch höher als diese Mächt'gen
Ein Dritter schaut herab:
in dem Bankinstitut verzehrte, lag fein säuberlich
neben seiner Tasse auf dem Teller bereit.
Der Kassierer setzte sich seiner stumm kasice-
trinkenden Ehehälfte gegenüber; sic steckte die
feine Nase in die Kaffeetasse, und wenn die
schmalen Lippen unbeschäftigt waren, zogen sie
sich wie in verbissenem Groll zusammen.
„Schlafen die Kinder noch?" fragte Löpel als
Anregung.
„Hm!" erwiederte Frau Anna, statt eines „ja".
Lange Pause. —
„Ha, ha, ha! War gestern köstlich beim
Amtsrichter, famose Sitzung! Gehe heute wieder
zu ihm", erzählte Löpel sehr heiter der jungen
Frau. Das Gesicht wurde länger.
Pfeifend suchte der Hausherr im Papierkorb
nach einem großen Couvert zum Einwickeln
seines Brotes; bald sing seine Lustigkeit an, ihm
selbst Spaß zu machen.
„Adieu Anna!" Singend ging er zur Thür
hinaus. —
Um 1 Uhr mittags kam Richard Löpel zurück
und trug dieselbe Lustigkeit zur Schau. Die
Gegenwart der Kinder erleichterte ihm die Sache
sehr; dennoch mußte er dem Freunde am Abend
bei Howald berichten, daß er die Stimmung
seiner Frau durch seine auffallende Lustigkeit nur
verschlimmert habe. „Nun, dann kommt einfach
die Kur Numero 2", sagte der Amtsrichter.
„Morgen tobst du um jede Kleinigkeit, die dir
in den Weg kommt, los; fängst bei jeder Gelegen
heit ungeheuerlich an zu schelten." Das war
der Rath des Weiberkenners.
(Fortsetzung folgt.)
Nicht Krone und nicht Scepter,
Er trügt den Hirtenstab.
Ein räthselhaftes Bildwerk.
Das Mancher sinnend schaut:
Was dachten wohl die Mönche,
Als sie es aufgebaut? —
Sie blickten hinab zum Thalgrund —
Ein Lichtheerd strahlte dort,
Im Waldesdunkel entzündet
Durch Winfried's Schöpferwort.
Drum stellte des Bildner's Meißel
Den Stifter größer hin,
Als jene gewalt'gen Herrscher
Fürst Karlmann und Pipin.
Die stehen ihm stark zur Seite,
Mit königlicher Macht
*i—^—!*