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gaugeitcit Morgen nnd ihre kanin zu glaubenden
Folgen. „Siehst du", sagte er zum Schlüsse,
„es ist das beste Weib von der Welt, fleißig,
ordentlich wie wenige, gesund, eine gute Mutter
und Hausfrau, dabei anspruchslos; aber . .
„Aber! sie hat ihre Brummtage!"
„Ja, leider! Die kleinste Mißhelligkeit ruft
bei ihr ganz nnmotivirtes Schmollen hervor,
wovon sie sich daun nicht so rasch wieder los
reißen kann, und — diese Tage sind ganz
nnansstehlich!"
„Ja, das begreife ich."
„Wahrhaftig, wir hätten alle Ursache glücklich
zn sein. Die Kinder sind ans dem Gröbsten
heraus; wir haben unser gutes Auskommen;
aber dieses Schmollen, dies Empfindlichsein über
eine Kleinigkeit kommt wie der Blitz aus heiteren
Himmel, und fängt an, sich bedenklich oft zu
wiederholen".
„Obgleich es ja noch schlimmere Fehler giebt,
ist's doch störend in der Ehe. Mußt's ihr ab
gewöhnen, der Frau Anna".
„Leicht gesagt".
„Ach, was! Ich wollte es ihr schon abgewöhnen.
Aber das ist eben der Fehler, in den alle Ehe
männer verfallen. Schmollt die Frau — so
wird besorgt gethan, ängstlich gefragt, am Ende
noch gar getröstet."
„Du hast klug reden! Habe mal erst 'ne
Frau!"
„Werde mich hüten! Jetzt aber in allem
Ernst: Wie lange brummt deine Frau denn
gewöhnlich?"
„Manchmal zwei, zuweilen drei Tage, es ist
auch schon vorgekommen, daß sie fünf Tage
schmollend im Hause herum ging."
„Na, höre mal, dann ist es aber höchste Zeit
zu einer Radikalkur, sonst hast du es für immer
verdorben!"
„Mir wird selbst bange dabei, und es ist mir
auch der Kinder wegen unangenehm".
„Gewiß, gewiß! und vor allen Dingen macht
mau sich das Leben doch nicht so uunöthiger
Weise schwer".
Der Beamte seufzte, und klemmte die Nase,
die etwas laug und schmal ausgefallen war,
verdrossen zwischen Daumen und Zeigefinger.
Nach einigem Stillschweigen erhob sich der
Amtsrichter, legte die Hände ans den Rücken
und schritt mit gesenktem Kopf einigemal wuchtig
in dem engen Raum auf und nieder, ungefähr
so. wie ein gefangener Löwe im Käfig. Plötzlich
blieb er vor seinem Freunde stehen, beugte sich
über den schmalen Tisch, legte ihm beide Hände
auf die Schultern und sagte:
„Jetzt gebe ich dir einen freundschaftlichen
Rath, altes Hans: Fange gleich morgen eine
Probekur au: Wenn deine Hausfrau schmollt,
sei du am Tage teufelsmüßig lustig, und am
Abend gehe obendrein aus".
, „Das kaun ich nicht!"
„Du mußt! Ich will dir zu Liebe auch die
langweilige Eisenbahufahrt machen und dir die
Zeit vertreiben."
„Wem, ich fast den ganzen Tag außer dem
Hause zubringe und ein behagliches Heim habe,
mag ich mich am Abend, ausgenommen, wenn
ich es dir zu Liebe thue, nicht in Restaurationen
herumdrücken."
„Es ist ja aber nicht behaglich bei dir!"
„Das geht vorüber."
„Nein, das wird immer schlimmer, glaube es
mir!"
„Du könntest am Ende recht haben, die Sache
will überlegt sein", sagte der Kassierer und sah
nachdenklich eine Weile vor sich nieder; dann
richtete er sich willensstraff in die Höhe,
trommelte mit der mageren Hand auf den Tisch
und fügte schmunzelnd hinzu:
„Gut, ich will auf deine Rathschläge eingehen;
aber sehe ich, daß du dich auf die Erziehung der
Frauen so gut verstehst, kannst du dich heilig
darauf verlassen, daß ich mir einen Kuppelpelz
frei bit toethteite“
„Hat keine Noth!" Der Amtsrichter winkte
wegwerfend mit der großen Hand und zog die
Uhr heraus. „Alle Wetter, ich muß eilen, sonst
bleibe ich hängen!"
„Ist's schon so an der Zeit?"
„Die allerhöchste. Du kommst doch mit auf
die Bahn?"
„Natürlich."
Beide Herren rüsteten sich schnell; der eine
griff nach seinem Schlapphut, der andere erfaßte
seinen halbhohen, braunen Filz und massiven
Stock; sodann hoben sie die Portiere auseinander
und durchschritten eilig den jetzt dicht besetzten
Borraum.
Wie ein Planet der Sonne, so folgte der
Kellner mit der Serviette unter dem Arm den
Herren bis zur Ausgangsthür, um diese dienst
eifrig aufzureißen; er hatte eine unbegrenzte
Hochachtung vor der freigiebigen Hand des Amts
richters.
Der Bahnhof war bald erreicht. Bei dem
zweiten Glockenzeichen streckte Max Binder dem
Freunde noch einmal die fleischige Hand znm
Coupofenster heraus und sagte:
„Adieu Richard! Also, auf morgen: Land
graf werde hart! Es wird so lange mit allen
möglichen Gegenmitteln gekämpft, bis du mir
sagst: sie schmollt nie mehr. Schade sonst um
die hübsche Frau".