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Wand graf zu Kessen, Wurfürst und Erzbischof
von Köln.
Von Hugo Vrunner.
(Fortsetzung.
Landgraf Heinrich, dem zu Hause in der
Zeit seiner Abwesenheit ein Sohn geboren war,
ging nach Marburg zurück zu den Tauffcier-
lichkeiten. Ein Theil des Belagerungsheeres
von Linz, vermuthlich die aufgebotenen Reichs
fürsten , folgten ihm, während die hessischen
Söldner zur Verfügung der Stadt Köln blieben.')
Denn die Kölner rüsteten mit aller Macht.
Sie setzten die Stadt in Vertheidigungszustand,
wandten sich um Hilfe an die Kurfürsten
von Mainz und Trier und ließen durch be
nachbarte Söldnerhauptleute ausgedehnte Wer
bungen veranstalten. Den Kardinallegaten
Marcus gingen sie noch einmal niit der Bitte
um Vermittelung zwischen ihnen und dem Erz
bischof an, allein vergeblich. 2 ) ~
Drohend, wie mit gezücktem Schwerte, stand
Herzog Karl von Burgund bei Mastricht in
mitten eines zahlreichen und gewaltigen Heeres,
und es war ungewiß, wen er zuerst treffen
würde. Aber in der größten Noth schwebte
doch die Stadt Neuß, der der erste Stoß des
Feindes gelten mußte. Um die Mitte des
Monats Juli hatte der Herzog ihr heimlich
einen außerordentlichen Gesandten in der Per
son des Ritters Robert von Arburch zugeschickt
und ihr Schutz und Schirm, ja Befreiung von
der erzbischöflichen Herrschaft in Aussicht ge
stellt, wenn die Bürger sich gutwillig unterwür
fen. Doch der Rath antwortete ausweichend:
gern würden sie sich der Treue des Herzogs an
vertrauen, wenn sie nicht schon ihren Streit mit
dem Erzbischof in die Entscheidung des heiligen
Stuhles und des Kaisers gestellt hätten. Eben
so war der Versuch Roberts, die Rathsherren
heimlich und einzeln zu bearbeiten, klüglich ge-
') Zeitschr. für Hess. Gesch. VI, 15 Anm.— vgl ll,
177. Nach der an den Abt von Hersseld ergangenen
Einladung zur Taufe sStand. Landesblbl. Mss. Hass.
fol. 109) wollte der Landgraf schon den 24. Juli wieder
in M. sein; er ritt aber erst am 1. August wieder von
Köln ab iNeujahrsblatt f. Franks. Gesch. 1877, S. 71).
^Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von
Köln, hgg. von Konst. Höhlbaum, H. Vlll, S. 3 u. 4.
S. Nr. 11).
scheitert, denn „man fürchtete den Schuß ans
der französischen Kanone, welche mit goldenen
Kugeln schießt." *)
Nunmehr aber durften sich die Ncußer nicht
mehr über das täuschen, was ihnen bevorstand. Sie
entsandten etliche ihrer Rathsherren nach Köln an
das Domkapitel und an den Rath der Stadt, um sich
über deren Beistand Gewißheit zu verschaffen;
denn die Sorge um den Kölner Handel ließ
besonders den letzteren nur schwer zu einem
Entschluß kommen?)
Endlich aber willigten sie ein. Landgraf Her
mann ging in eigener Person mit einer beträcht
lichen Anzahl adeliger Vasallen des Kapitels und
einer zahlrenhen Schaar von Söldnern, die zum
größten Theile aus den von L. Heinrich zürück-
gelassenen Hessen bestand, nach Neuß ab, um
die Vertheidigung der Stadt selbst zu leite».
Die Zahl der Streiter, welche er anfangs mit
sich nahm, können wir aus etwa 1800 beziffern.
Darunter waren 600 hessische Reisige und etwa
1000 zu Fuß. Später wuchs die Zahl der
fremden Söldner in Neuß bis auf 3000 an. a )
Die Zahl der wehrhaften Bürger wird nicht
angegeben, war aber gewiß nicht unbeträchtlich.
Das Hauptkvntingent zu dem hessischen Fußvolk
stellten die Städte Kassel, Witzenhansen, Wvlf-
hagen, Allendorf, Schmalkalden, Marburg, Wetter,
') Magnum Clironicon Bel gi cum (Scrip-
tores Rerum Germ. ex. bild. J. Pistorii, 111,411).
*' Ebenda; vergl. auch Höhlbaums Mittheilungen
a. a. O. S. 3.
3 ) Die hessischen Chronisten geben über Anstimmend
1500 Mann als das hessische Kontingent an, Lauie be
sonders 1000 z. F. und 500 z. R. — Der Basler Chronist
Joh. Knebel sBasler Chroniken II. 163) nennt nach einem
Kölner Briefe 600 reisige Hessen gegenüber 1500 Fußsol
daten aus verschiedenen Nationen, und als Gesamtsumme
2500. Das Nagn. Chrom Belg, und der franz. Ge
schichtsschreiber Co mines (Memoires, 1. IV. c. 1.) geben
die Stärke der Besatzung auf 1800 Mann an. Letzterer
sagt von den Hessen, sie waren „tres gens de bien, et
aussi ils le monstrerent.“ Bgl. übr. noch die Zlschr. s.
Hess. Gesch. VI, 15. — L öhre r, Gesch. der Stadt Neuß,
S. 145, und A n n a l e n des Vereins s. d. Gesch. des
Niederrheins, Jahrg. 1887.