210
Aus Hcimach und Fremde.
Kassel. Mil dem 1. Juli d. I. nahm eine,
hier seit vielen Jahren zumeist aus früheren kur-
hessischen Offizieren unter Leitung des Oberstlieutenants
a. D. Julius von Barde leben bestandene Lese
gesellschaft ihr Ende, deren Zweck vorzugsweise dahin
ging, die Mitglieder mit den neuesten Erscheinungen
auf dem Gebiete der hessischen Literatur bekannt zu
machen. Der Grund der.Auflösung liegt darin, daß der
seitherige hochverehrte Leiter dieses „Lesekranzes*
wegen vorgerückten Alters sein Amt niederzulegen
sich veranlaßt sah, und keines der Mitglieder glaubte,
ihn in genügender Weise ersetzen zu können. In
einer an ihn gerichteten Adresse gaben diese ihrer
Anerkennung und ihren Dank für seine langjährige
mühevolle und umsichtige Leitung Ausdruck.
N.-L.
Fulda. Der Doni zu Fulda zählt zu jenen
Kirchen, welche von Papst Leo XIII., anläßlich
seines goldncn Priester-Jubiläums, durch ein besonderes
Andenken ausgezeichnet worden sind. Das Ehren
geschenk besteht in einem kolossalen Bronzestandbild,
welches eine getreue Nachbildung der berühmten
Petrusstatue von Rom ist. Diese, bekanntlich eine
der seltenen Schöpfungen der altchristlichen Plastik,
soll einer griechischen Inschrift an der Basis nach,
als Weihegeschenk eines byzantinischen Großen an
den Vater der Christenheit im 5. Jahrhundert nach
Rom gekommen sein. Nach Kennerurtheil stellt sich
das den römischen Togafiguren nachgebildete Erzbild
den besseren Werken der Kaiserzeit würdig zur Seite.
Das kolossale Bildwerk erhebt sich auf einem fast
mannshohen Piedestal von sicilianischem Jaspis und
stellt den Apostelfürsten auf einem weißen Marmor
sessel thronend dar, wie er die Rechte segnend erhebt,
während die Linke die Schlüssel vor sich hält. Fnlda's
Kathedrale hat mit diesem erhabenen Kunstwerk, das
seit Mitte April im Mittelschiff vor dem ersten Pfeiler-
links aufgestellt ist, eine würdige Zierde erhalten.
Auch ist nunmehr die künstlerische Ausgestaltung der
Gruft des hl. Bonifatius in Aussicht genommen,
deren Plan der hochw. Bischof Joseph bei seiner-
jüngst stattgehabten Romreise dem hl. Vater unter
breitete. K. Hr.
Hanau den 5. Juli. Gestern sollte die ent
scheidende Sitzung des großen Comites für das
Denkmal der Brüder Grimm stattfinden. Die
technische Kommission hatte vorgeschlagen, den mit dem
ersten Preise gekrönten Entwurf des hiesigen Akademie-
Direktors Wiese abzulehnen und das Modell des
Prof. Eberle in München ausführen zu lassen.
Das große Comite hat jedoch in namentlicher Ab
stimmung init 22 gegen 21 Stimmen beschlossen,
daß Herr Wiese aufgefordert wurde, innerhalb vier
Monaten ein ganz neues Grimm-Denkmal-Modell
unentgeltlich anzufertigen, und daß dann erst darüber
zu entscheiden sei, ob nach dem Antrage des technischen
Ausschusses Eberle oder Wiese mit der Herstellung
des Monuments betraut werden solle. Daß der vom
Preisgericht prämiirte Wiese'sche Entwurf nicht zur
Ausführung zu bringen sei, war vorher mit großer
Majorität festgestellt worden.
Universitäts-Nachrichten. Marburg. Die
hiesige juristische Fakultät hat den Staatsminister
von Bötticher und den Direktor im Reichamt des
Inneren, Bosse, Ehrenhalber zu Doktoren beider
Rechte, die theologische Fakultät den Pfarrer Thikötter
Pastor an der Luisenkirche in Bremen, h. c. zum Doktor
der Theologie ernannt. — Dem ordentlichen Professor
in der juristischen Fakultät hiesiger Universität, Dr.
Brockhaus, ist zum Zwecke der Uebernahme einer
Professur an der Universität Jena die erbetene Ent
lassung aus seinem hiesigen Lehramte zum 1. Juli
d. Js. ertheilt worden. — Der bisherige außerordentliche
Professor in der theologischen Fakultät hiesiger Uni
versität, Licent. theol. et Dr. philos. Ad. Jülich er,
ist zum ordentlichen Professor ernannt und demselben
der nach dem Ableben des Konsistorial-Raths Pro
fessor Dr. Ranke erledigte ordentliche Lehrstuhl
verliehen worden. — Die Universität Gießen ist
in diesem Sommersemester von 616 Stu-
direnden besucht, zu denen noch 38 nicht imma-
trikulirte Zuhörer kommen, so daß die Gesammtziffer
sich auf 654 beläuft. Von den 616 Studirenden
widmen sich 104 der Theologie, 88 der Rechtswissen
schaft, 157 der Medicin und 267 der Philosophie.
Ihrer Staatsangehörigkeit nach sind 4 39 aus dem
Großherzoglhum Hessen, 102 Preußen, 10 Bayern,
4 Sachsen, 3 Badenser, 5 Braunschweiger, je 2 aus
Sachsen-Weimar, Oesterreich-Ungarn und Nord
amerika, je 1 aus Oldenburg, Elsaß-Lothringen,
Schwarzburg, Großbritannien, Australien.
Todesfälle. Am 5. Juni starb zu Fulda
im Alter von 42 Jahren der Seminarlehrer Wil
helm Füller, ein anerkannt tüchtiger Lehrer;
am 14. Juni verschied daselbst nach langem Leiden
im 71. Lebensjahre der Telegraphen-Jnspektor a. D.
Eduard Wilhelm F i n ck, ein sehr begabter,