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„Allgemeinen Deutschen Biographie", Bd. 20,
Leipzig 1884. Die Biographien Mackeldeh's in
diesen drei Werken haben wir vorzugsweise zu
unserer obigen Schilderung benutzt. —
(Der Artikel „Marburqer Pandektisten" wird fortgesetzt
in zwangloser Folge. Zunächst kommt Konrad Büchel
an die Reihe.)
i* schmollt.
Novellette von W. Friedrich sie in.
„Sv, damit wären wir fertig, Friedrike!"
Die schlanke Hausfrau rief es, und ließ den
Blick zufrieden über das gereinigte Wohnzimmer
gleiten.
Obgleich es keine General-Reinmacherei, sondern
nur die allwöchentliche Reinigung des Wohn
zimmers gewesen war, — unter Assistenz von
Friedrike — hatte sie doch so viel Zeit in
Anspruch genommen, daß noch am hellen Mittag
ein Morgenhäubchen auf Frau Anna Löpels
aschblondem Scheitel thronte.
Da näherten sich plötzlich eilige Schritte und
es wurde die Thür zum Wohnzimmer hastig
aufgerissen. Die Hausfrau wehrte ab:
„Hast du dir auch die Füße abgeputzt, Richard?"
Diese Warnung, welche Frau Anna ihrem
Gatten, dem Bank-Kassierer Löpel zurief, kam
leider zu spät; denn der Angerufene hatte dem
rein gewaschenen Fußboden, dem frisch gebürsteten
Teppich, längst sein hausherrliches Stiefelwappen
aufgedrückt; unwillig erwiderte er:
„Laß' mich doch nur! Ich muß schnell eine
wichtige Notiz aus meinem Schreibtisch haben,"
und stürmte weiter.
Empört ries die Hausfrau:
„Da quält man sich nun den ganzen Vormittag
um nichts und wieder nichts! Kaum setzest du
den Fuß in's Haus, so ist die ganze Arbeit
dahin!"
„Mach' doch nicht so viel Aufhebens um die
paar Tappen!" sagte er geringschätzig und
wühlte in seinem Schreibtisch herum.
Aber, wenn der Teufel einmal sein Spiel hat,
pflegen sich die Verdrießlichkeiten zu häufen. Sv
auch hier.
Der Bank-Kassierer hatte die Cigarre im
Munde behalten, und das Bewußtsein, dem
Director »och einen wichtigen Rechnungsabschluß
vorlegen zu müssen, ließ ihm alles Uebrige
nebensächlich erscheinen; so auch die Asche seiner
Cigarre. Diese hatte denn auch nichts Eiligeres
zu thun, als sich so recht boshaft loszulösen,
und sich in behaglicher Breite auf dem gesäuberten
Schreibtisch auszudehnen.
„Daß ich den Zettel heute Morgen auch ver
gessen mußte!" ries Löpel eifrig suchend: „Gott
sei Dank, da habe ich meine Notiz! Adieu Frau!
Auf Wiedersehn!" Fort war er.
„Herr du meines Lebens! Gnädige Frau,
sehen Sie doch nur! schrie Friedrike, und schlug
die Hände mitsammt dem Wischlappen darin
zusammen. „Der Herr hat seinen ganzen Schreib
tisch mit Cigarrenasche bestreut!"
Entrüstung spiegelte sich im Antlitz der Herrin,
als sie wortlos näher trat, um die Verwüstung
auf dem Schreibtisch zu betrachten; dann sagte
sie elegisch:
„Reinige ihn noch einmal Friedrike", und
darauf setzte sie ihr bestes Brummgesicht auf.
Der Gottlose hatte nicht einmal ein Wort zur
Entschuldigung gehabt; das sollte ihm denn doch
abgewöhnt werden!
Ahnungslos kam der Uebelthüter bald darauf
heim und sah mit Erstaunen, daß — seine Anna
schmollte. Das war das Gräulichste, was ihm
passiren konnte; in aller Herzensunschuld fragte-
er auch noch:
„Fehlt dir etwas, Anna?"
Aber da kam er schön an! Ein Strom der
allerungeheuerlichsten Redewendungen ergoß sich
über den Sünder, sodaß seine Rücksichtslosigkeit
ihm zuletzt pechrabenschwarz vorkam; und nach
diesem Erguß wurde das hübsche Gesicht von
Frau Anna Löpel wie versteinert.
Das Gesicht kannte der Kassierer aus Er
fahrung. An diesem Ausdruck glitten alle Auf
merksamkeiten, Bitten, ja — selbst Zärtlichkeiten
machtlos ab. Monoton, gewohnheitsmäßig, kani
dann nur das Alleruothwendigste über die
schmalen Lippen, und kein Lächeln zauberte ihm
mehr die Grübchen in die Wangen. Ach, eine
solche Sonnenfinsterniß des Hauses Löpel dauerte
zuweilen tagelang. —
Als der Bank-Kassierer Abends heimkehrte,
traf er auf dein breiten Korridor mit seiner
Frau zusammen; seine kleinen, grauen Augen
forschten in ihrem Antlitz. Er hatte genug ge
sehen! Hut und Ueberzieher an den Kleider
ständer hängend, dachte er: Da möchte man
doch gleich mit Keulen drein schlagen, sie brummt