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deutschen Staaten zeigt aber, daß unter den so
gänzlich veränderten Verhältnissen und Partei
bildungen seine Zeit, und wohl für immer, vor
über ist.
Neben der Bürgergarde bildete sich noch aus
Freiwilligen ein uniformirtes Bataillon Schutz
wache. Da es durchgängig aus jüngeren Leuten
und früheren Militairs, welche nicht zum Ein
tritt in die Bürgergarde verpflichtet waren, be
stand. so war es um so mehr geeignet, wesentliche
Dienste zu leisten, als sein Kommandeur, ein
früherer aktiver Offizier, der durch seine vortreff
lichen militairgeschichtlichen Werke bekannte Maxi
milian von Ditfurth, sich mit großem Eifer
dessen Organisation und militärischen Ausbildung
widmete.
Außerdem hatte sich zumeist aus Anhängern
der demokratisch-socialen Partei ein etwa 600
Mann starkes Freikorps gebildet, welches aber
nach einigen Monaten, weil es sich den Anord
nungen des Kommandeurs der Bürgergarde, dem
es unterstellt war, nicht fügen wollte, aufgelöst
und entwaffnet wurde.
In unserer Kompagnie wurde stramm exercirt
und hatten wir jüngeren Leute noch häufiger
Dienst, als die älteren, da wir häufig zum Extra
dienst, Bewachung bedrohter Personen u. s. w.
kommandirt wurden. Die Straßentumulte waren
noch sehr häufig und machten das Einschreiten
der Bürgergarde nothwendig, namentlich am 3.
Juli nach Verkündigung der Wahl des Reichs
verwesers und am 5. Juli bei der Entwaffnung
des Freikorps.
So ernst sich diese Auftritte für uns zuweilen
auch gestalteten, so waren doch die friedlichen
Exercirübungen, wenn im Feuer exercirt wurde,
wie ich an mir selbst erfahren sollte, zuweilen
noch gefahrvoller.
Bei einem Scheibenschießen der Kompagnie auf
dem Schützenhause, war mir der Ladestvck meines
Nebenmannes, dessen Gewehr sich bei dem Aus
stößen der Patrone entladen hatte, dicht an der
Nase vorbei geflogen. Als wir einige Tage
später auf dem Forste ein durch unsere 2 Tam
boure angedeutetes Defilse fortwährend feuernd
passirten, war es mir aufgefallen, daß das iminer
dicht an meinem Ohre liegende Gewehr meines
Hintermannes, eines ehrsamen Buchbindermeisters,
keinmal losgegangen war, und ergab es sich, daß,
als auf meine Anzeige das Gewehr untersucht
wurde, 6 Patronen darin steckten. Mehrfach war
es vorgekommen, daß nach Aufsetzen der Ladung
das Herausziehen des Ladestocks versäumt war,
wodurch einmal ein Mann sehr lebensgefährlich
verwundet wurde.
Man konnte es übrigens der Mannschaft nicht
allzusehr verdenken, wenn sie das Abschießen des
Gewehrs möglichst zu vermeiden suchte, da die
alten Feuerschloßgewehre dabei solche Ohrfeigen
austheilten, daß man regelmäßig mit geschwollenem
Backen den Rückmarsch antrat. Doch fehlte es
im Dienst der Bürgergarde auch nicht an mancherlei
Freuden besonderer Art. Dazu gehörten nament
lich die im Jahre der Gleichheit und Brüder
lichkeit arrangirten Bälle der Bürgerbataillone
im Hanusch'schen Saale.
Eine noch viele großartigere Feier, als
die Fahnenweihe der Bürgergarde im Jahre
1831 gewesen war, war am 6. August
1848 die Weihe der Fahne der Schutz
wache. Die Anordnungen waren dazu in der
Karlsaue auf dem Bowlingreen, ähnlich wie da
mals auf dem Friedrichsplatz getroffen. Diesmal
war vor dem Orangerieschloß die Tribüne für
den Kurfürsten errichtet, von wo aus er nach der
Weihe der Fahne die Parade über das Bataillon
Schutzwache und die gesammte Bürgerwehr ab
nahm.
Das Volksfest Nachmittags auf demselben
Platze ist allen Theilnehmern unvergeßlich ge
blieben. Mit solchem Enthusiasmus ist der Kur
fürst weder vorher, noch nachher jemals vom
Volke empfangen worden, als er Nachmittags
in schwarzem Civilanzuge mit der schwarz-roth-
goloenen Kokarde am Hute auf dem Platze erschien.
Den ihm von den Bürgern Herbold und Dallwig
überreichten Ehrentrunk nahm er dankend an und
äußerte hierauf, der heutige Tag, an welchem
dem Erzherzog Reichsverweser gehuldigt sei, sei
dem deutschen Vaterland gewidmet, überall höre
er die auf dasselbe ausgebrachten Hochs, da wolle
er auch einmal das engere Vaterland hoch leben
lassen, worauf alle einstimmten und unter Be
gleitung der Bürgergardenmusik erst das „Heil
unserem Kurfürst Heil" und dann „Was ist des
Deutschen Vaterland" gesungen wurde.
Der Kurfürst nahm die verschiedenen Volks
belustigungen in Augenschein und hörte noch das
unter Spohr's Leitung von den vereinigten Siug-
vereinen ausgeführte Konzert mit an.
Zum Schluffe wurde ein Feuerwerk abgebrannt,
bei welchem zuletzt das Wort „Einigkeit" in
Brillantfeuer strahlte. In einem damaligen
Zeitungsbericht über das Fest wurde hervorge
hoben, wie sinnig dieses wie aus Aller Mund
gesprochene Wort gewählt gewesen sei, wie kurz
und bündig es den Sinn und die Bedeutung des
Festes ausgesprochen habe, und wie groß die
Hoffnung sei, daß es als ein gutes Omen für
die Zukunft des deutschen Reiches betrachtet
werden könne.
Die Hoffnung, auf diesem Wege zu Deutsch
lands Einigung zu gelangen, sollte sehr bald ge
täuscht werden. Nach zwei Jahren tagte in