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An der Spitze des Klosters stand ein Probst
und eine Priorisin. Weltliche Schutzherrn waren
die in der Nähe wohnenden Grafen von Schauen
burg. Was die inneren Verhältnisse betrifft, so
gehörten die Augustiner zu den Bettelorden, und
waren daher nicht nur die Kloster-Insassen für
ihre Person, sondern auch das Kloster selbst arm
und auf die Mildthätigkeit ihrer Mitmenschen
angewiesen. Einen wesentlichen Faktor in der
Geschichte des Klosters bilden daher die zahlreichen
Schenkungen an dasselbe. Es besaß im Laufe
der Zeit ansehnliche Gutsbezirke in den Gemar
kungen von Kirchditmold, Harleshausen, Wahlers
hausen, Wehlheiden, Niederzwehren, Kirchbaune,
Besse, ja sogar Zierenberg. I Im Jahre
1217 nahm Landgraf Ludwig IV. der Heilige
von Thüringen als Herr von Hessen das Kloster
Weißenstein in seinen Schutz und verlieh ihm
die Zollfreiheit wegen seiner Bedürfnisse in allen
seinen Städten, und die nachfolgenden Landgrafen
von Hessen gewährten verschiedene weitere Privi
legien.
Die Ordenstracht war wollene Kutte mit Kapuze
und weißer Unterkleidung. Ueber die innere
Geschichte des Klosters und seiner Bewohner, auch
der Oberen, sind wir nur mangelhaft unterrichtet,
Insbesondere wissen wir nichts Näheres über
die Beschäftigung der Kloster-Insassen, ob sich
dieselben etwa dem Jugend-Unterrichte widmeten,
wie die Benediktiner-Mönche des Klosters
Hasungen, dessen Schule berühmt war in Hessen
und darüber hinaus, ebensowenig ob sie sich, wie
allerdings vermuthet wird, mit Gartenkultur
befaßten. Wenigstens war in vielen Klöstern
die Ausfüllung der Zeit zwischen den verschie
denen religiösen Uebungen des Tages vorzugs
weise durch Beschäftigung mit Ackerbau, als zur
Kräftigung des Körpers dienlich, vorgeschrieben.
Leider hat sich das Kloster Weißenstein nicht
immer in Reinheit der Sitten erhalten. Dafür
spricht der Umstand, daß im Jahre 1483 sein
oberster geistlicher Herr, der Erzbischof von
Mainz, die Aufsicht über dasselbe dem Prior des
Augustiner-Klosters zu Bodecke im Hochstifte
Paderborn übertrug und dazu mit sehr um
fassender Vollmacht. Dieser sollte unter Zu
ziehung eines von ihm erwählten Ordens- oder
Welt-Geistlichen das Kloster, so oft er es für
nöthig erachte, im Jahre besuchen und über alle
Ausschreitungen und Vergehen zu Gericht sitzen,
Beichtväter bestellen und Bußen und Strafen
verhängen u. s. w?)
Uebrigens wurden dem Kloster auch jetzt ver
•* *) Haas. Versuch einer hessischen Kirchengeschichte
(1782) S. 304 fg.
*) Zusti, S. 44 fg.
schiedene Zuwendungen zu Theil. So versprach
Landgraf Wilhelm I., der Aeltere, als seine
Tochter Mechthilde in das Kloster eintreten
wollte, diesem eine Summe von tausend Gulden
baares Geld oder ebensoviel an Früchten nach
Gefallen des Convents, und letzterer stellte mit
der Priorin Margaretha von Treißbach, als
Prinzessin Mechthilde wirklich eingekleidet wurde,
Quittung über die gedachte Summe aus (1500),
deren Zahlung durch Anweisung auf den Zoll
in der Stadt Kassel erfolgte, von der sie außer
dem noch verschiedene Einnahmen bezogen.')
Die große Kirchenreformation im 16. Jahr
hundert, insbesondere die Synode zu Homberg,
1526, führte den Untergang der Klöster in
Hessen herbei. Die Nonnen des Klosters Weißen
stein erhielten Abfindungen an Geld oder
Naturalien, die genannte Priorin Margarethe
von Treißbach 120 Gulden, die Ordensschwester
Magdalene Dippel 6 Viertel Korn. Im Ganzen
wurden 14 Verzichtbriefe, welche theils von 1527,
theils von 1528datiren, ausgefüllt. Das Kloster
gebäude , nur von einem Vogte und einem
Oekonomieverwalter bewohnt, blieb bis zum An
fange des folgenden Jahrhunderts. Da ließ Land
graf Moritz der Gelehrte dasselbe abbrechen
und an der Stelle ein stattliches Schloß erbauen.
(25. Juni 1606) Dieses, vollständig massiv auf
geführt , bestand aus einem Haupt- und zwei
Flügelgebüuden, welche ein nach dem Walde hin,
auf der Westseite, offenes Viereck bildeten. Nur
das Hauptgebäude wurde zur fürstlichen Wohnung
eingerichtet, die Seitenflügel dienten zu wirthschaft-
lichen Zwecken. In Winkelmann's Beschreibung
der Fürstenthümer Hessen und Hersfeld (Bremen
1697) 2 ) findet sich eine ausführliche Schilderung:
„Dos Schloß an sich selbst und dessen mitler
Bau ist voller schöner Fürst!. Gemächer und
Sälen, haben einwärts den krosxsot gegen
den Wald, außenwärts aber über ein sehr
breites Thal gegen Cassel, welches man allda
wie auch sonst noch etliche Meilen Wegs weit
sehen kann; die anderen beyden Seiten sind,
wegen der guten Viehzucht des Orts, lauter
Ställe und Scheuern, auch andere zur Hauß-
haltung gehörige Gebäu, doch alles von Stein.
Auf der Süder-Seiten liegt in der hoch er
hobenen Ringmauer ein schöner weit um
fangener Lustgarten, darbey auch ein fein
x ) Zusti S. 47. fg. Auf das Obige beziehen sich auch
Posten in den Kasseler Stadtrechnungen (Vereins-Zeitschrift
N. F. III. Suppl.) S. 140 u. 143 v. 1513, S. 167 v. 1520
5 Gl. denen v. Weißenstein; S. 169 v. 1520: 3 Pf. den
Jungfern vom Weißenstein vom Brauhause auf der Fulda:
Einnahmen, welche sie mit anderen Klöstern gemeinsam hatten.
r ) Th. I S. 288; vgl. Piderit S. 152; Geschichte und
Beschreibung von Wilhelmshöhe (1805) S. 27 fg.