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außer am 3. Oster- und 3. Psingsttage nur noch
alle 14 Tage gestatteten.
Eine Folge der früheren Verwendung der Bürger
zum Schutze der Städte hatte sich darin erhalten,
daß die Bürgersöhne von der Werbung frei blieben.
Im vorigen Jahrhundert hatten die Landesherrn den
Kasseler Schützen auch noch dadurch ihr Interesse
gezeigt, daß dem besten Schützen ein landesherrliches
Gnadengeschenk oder Abgabenfreiheit auf ein Jahr
zu Theil wurde. Landgraf Wilhelm IX. hatte den
Bürgerschützen wenig Beachtung geschenkt, wurde aber
andern Sinns nach Ausbruch der französischen Re
volution und bei der Bedrohung seines Landes in
den darauf folgenden Jahren.
Im Jahre 1794 wurden die Schützenkompagnien
mit allen ihren früheren Vorrechten in allen Städten
des Landes durch Verordnung vom 14. Jan. 1794 neu
organisirt. Bier Kompagnien sollten ein Bataillon
formiren und in Kassel ein solches aus zwei Kom
pagnien Doppelhakenschützen und 2 Kompagnien
freie Handschützen unter dem Kommando des Forst
raths Quentel als Major bestehen. Die Schützen-
osfiziere erhielten landesherrliche Patente und jedes
Bataillon eine Fahne.
In der erwähnten V. O. wird gesagt:
„Wir haben uns umsomehr bewogen gefunden,
selbigen zu einer unschuldigen Ergötzlichkeit und
einiger Uebung mit dem Gewehr darunter in Gnaden
zu willfahren, als Wir hierbei zum Voraus über
zeugt sein können, daß, wie überhaupt Hessens braves
Volk durch musterhafte Unterthanentreue und An
hänglichkeit an seine Regenten eben so wohl, als
durch Muth uud kriegerischen Geist sich von jeher
ausgezeichnet hat, also auch insbesondere die Schützen-
kompagnicn sich gewiß doppelt eifrig zeigen werden,
erforderlichen Falls zur Sicherheit und Vertheidigung
des Vaterlandes mit beizutragen."
Zu einer solchen Verwendung kam es nicht. Der
Dienst des Kasseler Schützenbataillons beschränkte sich
in den folgenden Jahren nur darauf, daß bei einem
ausgebrochenen Brande 50 Mann unter einem Offizier
zur Sicherheit der geretteten Effekten und Aufrecht
erhaltung der Ordnung ausrückten. Im Jahre 1806
machte die Okkupation des Landes durch die Franzosen
dem Kasseler Schützeukorps ein Ende.
An seine Stelle trat unter König Jsrüme eine
nach französischem Muster errichtete Nationalgarde zu
8 Kompagnien, ä 150 Mann, und durch königliches
Dekret vom 9. November 1808 ein Schützenkorps
bestehend aus einem Bataillon zu 4 Kompagnien
sowie einer Eskadron.
Diese Korps leisteten in einer Stärke von 150
Mann Kavallerie und 2000 Mann Infanterie vor
treffliche Dienste in Aufrechthaltung der Ordnung,
zur Zeit, als Kassel nach der Flucht Jerome's bis
zum Einrücken der Russen keine militärische Be
satzung hatte.
Wie nach der Rückkehr des Kurfürsten überall der
alte Zustand wieder hergestellt wurde, so wurde auch
nach Auflösung dieser Bürgermiliz anr 2. Oktober
1615 das Schützenbataillon in seiner früheren Weise
wieder errichtet. In den nun eintretenden ruhigen
Zeilen verlor es bald wieder seine Bedeutung und
nur sein jährlich dreimaliges Ausrücken, am Geburts
tage des Landesherrn, am 3. Oster- und 3. Psingst-
tag nach dem Schützenhause gab von ihm Kunde.
Dieser Auszug war jedesmal ein Volksfest, wie in
anderen Städten das Vogelschießen.
Ein Zeitgenosse schreibt darüber in seinen hinter
lassenen Aufzeichnungen:
„Das jedesmalige Ausrücken des Schützenkorps
war ein wahres Volksfest, da es sich hauptsächlich zu
einem Trinkgelage mit nachfolgendem Tanze gestaltete.
Die größte Heiterkeit erregte es immer bei den sehr-
zahlreichen Zuschauern, wenn zum Schluß der Feier
lichkeit ein Bataillonsfeuer abgegeben wurde, da die
Büchsen der meist etwas angetrunkenen und im
Schießen wenig geübten Mannschaften zu sehr ver
schiedenen Zeiten zum Losgehen gebracht wurden."
Kurfürst Wilhelm II. hatte in den beiden ersten
Jahren seiner Regierung diese Auszüge noch gestattet,
auch bestimmt, daß dem besten Schützen an seinem
Geburtstage 15 Thaler aus der Stadtkasse gezahlt
werden sollten, verbot sie aber im Jahre 1823 nach
dem Erscheinen der Drohbriefe und gestattete nur,
daß das Scheibenschießen gleichzeitig nur von einzelnen
Leuten des Korps geübt werde.
Da brachte wiederum die Pariser Revolution des
Jahres 1830 und die danach in vielen Städten aus
gebrochenen Unruhen neues Leben in die Bürger-
bewaffnung. Gleich der erste am 6. September 1830
in Kassel ausgebrochene Tumult, bei welchem 11
Bäckerläden verwüstet wurden, gab Veranlassung, daß
alsbald etwa 300 Bürger bewaffnet zusammentraten,
um das Militär, dessen allzuspätes Einschreiten gegen
die Tumultuanten beklagt wurde, bei Aufrechthaltung
der Ruhe und Ordnung in der Stadt zu unterstützen.
Als Erkennnngszeichen diente ein weißes um den
linken Oberarm gebundenes Tuch. Dabei erschienen
auch noch einige frühere Mitglieder des alten Schützen-
korps, namentlich ein Major, in der gar seltsam ge
wordenen, aus dem vorigen Jahrhundert stammenden
Uniform.
Professor Müller erwähnt in seinem Buche „Kassel
seit 70 Jahren" bei Erzählung dieser Vorgänge,
daß sich bei Bildung dieses Korps sonderbarer Weise
gerade notorische Anhänger des damaligen Kurprinzen
besonders eifrig gezeigt hätten. Dabei hat er offen
bar den in dieser Zeit als Agenten für die Inte
ressen des Kurprinzen bekannten Fabrikanten Carvacchi,
Lieutenant bei dem alten Schützenkorps, im Sinn,
welcher, wie ich sah, in seiner früheren Uniform,
immer sehe eifrig bei jedem- Zusammentreten des