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agrum Mattiaeum; man kennt ferner die fönte
Mattiaci u. s. w., aber das Wort ist hier offenbar
adjectivisch zu fassen ; was nun gar Mattiaeum oder ver
kürzt Mattium sagen will, ist ganz unverständlich.
Bielleicht ahnte der Verfasser selbst, daß man ihm
bei seinen Angaben aus der Vergangenheit einst
dreiste und neugierige Fragen über das Woher
die Sache? vorlegen könnte. Er versuchtes
darum mit der Zukunft, wo er schon sicherer ist,
uncontrollirt zu bleiben, und sagt auf S. 25:
„Nächste Frist (für die Erscheinung Karls des Großen
am Odenberge) ist 1889.“ Wenn das der Herr-
Verfasser so gut berechnet hat, so gelingts ihm viel
leicht auch, die Erscheinung der weißen Jungfrauen
an den mannigfachen Bergen des Hessenlandes aus
zurechnen : man kann da viele Schätze erwerben!
Ans eben der Seite läßt der Anonymus den h.
Bonifatius aus dem Holze der Donners - Eiche die
Kapelle auf dem Bürberge erbauen. Hätte er, ehe
er die Feder zu seinem „Ehrenbuche“ ansetzte, Landau's
„Territorien", das Werk treuer Forschung
eines ächten hessischen Gelehrten, gelesen,
so würde er sich daraus S. 372 ff. belehrt haben,
daß Bonifatius nirgend anders als auf der Stelle
des Fritzlarer Domes die Kapelle erbaut haben kann.
S. 26 berührt es widerwärtig, wenn den Hessen
als Widersachern des hohenstaufischen Kaiserhauses
sozusagen ein Lob ertheilt wird, doppelt unan
genehm, da es unter dem Deckmantel der Anonymität
geschieht; da der Verfasser kein Siegfried an Wissen
ist, so steht ihm die Tarnkappe übel an.
Wir wollen mit dem Verfasser über seine An
sichten bez. der Herkunft der thüringischen Landgrafen
nicht streiten, denn die Sache ist sehr dunkel. Er
gestatte uns jedoch, auf folgender Stelle ihn fest
zunageln :
S. 28 heißt es: „Die hessische Fürstenwürde
jenes dritten Ludwig, unter welchem die Vereinigung
(von Thüringen und Hessen) stattfand, war also
älter denn seine thüringische. Er hatte schon einige
Jahre zu Gudensberg, in hohem Ansehen bei Kaiser
und Reich gewaltet, als er dann eben deshalb
auch noch Landgraf von Thüringen ward; in welchem
Lande er als fränkischer Standesherr von Vorfahren
ererbte große Besitzungen inne hatte."
Gewiß war die hessische Fürstenwürde Ludwigs
älter als seine thüringische; denn sein Schwiegervater,
Graf Giso von Gudensberg, von dem er jene erbte,
starb 1122; sein Vater Ludwig II. aber, der Graf
von Thüringen, erst 1123; wäre der letztere statt
1123 z. B. 1121 gestorben, so war die thürin
gische Grafenwürde Ludwigs die ältere, wie jedem
einleuchten wird. Item, der Verfasser möchte gerne
glauben machen, daß nicht Hessen an Thüringen
gefallen sei, sondern umgekehrt: ist dies schon Par-
tikularismus, so hinkt doch die Methode!
Wenn er aber sagt, Ludwig habe schon einige
Jahre zu Gudensberg gewaltet, als er dann eben
deshalb auch noch Landgraf von Thüringen ge
worden sei, so ist dies eine Entstellung, die gerügt
werden muß. Von 1123 bis 1130 war Ludwig III.
Graf von Thüringen und heißt z. B. in einer Ur
kunde des Klosters Breitenau v. I. 1123: comes
de Turingia Lndewieus, qui et advocatus. Er
halte aber auch nach dem Tode seines Vaters, wie
es scheint, die hessische Grafenwürde ganz an seinen
jüngeren Bruder Heinrich Raspe abgetreten, der
z. B. im Jahre 1130, wo er stirbt, Graf von
Gudensberg genannt wird (Ann. Rosenveld, ad a.
1130. Pertz, Monum. Germ. XVI. 104), Erst
113!, also nach Heinrichs Tode, nennt sich Ludwig
wieder comes de Wuodensberg (Wenck, Hess.
Landesgesch. II, Urkb. S. 96); und nun soll er gar,
nicht als Graf von Thüringen, nein, weil er
Graf von Hessen war, Landgraf von Thüringen
geworden sein?! Eine seltsame Art der Geschichts
schreibung ! Nebenbei bemerkt, wäre ich neugierig zu
erfahren, wo dem Verfasser die Kunde herkommt, daß
Ludwig einige Jahre zu Gudensberg in hohem
Ansehen bei Kaiser und Reich gewaltet habe! Für
Nachweisung des Chronisten, der dies berichtet, wäre
ich dankbar.
Es würde uns zu weit führen, wollten wir die
vielen Irrthümer oder absichtlichen Entstellungen dem
Verfasser auf Schritt und Tritt und Seite für Seite
— wie wir leicht könnten — aufdecken; wir könnten
noch in Versuchung kommen, das ganze Werk abdrucken
zu lassen. Kurz erwähnt sei nur noch Folgendes:
S. 31 „Dieses Treuegelübde von der Mader Heide rc."
Der Chronistgibt gar den Ort nicht an, wo die Volks
versammlung der Hessen (1246) gehalten sein soll; sie
konnte ebensogut,wenn siewirklich stattfand,am
Spieß sein. Hätte aber der Verfasser, ehe er sein
Buch schrieb, den Aufsatz von Ilgen und Vogel
im X. Band der Ztschr. f. Hess. Gesch. N. F. S.
151 fs., der i.J. 1883 erschien, sich angesehen,
so würde er gewußt haben, daß der Markgraf Heinrich
von Meißen vonvornherein nicht der Feind, sondern
der Vormund Landgraf Heinrichs des Kindes war
(bis 1256 oder 1257). Herzog Albrecht von Braun
schweig war der Eidam der Herzogin Sophie von
Brabant und ihr Bundesgenosse in der um 1260
entbronnenen Fehde gegen Meißen. Trotzdem redet
der Vers, von sechzehenjährigem blutigem Ringen
mit dem Markgrafen von Meißen und dem Herzoge
von Braunschweig!
Wenn wir S. 33 lesen: „Sammlung des Chat-
tenstammes — das war von jeher die Losung des
Hauses Brabant“, so möchten wir fast meinen, die
Losung der Einigung der Nationen sei nicht erst in
diesem Jahrhundert aufgekommen. Der Verfasser
denkt: es wär' so schön gewesen! Aber den alten
Landgrafen waren die Plesse'schen, die Schaum
burgischen und andere sächsische Besitzungen ebenso