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pflegen. Er zählt gegenwärtig schon 50 Mitglieder
und hält seine Versammlungen jeden Freitag Abend
im Restaurant Schulz (Unter den Linden 2(>) ab.
Nach Berlin kommende Hessen finden dort freundliche
Aufnahme.
Die 14. Iah res-Versammlung des „Vereins
voll Lehrern an den höheren Unterrichts-Anstalten der
Provinz Hessen-Nassau und des Fürstenthums
Waldeck" findet Mittwoch den 29. Mai in Bocken-
heim statt. Für die Hauptversammlung ist vor
läufig folgende Tagesordnung festgesetzt: 1) Eröffnung
der Versammlung durch den Vorsitzenden; 2) Jahres
bericht des ständigen Ausschusses; 3) Rechnungs
ablage durch den Schatzmeister des ständigen Aus
schusses; 4) Vortrag des Gymnasiallehrers vr. Lohr
(Wiesbaden): „Ueber bedeutende Grabstätten Griechen
lands und Italiens"; 5) Vortrag des Realgymnasial
direktors vr. Ei seien (Frankfurt): „Die Behand
lung der empirischen Psychologie auf höheren Schulen";
(>) Bortrag des Reallehrers Böhmel (Marburg):
„Kritische Betrachtung über einige Hauptpunkte der
Pädagogik Herbarts"; 7) Vortrag des Gymnasial-
Oberlehrers vr. W e i d e u m ü l l e r (Marburg): „Zur
Ueberbürdungsfrage, eine Antwort an unberufene
Kritiker"; 8) Besprechung eines Turnapparats durch
Gymnasialdirektor vr. Wer necke (Montabaur); 9)
Beschlußfassung über Ort und Zeit der nächsten
Jahresversammlung; Wahl des Vorstandes.
Anl I. Osterfesttage fand in Niedenstein durch
den Herrn Pfarrer itnb in Gegenwart des
Herrn Bürgermeisters, sowie der Stadträthe die
feierliche Einweihung des herrlichen Altarbildes
statt, welches der Herr Baron Ernst Wolfgang
Heß von Wichdorff, der Nachkomme der
alten Burgherren, der dortigen Kirche als Geschenk
überreicht hatte. Das Gemälde stellt den auferstehen
den Christus dar, mit der Siegesfahne in der Hand.
Unten zu Füßen sieht man die Grabesplatte. Das
Bild ist tief gefühlt und ein echtes Meisterwerk von
der Hand der Frau Professor Louise Baer in
Stuttgart, der bekannten und hochgeschätzten früheren
Schülerin Prof. Nehers in Stuttgart. Der im
reinsten gothischen Style gehaltene Rahmen mit hoher
architektonischer Bekrönung ist bei Presse! und Kusch
in Stuttgart modellirt und hergestellt worden. Das
ganze Kunstwerk gewährt einen überraschend schönen
Anblick. Der gütige Geber, Herr von Wichdorff, war
speziell zur Einweihungsfeier nach Niedenstein ge
kommen. ch.
Soeben ist im Verlage von Oskar Ehrhardt zu
Marburg a./L. eine auf eingehenden Quellenstudien
beruhende Geschichte der Stadt Rauschen
berg erschienen. Der Verfasser, Eduard Bromm,
ist ein echtes Rauschenberger Kind, hat sich schon seit
längerer Zeit mit der Geschichte seiner Vaterstadt
eifrig beschäftigt und kennt dieselbe wie kein Zweiter.
Wir werden in einer späteren Nummer auf diese
Schrift zurückkommen.
In der Angelegenheit des Hanauer Grimm-
d e n k m a l s sind, wie aus einer ausführlichen Ver
öffentlichung der „Hanauer Zeitung" vom 6. Mai
hervorgeht, erhebliche Schwierigkeiten ent
standen. Auf eine ministerielle Anfrage hat der
Vorsitzende des technischen Ausschusses des Grimm-
Comite's, Justizrath Osius, an den Oberbürgermeister
von Hanau einen Bericht erstattet, worin einer weit
verbreiteten Abneigung gegen den von den Preis
richtern zur Ausführung warm empfohlenen Wiese 'schen
Entwurf Ausdruck gegeben und dem Entwurf
Eberle's in München das Wort geredet wird. „Ganz
abgesehen von dem eigenthümlichen, architektonisch
und ästhetisch anfechtbaren Ballustradenprojekt", heißt
es in diesem Bericht, „ist der wesentlichste Einwand,
den man gegen die Wiese'sche Hauptgruppe erheben
kann und muß, der, daß die beiden Grimm in so
forcirtcr Haltung, in einer so sehr nach dramatischem
Ausdruck ringenden Pose repräsentativen Gebahrens
und überhaupt so hingestellt und hingesetzt sind, daß
sie, ihrem wahren Wesen so durchaus fremd, wie
Personen aussehen, die sich beobachtet wissen, und
nicht wie zwei deutsche Gelehrte, die, unbekümmert
um den Lärm des Tages und jedwede Corona, sich
mit ganzer Seele in ihre gemeinsamen hohen Auf
gaben vertiefen, kurz nicht wie diejenigen beiden
Männer, die ich selbst von Angesicht zu Angesicht
gekannt habe, und von denen ihr Landsmann Vilmar-
treffend gesagt hat: „sie besaßen die Fähigkeit, die
Seele des deutschen Volkes in ihrer Natürlichkeit und
Ursprünglichkeit in vollster Unmittelbarkeit zu ver
stehen." Das ist eben das Betrübende an der Sache,
daß alle Diejenigen, welche Jakob und Wilhelm
Grimm persönlich gekannt haben, trotz einer unver
kennbaren Porträtähnlichkeit der Köpfe nach dem
Vorbilde des bekannten Stichs auf der ersten Seite
des deutschen Wörterbuchs, von der Wiese'schen Auf
fassung und plastischen Darstellung des Wesens der
beiden Brüder so sehr enttäuscht sind.
Professor Hermann Grimm, der Sohn Wilhelm
Grimm's, der um ein Gutachten in dieser Angelegen
heit ersucht worden war, hat sich in ähnlicher Weise
ausgesprochen, indem er u. a. erklärte: „Der Schwer
punkt der Wirksamkeit der Brüder lag nicht in ihrer
öffentlichen Thätigkeit als Universitätslehrer, sondern
in ihrer Arbeit innerhalb der Wände ihrer neben
einander liegenden Studirstuben. Ihre Erscheinung
war die ehrfurchtgebietender alter Männer, die ein
einsamer Gedankenarbeit zugewandtes Leben führen.
Jakob würde nie so dagestanden, Wilhelm nie so da