151
mit einer Jugendfreundin und führte dieselbe auch
heim, leider aber war die Ehe keine glückliche und
nach kurzer Zeit trennte er sich wieder von seiner
Gattin, um das alte Junggcsettenlcben bis zu seinem
Tode fortzusetzen. Von großer Bedeutung für Ar
mand war in den letzten zwanzig Jahren seine
Freundschaft mit dem Prinzen Wilhelm von Hissen
Philippsthal'-Barchfeld, dem Schwiegersohn des Kur
fürsten, da er für denselben im Interesse der Rechts
verhältnisse des kurfürstlichen Familien-Fidcikommisses
unausgesetzt thätig war und nach Regelung der von
den hessischen Agnaten gemachten Ansprüche eine be
deutende Summe für seine dieserhalbigen Bemühungen
erhielt, welche letzteren in zahlreichen literarischen
Arbeiten bestanden halten. Diese nahmen seine Zeit
derartig in Anspruch, daß er seit einer Reihe
von Jahren nicht mehr an das Romanschreiben
denken konnte. Neben seiner Thätigkeit als erzählen
der Schriftsteller hat Armand auch den Versuch
gemacht, für die Bühne zu schreiben, jedoch ohne
Erfolg. Sein Lustspiel „Der Mann ohne Poesie",
welches unter dem Pseudonym Norwald auf
dem hiesigen Königlichen Theater 1809 gegeben
wurde, hatte sich keiner Wiederholung zu erfreuen, und
das Drama „Die Quadrone", sowie das Schauspiel
„Gustav Adolph", das er 1882 veröffentlichte, fanden
überhaupt nicht den Weg auf die Bühne. Die un
ausbleibliche Wirkung des Alters machte sich nach und
nach auch bei dem sonst so unverwüstlichen Kapitän
geltend, der sich rühmen konnte, in seinem ganzen
Leben Alles in Allem keinen Schoppen ^Feuer-
wasser" getrunken zu haben, er wurde leidend, ging
seltener aus und siedelte zuletzt nach Gelnhausen über,
wo er ani 3. April d. I. gestorben ist, geboren war
er am 18. März 1806 in Kassel
Zur Charaktcrisirung der Art und Weise, wie
Armand-Strubberg zu unterhalten verstand, sei mir
vergönnt, Einiges aus meinem persönlichen Verkehr
mit ihm wiederzugeben.
Ich lernte Armand im Jahre 1866 kennen und
der erste Abend, welchen ich mit ihm in einer Thee
gesellschaft verbrachte, wird mir unvergeßlich sein, da
er bei vortrefflicher Laune war und seinem Erzähler-
talent die Zügel schießen ließ. Er sprach, wie man
zu sagen pflegt, frei von der Leber, seine Rede mit
lebhaftem Mienenspiel und Gestikulationen begleitend,
dabei die ungeheuerlichsten Begebenheiten mit der
größten Kaltblütigkeit bis in's Detail ausmalend.
Es war trotzdem aber ein Vergnügen, ihm zuzuhören,
denn der Zweifel, der hin und wieder an der That-
sächlichkeit des Mitgetheilten auftauchen konnte, kam
bei der virtuosen Manier, mit welcher Armand seine
Erzählungen zur Geltung brachte, nur wenig in Be
tracht. „Mit Louis Napoleon", so erzählte er u. A.,
„war ich eng befreundet, er liebte mich, obgleich ich
ihn in Amerika einmal als Schnellläufer geschlagen
hatte I. Als ich in den fünfziger Jahren auf meiner
Reise nach Deutschland durch Paris kam, empfand
ich große Lust, den alten Filou in den Tuilerien zu
besuchen, aber verschiedene Umstände hinderten ulich
daran. Dennoch sollte ich ihn zu Gesicht bekommen,
und auch die Kaiserin, die schöne Eugenik, die ich
bis dahin noch nicht kannte. Eines Tages befinde
ich mich nämlich in den Elysäischen Feldern, als es
plötzlich heißt: Der Kaiser kommt! — Auch die
Kaiserin? frage ich. — Auch die Kaiserin! ent
gegnet man mir. Ich dränge mich vor und stehe
bald in der ersten Reihe des Spaliers, welches von
den Spaziergängern gebildet wird. Der Wagen mit
dem kaiserlichen Paare rollt heran, aber, o wehe, die
Kaiserin saß auf der mir entgegengesetzten Seite und
da sie unablässig zur Chaise hinausgrüßte, so wäre
es mir unmöglich gewesen, ihr Gesicht genau sehen
zu können, wenn Napoleon mich nicht, als ich den
Hut abnahm, bemerkt und zu ihr ganz laut gesagt
hätte: Siehe, da steht Strubberg! — Daraufhin
wandte sie sich herum und ich sah, indem beide mich
freundlichst grüßten, ihr pikantes Gesicht, voll spanischer
Grazie. — Während meines damaligen Aufenthaltes
in Paris", fuhr Armand fort, „fand ich am Schau
fenster eines Buchladens Hsine's „Romanzero" aus
gestellt; da ich dieses Werk meines Jugendfreundes
noch nicht kannte, trat ich ein und kaufte es. Nun,
sagte ich zu dem Verkäufer, der arme Heine ist also
endlich seinen Leiden erlegen, denn ich hatte in einer
brasilianischen Zeitung gelesen, daß er in einem
italienischen Irrenhause gestorben sei — Aber nein,
sagt der Buchhändler, Herr Heine lebt noch, zwar
sehr elend, aber noch bei vollem Verstand. — Wo
wohnt er? — Rue d'Arnsterdam Numero so und
soviel! — Ich springe hinaus, nehme mir gar nicht
die Zeit, erst in einen Fiacre zu steigen und laufe,
was giebst du, was hast du, in die Rue d'Arnsterdam,
Nummer so und soviel, vier oder fünf Treppen hin
auf, bis ich vor seiner Stubenthüre stehe. Ich schelle,
ein Weib tritt mir entgegen, schön wie der Morgen,
die himmlische Mathilde. Ist Heine zu sprechen?
frage ich sie. — Ich bedauere, erwidert sie, Henry
nimmt keine Besuche mehr an. — Mich aber wird
er annehmen! rufe ich. Mich, seinen besten Freund!
Sagen Sie ihm nur, daß Strubberg da ist! —
Aber da, na, da hätten Sie ihn hören sollen? Rein
mit dem Strubberg! schrie er aus dem Nebenzimmer",
rein mit dem Strubberg! als ob er geradezu toll ge
worden wäre. Die alte, liebe Stimme war es uod), ich
stürzte in feine Kammer und wünschte lieber, daß ich
draußen geblieben wäre, denn was mußte ich sehen?
Auf einem Bette lag ein Ding, das wie ein Zwerg
l) Napoleon III. war als Prinz körperlichen Uebungen
zugethan und hat auch einen Wettlauf in einer Arena
unternommen, wobei er vor Beendigung desselben einen
Blutsturz bekam. Was es mit der obigen Angaoe für
eine Bewandtniß hat, muß dahingestellt bleiben.