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durch einen Berg unterbrochene Weite: gleichsam
ein weites Meer mit unzähligen Inseln. Starr
und schweigend blickte ich hinaus in die Unend
lichkeit, und meine Brust füllte sich mit Gefühlen,
die endlich so wehmüthiger Natur wurden, daß
mir Thränen über die Wangen rollten. Wir
konnten nur schwer, trotzdem daß ein furchtbarer
Sturm uns belästigte, von dieser göttlichen Stelle
uns losreißen. Wir fuhren hierauf an's andere Ufer
und bestiege» den Jakobsberg, auf dem wir in
der Klause des alten, freilich nun todten In
validen Friedrich des Großen, Jakob, einen Kaffee
tranken. Auch von diesem Punkte ist die Aus
sicht schon, doch schöner vom Wittekindsberge.
Zwei Böller, welche abgefeuert wurden, gaben
ein furchtbares Echo. Beide Berge hingen augen
scheinlich ehemals zusammen, bis die Finthen
der Weser sic durchbrachen. — Wir hatten auf
gestern Abend noch eine Einladung zu einem
Balle zu Rinteln, wir fühlten uns jedoch ver
anlaßt, hier zu bleiben. Diesen Morgen ist
Bernhardi wieder nach Minden, wo Delcsert
heute eintreffen will. — Jetzt höre ich aber auf.
Theilt diesen Brief meiner Familie niit. Grüßt
herzlich die Enern. Auch Franke, und sollte
Reuse da sein, auch den. Grebe wird wohl
noch nicht zurückscin.
Herzlich lebe wohl von Euerem Freunde
G. Landau.
—>—
Aus Armanö's Weben
Von W. Dennecke.
(Schluß.)
In verhältnißmäßig kurzer Zeit erschienen von
Armand einige zwanzig, größtenteils mehrbändige
Romane auf dem Büchermarkt und eroberten ihm
im Sturm das leselustige Publikum, da er, wo es
darauf ankam, mit glühender Phantasie zu schildern
verstand und ein Schriftsteller, der den Chamisso'schen
Vers
„Und der das Lied Euch gesungen,
Hat auch die Welt sich beschaut,
Er hat bei den Wilden gehauset
Und sich mit ihnen erbaut — “
auf sich anwenden kann, ist ja stets ein gern gesehener
Gast auf dem Büchertisch. Von Armand's Romanen
seien, außer den bereits erwähnten, noch als die
hauptsächlichsten genannt: Bis in die Wildniß, An
der Jndianergrenze, Schwarzes Blut, Der Krösus
von Philadelphia, Alte und neue Heimath, Mexico,
Ralph Norwood, welcher mit dem Bildnisse des Ver
fassers erschien und Carl Scharnhorst, oder: „Scbnt
und Abenteuer eines deutschen Knaben in Amerika- l ),
welches Buch sich auch noch gegenwärtig als Jugend-
schrift behauptet und mehrere Auflagen erlebt hat
Wie Armand mündlich versicherte, daß die nord
amerikanischen Indianer ausgesprochene „Lumpe"
seien, so schilderte er sie auch mit geringen Aus
nahmen in seinen Büchern, und vergeblich sucht man
bei ihm nach Cooper'schcn Individualitäten. Die Ar-
mand'schen Häuptlinge haben, obwohl sie nach der
Natur gezeichnet sind, etwas vorwiegend Hausbackenes
') Erschien 1887 in dritter Auflage, prachtvoll aus
gestattet , mit Illustrationen, in der Buchhandlung von
Ferd. Keßler zu Kassel.
an sich, trotz ihrer wilden Pferde, ihrer furchtbar be-
malten Gesichter und ihrer Lanzen und Pfeile. Romantik
und Alltäglichkeit vermischt sich da auf eine ganz eigen
artige Weise. So beschreibt er z. B., als er denFricdens-
abschluß mir den Comanchen zu Stande bringt,den Einzug
derselben in Friedrichsburg, mit den lebhaftesten Farben;
an der Spitze der Weisen und Aeltesten dieser kriege
rischen Nation reitet Santa Anna, der Kricgshänpt-
ling, und Mopochocopie, die alte Eule, der Friedens-
Häuptling, Alles ist auserlesen und macht den besten
Eindruck, der Friede wird geschlossen und cs soll
darauf an die Bewirthung der wilden Gäste gehen.
Statt daß aber nun unzählige Hirsche und Bären
an den Spieß gesteckt werden, wie man doch bei
einem Jndianerdiner wohl erwarten dürfte, was
thut der große Kapitän — ? Er läßt Kaffee kochen
und diesen schöpfen die sonst so furchtbaren Comanchen
sich in größter Gemüthlichkeit mit ihren Trinkhörnern
ans den riesigen Kesseln, essen Zucker und Zwieback
dazu und rauchen die ihnen offerirtcn Cigarren.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies Bild Zug für
Zug nach der Wirklichkeit entworfen, zeigt aber auch
klar und deutlich, daß Armand seine Phantasie, gerade
was die Indianer betrifft, in den engsten Schranken
hielt und diese nur mit wenigen oder gar keinen
Ausschmückungen bedachte.
Armand nahm seinen Hauptwohnsitz in Kassel,
lebte aber auch mehrfach außerhalb, so einige Zeit
in Hannover, der „echten, wahren Königsstadt", wie
er sie nannte, und bei seinem Freunde, dem bekannten
Domherrn von Spiegel zum Desenberge, welchem er
auch einen seiner Romane gewidmet hat. Mitte der
sechsziger Jahre erneuerte Armand die Bekanntschaft