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Schrieb ihm doch einstmals ein enthusiastischer Ver
ehrer.- „0. Breithaupt ist in dem ZUndcrgebiete, was
Gutenberg bei der Buchdruckerkunst, wo die starren
Lettern auf der Tafel da waren, aber erst der Licht
gedanke der Beweglichkeit sie von ihren Fesseln be
freite. Ebenso war (durch Bormann) die starre,
ringförmige Satzlage da, doch erst durch das Hinzu
fügen der v. Breilhaupl'schen Erfindung — nämlich
durch die Rotation — kam der Zünder zu der
jetzigen Bedeutung und bildet seitdem die Grundlage
aller, auch der neuesten Veränderungen. -
Daß diesem bewegten Schaffen die Enttäuschung
nnd der Undank nicht gefehlt haben, ist selbstverständ
lich — das ist nun einmal das Loos genialer Er
finder und kühner Eroberer im Reiche der Wissen
schaft. Im Großen und Ganzen aber hat v. Breit-
haupt's Geistesthat sich volle Anerkennung verschafft,
wie die Urtheile nnd Zuschriften aller Kenner ge
nügend bezeugen. Das heutige Schrapnel, unbedingt
das Hauptgeschoß der Artillerie im Felde, steht mit
seinem Zünder noch immer auf dem Boden der
v. Breithaupt'schen Erfindung. — 1880 erlitt der
nimmer rastende Greis einen SchlaganfaU, von dem
er sich körperlich und geistig zwar wieder erholte, aber
er mußte sich bei seinem hohen Alter immer mehr
schonen und später zu seinem liefen Schmerze jede
geistige Anstrengung untersagen. Er verlebte dann
einen ruhigen Lebensabend in der Mitte seiner ge
liebten Familie, treu gepflegt von seiner Gattin, geb.
Bott, die ihn mit zwei Söhnen — beide sind deutsche
Offiziere — und vier Töchtern beweint, seit ihn am
26. Mürz 1889 der Allmächtige sanft zum ewigen
Frieden abberief. Ihren Schmerz kann nur die Zeit
lindern; seine Heimat aber, das Hessenland, und die
deutsche Artilleriewissenschaft können stolz sein auf
einen ihrer treuesten Söhne. Feierlichst gestaltete sich
auch die Leichenfeier in Kassel, bei der die königlich
Preußische Artillerie sich selbst in einem Heimgegangenen
großen Vertreter ihrer Wissenschaft ehrte. Trotz
aller Schwierigkeiten hatte der Verewigte einen guten
Kamps gekämpft und darum gellen auch von ihm
Schillers Worte voll und ganz:
„53oit des Lebens Gütern allen
Ist der Ruhm das höchste doch,
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch.-
Kassel, im April 1889. Dr. Scetig.
Eitle Geschichte in niederhessischer Mundart.
Von Friedrich Dpper.
Nit witt vun Kassel in n'eu Sitendhale der
Fülle liggt *it hibsches Dorf, rund drinunerim
sinn sich grine Berge und obendruf stehen dunkle
Wälder von Eichen, Biechen un Dannen. Unnen
fließt dorch de fetten, saftigen Wissen en Bach
lustig derderch. Des Ackerland zieht sich lehne
an den Bergen nuff. Oben in Dorfe liggt die
Mahle, die den alen Mählenhenner gehert. Hä
sckriewet sich for gewehnlich Salzmannn, aber de
Liete nennen en nurscht den Mählenhenner.
Sinne einzige Dochter, Mählenhenners Trinchen,
hott in das scheuste Werk in Dorfe, in Brnck-
manns Hob, gefrigget. Ehr Mann is Burge-
meisters Schnrsche. Und als se des Frijohr druff
en klenen Jungen gekriggt, do hott en sinn
Ellervatter. der ale Mählenhenner, uf Pingesten
iwwer de Taufe gehowwen und emme de Namen
.,Jost Heinrich" gegeben. Bi den Lieten hieß
der Junge aber nit annerschter wie Brück-
manns Io st he nn er. Es war au en echter
Junge, und hü wor noch nit en Johr alt, do
kunnte he schunt laufen wie ’n Wissel. Wann
hü nit in der Stowwe bi sinner Mutter war,
dann war hü in der Kiche bim Annlis, oder
gunk mit emme uff den Hob noh den Schwinnen
und den Kiemen. Un wann das Annlis ins
Feld mußte, dann auerte das Josthennerchen so
lange, bis es en mitte nahm. Eimoh sproch
sinne Mutter zum Annlis: „Du kenntest bisse
Mittag ne Köze voll Blätter langen. Hennzu
setzest de den Josthenner in de Köze, heimzu
nimmeste en an de Hand." — Das Annlis sproch
„Jo", faßte den Josthenner in de Köze un
huckelte se uf. Dis baßte aber dem Josthenner:
hä kunnte sich imme gezucken, und bruchte nit
ze laufen. Awer wie he sich ne Zit lang imme
gegocken hatte, da duns he dem Annlis den
Kamm uß den Kutz, un da fielen emme de Zeppe
vorneriwwer un bambelten emme imme den Kopp.
„Sist'e, du Stepel, ich glauwe, du best den
Deiwel uö der Köze gehibbet; baffe ma uf, ich
krige dich an Ratzfell." Es war awer gut, daß
es nit an en konnte, fisten hätte hü au noch en
baar in de Anke gekriggt. Aber davor hatte se
den wackeligen Jungen vel ze gerne; un wie se
de Köze abfaßte, do sproch se: „Si still, min
Herzchen; geb mü au en Millchen." Un da
waren se sich Widder gut.