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uitb als zugleich bekannt wurde, dag ihn sein
Landesherr, Landgraf Friedrich II., anstatt
des früheren Amtes, zum Professor der Rechts
wissenschaft und der Sittenlehre ohne Aenderung
des Gehalts ernannt habe. Bald darauf begann
auch Robert mit gleichem Erfolg, wie früher als
Theologe, Vorlesungen über Rechtswissenschaft zu
halten. Diese gewiß seltene Wandlung in der
wissenschaftlichen Beschäftigung eines Mannes ist
aber nicht blos ein Zeugniß seiner bedeutenden
geistigen Begabung, sondern auch und noch viel i
mehr ein Beweis seiner Redlichkeit und Gewissen- !
Hastigkeit. Durch die Forschungen von Semler,
Michaelis und anderen Theologen sowie durch
das Studium der Kantischen Philosophie war
nämlich sein Glaube an manche Stücke der über
lieferten Kirchenlehre erschüttert worden. Wenn
gleich seine Zweifel den Kern unseres christlichen
Glaubens nicht berührten, so wollte er doch, da
ihm Heuchelei von ganzem Herzen verhaßt war,
seinen Studenten und den ihm untergebenen
Geistlichen gegenüber ein Bekenntniß nicht ver
treten, dem er in seinem Innern nicht überall
und vollständig beipflichtete. Er verzichtete daher
lieber ans seine ehrenvolle und einflußreiche Stel
lung und wühlte den gewiß nicht leichten Weg, j
sich auf einem anderen wissenschaftlichen Gebiete j
einen Berns zu schaffen. Er selbst äußerte sich
über die mit ihm vorgegangene Wandlung gegen
einen Freund folgendermaßen; „Seit acht Jahren
und besonders seit zwei Jahren habe er sich,
theils wegen seiner Gesundheit, vornehmlich aber,
weil sich seine Einsichten, die oft von unserem
Willen unabhängig sind, so geändert Hütten, daß
er dem von ihm abgelegten heiligen Eid nicht
länger Genüge leisten könnte, ohne seinem mo
ralischen Charakter den größten Schaden zuzu
fügen, nach einer solchen Aenderung seines Be
rufes gesehnt."
Solche Beweggründe, wie die oben angeführten,
müssen jeden unbefangenen Beurtheiler mit Hoch
achtung gegen einen Mann erfüllen, der nicht
anders reden wollte, als wie er dachte, dem die
Wahrheit höher stand, denn alle äußeren Vor
theile. Solche Wahrhaftigkeit findet aber auch
ihren Lohn in der freudigen Kraft des Schaffens.
Wenigstens war es so bei Robert. Denn ob
gleich sonst ein alter Kopf, der bis in die Nähe
des Schwabenalters gekommen ist, eben nicht ge
schickt zu sein pflegt, uni Neues zu erlernen, so
inachte doch Robert darin eine Ausnahme. Auch
in seinem neuen Beruf wirkte er nicht nur als
Lehrer durch scharfsinnige Erörterung schwieriger
Rechtsfragen und durch klare eindringliche Dar
stellung sehr günstig ans seine Zuhörer ein,
sondern, sowie er einst neben der theologischen
Professur noch als Konsistorialrath und geist
licher Inspektor thätig gewesen war, so widmete
er sich später mit großer Hingebung den Ver
waltungsgeschäften bei der Universität. Unter
den mancherlei Verbesserungen, die er ans diesem
Gebiete vornahm, verdient besonders seine Für
sorge für die Professoren-Wittwenkasse Erwäh
nung. Diese hatte durch die unredliche Ver
waltung eines gewissenlosen Atenschen einen
großen Theil ihres Vermögens verloren. Durch
Robert's eifrige Bemühungen und durch die ihr
von ihm gegebene Umgestaltung wurde nicht nur
der frühere Besitzstand hergestellt, sondern sogar
noch vermehrt. Sv hat er mancher hülfsbedürf-
tigen Wittwe durch seine einsichtige und uner
müdliche Thätigkeit ein besseres Loos verschafft.
Seiner Verdienste in anderen Zweigen der Ver
waltung hier zu gedenken, würde über die dieser
Darstellung gesteckten Grenzen hinausführen;
doch schon das Gesagte wird genügen, um zu
erklären, wie er unter allen Professoren das
größte Ansehen erlangt hat. Nachdem sie schon
dem Theologen durch ihre Wahl die höchste aka
demische Würde, die des Prorektors, zweimal
übertragen hatten, übertrugen sie den: Juristen
dieselbe noch viermal, sowie sie ihn auch 1785
zum Vertreter der Universität im Landtag er
wählten.
In Folge der von ihm nacheinander einge
nommenen zwiefachen Stellung erlebte er das
für einen Professor gewiß seltene Glück, daß es
ihm vergönnt war, seinen einzigen Sohn zu
taufen, ihn 31t immatriknliren, ihn zum Doktor
der Rechte zu promoviren, als Prorektor ihn in
den Kreis der ordentlichen Professoren einzu
führen und schließlich noch in ihm, dem jungen
Prorektor, seinen Vorgesetzten 311 begrüßen.
Bei einem Manne von solcher geistiger Be
gabung, der es sich, wie einst Salon, zum Grund
satz gemacht hatte, auch als Greis noch täglich
zu lernen, wird es nicht befremden, wenn er
nach einer dreiunddreißigjährigcn Thätigkeit als
Professor im 58. Lebensjahre sich noch einer
neuen Art der Thätigkeit anbequemte. Er folgte
nämlich im Jahre 1797 bereitwillig dem Rufe
seines Landesherrn, der ihn zum Mitglied des
Ober-Appellationsgerichts in Kassel ernannte.
Er fand sich nicht nur mit Leichtigkeit in die
veränderte Stellung, sondern er wurde auch bald
ein ebenso thätiges als einflußreiches Mitglied
des höchsten Gerichtshofes, wie er es einst 51t
Marburg im Rath der Professoren gewesen war.
Ja in gewissem Sinne setzte er sogar neben
seinem Richteramt die Marburger Thätigkeit fort.
Aus Liebe zur Jugend und zu seiner früheren
Lehrthätigkeit hielt er nämlich zu Kassel jungen
Juristen, welche das Studium auf der Universität
vollendet hatten, unentgeltlich Vorlesungen über