bekleidet und glaube überall meine Schuldigkeit ge
than zu haben. Gleichwohl sind all meine Bitt
schriften um eine feste Anstellung, welche ich an das
Konsistorium gerichtet habe, unberücksichtigt geblieben.
Ich kann mir diese Zurücksetzung nicht anders er
klären, als daß Sie, Herr Geheime Rath, die Schmarre,
welche ich Ihnen einst im Duell beigebracht habe,
nicht vergessen können und mir obhold sind. Schenken
Sie mir also reinen Wein ein und sagen Sie mir,
ob ich noch auf eine baldige Anstellung hoffen darf,
oder ob ich meine Heimath mit dem Rücken ansehen
muß!
Kalckhosf hatte den Anfangsworten mit großem
Ernst zugehört, dann wurde seine Miene freundlich
und nach den letzten Worten sagte er: Sie sehen,
Herr Kandidat, an meinem Anzug, daß ich im Be
griff bin, zu Seiner Durchlaucht zu gehen um Hoch-
demselben Vortrag zu halten. Ich bin deshalb im
Augenblick außer Stand, Ihnen so zu antworten, wie
ich möchte. Aber wenn Sie um 12 Uhr wieder zu
mir kommen und mein Tischgast sein wollen, so hoffe
ich Ihnen genügenden Aufschluß zu geben.
Etwas verblüfft nahm der Kandidat die Einladung
dankend an. Kalckhosf aber begab sich nicht unmittel
bar zum Landgrafen, sondern suchte erst die Geschäfts
räume des Konsistoriums auf und erlangte hier theils
aus den Akten, theils durch Mittheilungen der Kon-
sistorialräthe genügende Auskunft über die Leistungen i
und die Bewerbungen des Kandidaten. Dann begab
er sich zum Landgrafen, hielt den pflichtmäßigen Vor
trag und brachte schließlich auch die Sache des Mannes,
der ihn zuletzt in seinem Haus aufgesucht hatte, zur
Sprache. Nachdem alles Geschäftliche, das heute et
was längere Zeit in Anspruch genommen hatte, er
ledigt war, eilte er in seine Wohnung, wo er außer
dem Kandidaten noch einige andere Gäste vorfand.
Da er nämlich Junggeselle war, so liebte er es, um
nicht allein speisen zu müssen, täglich einige Bekannte
zu seiner Tafel einzuladen. Zuerst trat er in das
Speisezimmer, wo er noch einige Vorkehrungen traf,
dann begab er sich in das Empfangszimmer zu
seinen Gästen. Nachdem er sich wegen seines Aus
bleibens mit besonders dringlichen Geschäften ent
schuldigt und die Herren mit einander bekannt gemacht
hatte, führte er dieselben in das anliegende Speise
zimmer. Hier fand jeder Gast seinen Platz durch
einen auf dem Tellertuch liegenden Zettel bezeichnet.
Der Hausherr sprach das Tischgebet und bat dann
die Anwesenden, Platz zu nehmen. Seine Augen
aber ruhten auf dem Kandidaten. Als dieser das
Tellertuch in die Höhe hob, sah er unter demselben
ein großes zusammen gefaltetes Schreiben liegen.
Auf das Höchste überrascht, entfaltete er dasselbe.
Aber wer beschreibt sein freudiges Erstaunen! Er
wollte erst seinen Augen nicht trauen. Es war ja
ein Reskript des Landgrafen, durch welches ihm eine
gute Pfarrstelle in einer lieblichen Gegend des Hessen
landes übertragen wurde. Mit Thränen in den
Augen trat er zu Kalckhoff hin, reichte ihm die
Hand und sagte: Das ist Edelmuth! Nein, lieber
M^nn, erwiederte dieser, das istdieRa ch e desGeheimen
Raths Kalckhoff für den Denkzettel, welchen- Sie
einst seinem Kopf eingeprägt haben. Meine Herren,
fuhr er dann zu den übrigen Gästen gewendet mit
lauter Stimme fort: Meine Herren, ich freue mich
Ihnen den bisherigen Herrn Kandidaten als künftigen
Pfarrer von Breitenau vorstellen zn können. Lassen
Sie uns auf sein Wohl anstoßen! —
A. W.
Ans Heimath und Fremde.
In der aul 25. März d. I. stattgefundenen
M o n a t s v e rs a m m lung des Vereins für-
hessische Geschichte und Landeskunde hielt
Dr. med. Schwarzkopf einen Vortrag über
die Theilnahm e der königlich-w estphälischen
Truppen in der Schlacht bei Boro di no.
Der Vortragende, welcher schon wiederholt die
Geschichte der hessischen Truppen zum Gegenstand
seiner Vorträge gewählt und darin gezeigt hat, mit
welchem Eifer und welcher Gründlichkeit er sich
diesen! seinem Lieblingsstudium gewidmet hat, wußte
auch bei seinem diesmal gewählten Thema, die
Zuhörer, welche sich wie bei der großen Beliebtheit
des Redners zu erwarten war, außerordentlich zahl
reich eingefunden hatte, durch seine lebensvolle Dar
stellung der Vorgänge in hohem Grade zu fesseln.
Es wurde deshalb dessen Mittheilung, daß er in
einem zweiten Vortrage auch die Theilnahme der
westphälischen Infanterie an der Schlacht schildern
wolle, da er sich für heute wegen Kürze der Zeit
auf die der Kavallerie habe beschränken müssen, all
seitig mit großer Befriedigung aufgenommen.
Wir werden alsdann auf beide Vorträge ans-
führlicher zurückkommen.
N.-cL.
Die Jahresversammlung des „Vereins für-
hessische Geschichte und Landeskunde" findet am 15.,
16. und 17. Juli in Marburg statt.
Der rühmlichst bekannte Historiker, Gymnasiai-
oberlehrer Dr. G. Wolfs in Hanau, hat einen
Ruf als erster Oberlehrer des Kaiser Fried
richs-Gymnasium zu Frankfurt a./M. er
halten und angenommen. Man sieht den allgemein
beliebten, ausgezeichneten Lehrer nur sehr ungern Ms
Hanau scheiden.
Wir erwähnten in Nummer 4 unserer Zeitschrift,
daß unser hessischer Landsmann, der Dichter und
Schriftsteller Dr. Julius Rodenberg in Berlin, damit
beschäftigt sei, den literarischen Nachlaß Franz Dingel-
stedt's herauszugeben. Heute können wir unsern