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gegenüberstehenden Seite die heil. Elisabeth.
Reliefs ans den Dachseiten stellen Scenen aus
dem Leben der Heiligen dar.
Der daselbst aufgestellte aus Holz verfertigte
Stuhl ist höchstwahrscheinlich der deutschen
Herren Beichtstuhl.
Hinter dem Gitter hängt an der Wand ein
broncener sogenannter Reliquien- oder Pe
trusschlüssel. Dergleichen mit ganzen Gliedern,
Theilen oder Feilspänen von einer der in Rom
bewahrten Ketten Petri, pflegten die Päpste als
hohe Gunstbezeugungen zu vergeben Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß Landgraf Konrad denselben
zum Geschenk erhalten hatte.
In dem ehemaligen Ordensarchiv über der
Sakristei werden eine Anzahl werthvoller Schilde,
darunter auch die des Landgrafen Konrad (st 1240)
und des Landgrafen Heinrich junior (st 1298)
aufbewahrt.
Am Sonntag Lxaucki (18. Mai) 1539 führte
Landgraf Philipp von Hessen den evangelischen
Kultus in der St. Elisabethkirche ein, der während
der Gefangenschaft des Landgrafen durch Ent
lassung des Pfarrers D. Theobald Thamer im
Jahre 1549 um einige Jahre unterbrochen worden
war. Für die nicht evangelisch gewordenen Be-
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wohner in der Deutschordens-Kommende verblieb
der katholische Kultus im Chor bis zum Tode
des katholischen Landkomturs Johann von Rehe
im Jahre 1570. An jenem 18. Mai 1539 nach
beendigtem Gottesdienste entfernte Landgraf
Philipp die Gebeine der heil. Elisabeth aus
Sarg und Schrank in der Sakristei und nahm
sie mit auf's Schloß. Der zeitige Landkomtur
Wolfgang Schutzbar genannt Milchling führte
alsbald Beschwerde dagegen bei Kaiser Karl V.,
der in demselben Jahre noch dem Landgrafen be
fahl, die Reliquien wieder zurückzugeben, welches
jedoch erst unter dem 12. Juli 1548 geschah.
Nach der vom Landkomtur Johann von Rehe
darüber ausgestellten Quittung bestanden dieselben
aus dem Haupte, einem Kinnbacken, 5 Röhrlein
klein und groß, einer Rippe, zweien Schulter
beinen und einem Breitbein, welche unter einem
Stein vor dem Hochaltar begraben wurden. Im
Jahre 1627 ließ sie Landgraf Georg II. von Hessen-
Darmstadt durch den Präsidenten von Bellers
heim in Marburg heimlich von da entfernen und
nach Darmstadt bringen,, worauf der Landgraf
dem Kurfürsten Friedrich von Köln damit ein
Geschenk machte.
olöak wurde
♦
Kleines aus großer Zeit.
(Fortsetzung.)
Ich kehrte am 30. September mit meinen
Begleitern nach Kausungen zurück und horchte —
mir schmerzlich, weil ich nicht dabei sein konnte —
auf den Kanonendonner bei Kassel. Bei ein
brechender Nacht wurde es im Orte lebendig.
Dragoner und Kosacken rückten ein, die auf einem
Wagen einen Offizier, der durch eine Gewehrkugel
am rechten Bein verwundet war, mitführten.
Vor unserem Hause hielt der Wagen und der
Verwundete wurde in einem Zimmer, in dem
schnell Betten auf dem Boden ausgebreitet wurden,
niedergelegt. Ein Arzt war um ihn beschäftigt
und in der Küche mußten Kräuter zu Umschlägen
gekocht werden.
Der Verwundete mochte wohl große Schmerzen
haben, denn die Muskeln seines Gesichtes zuckten
heftig, aber kein Laut kam über seine Lippen.
Ich wäre gern in dem Zimmer geblieben, doch
der Arzt entfernte uns. Auf dem Hausflur stand
ein Dragoner mit gezogenem Pallasch Posten,
der wahrscheinlich den Befehl hatte, sich selbst
ruhig zu verhalten und auch nicht zu dulden,
daß Andere Lärm machten. Lautlos schritt er
auf und ab und ertheilte seine Anweisungen nicht
durch Worte, sondern mit dem Gefäß seines
Pallasches. Ein weiblicher Dienstbote unseres
Hauses empfing seine ersten Weisungen. Das
Mädchen trat aus der Küche auf den Hausflur
und rief mit gellender Stimme: „Madame!" um
meine Tante zu veranlassen in die Küche zu
kommen, wo ihre Anwesenheit erforderlich sei.
Aber der Posten stieß ihm den Knopf seines
Pallasches so kräftig zwischen die Schulterblätter, daß
es bewußtlos vorwärtstaumelnd zu Boden schlug.
Einem Kosacken, der die Hausthür öffnete, um
einzutreten, stieß er den kaiserlichen Doppeladler
auf seinem Korbgefäß, ohne ein Wort zu sagen,
so mächtig ins Gesicht, daß dieser fluchend und
blutend die Thür wieder schloß.
In unserem Bureau hatte, wahrscheinlich ein