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Aus Heimath und Fremde.
Todesfälle. Am 1. März starb zu Breslau
der Geheime Justizrath Ernst W a ch l e r, geboren
am 15. Januar 1803 als Sohn des berühmten
Literarhistorikers und Professors der Geschichte
Dr. Ludwig Wachter. Der Verblichene, welcher in
früheren Jahren Mitglied des deutschen Reichstags
und des preußischen Abgeordnetenhauses war, genoß
wegen der Milde seiner Sitten, der Urbanität seines
Wesens bei allen, die ihn kannten, die größte Achtung
und Verehrung. —
Am 2. März verschied zu G c l n h a u s e n hu
66. Lebensjahre der Amtsgerichtsrath Julius
Dieterich, ein anerkannt tüchtiger hessischer Jurist,
der früher in Eschwege, Fronhausen und Marburg
als Richter thätig war. —
Am 6. März starb zu Osnabrück der Staats
archivar, Archivrath Dr. Karl Herqnet. Derselbe
war geboren am 5. Oktober 1832 zu Fulda als
der älteste Sohn des als ausgezeichneter Rechts
gelehrter und trcfslicher Kenner des fuldaischen
Privatrechts bekannten Obcrgerichtsanwalts Dr. Franz
Herquet. Karl Herguet, dessen Nekrolog in einer
der nächsten Nummern dieser Zeitschrift folgen wird,
hat sich durch seine archivalischen Studien, seine ge
diegenen historischen Arbeiten in der Gelehrtenwelt
einen sehr geachteten Namen erworben. —
Der „Green County Herold", eine deutsche Zei
tung, welche in Monroe, Wisconsin, erscheint, brachte
in seiner Nummer vom 15. Februar 1888 folgende
Nachricht: „In Town Jordan starb am Freitag
den 3. Februar Dr. Karl Theodor Bayr-
hoffer, ein in weiteren Kreisen bekannter
Gelehrter. Geboren am 14. Oktober 1812 in
Marburg, war er später daselbst Professor der
Philosophie und mußte nach 184 8 in's Ausland
flüchten. In Religionsansichten Freidenker, war er
in seinen Bestrebungen ein unentwegter Freund
freien Denkens und Handelns innerhalb der Schranken
von Recht und Humanität. Mit Dr. Bayrhoffer
wird ein hochgebildeter, treuherziger, in jeder Be
ziehung rechtlich gesinnter Mann zu Grabe getragen."
Bayrhoffer war zu Marburg ein hervorragender
Lehrer der Philosophie. Seine Vorlesungen wurden
mit ganz besonderem Eifer seitens der Studierenden
besucht. Anfangs entschiedener Hegelianer wandte er
sich später mehr der empirischen Richtung zu. Von
seinen Schriften nennen wir „Grundproblcme der
Metaphysik", „Idee des Christenthums", Idee und
Geschichte der Philosophie", „Beiträge zur Natur
philosophie". Wir dürfen nicht unerwähnt lassen,
daß er sich in der vormärzlichen Zeit in Marburg
an der politischen und freireligiösen Agitation be
theiligte, was seine Suspendirung von der Professur
zur Folge hatte. Im Jahre 1848 wieder in Amt
und Würden eingesetzt, wurde er in die kurhessische
Ständeversammlung gewählt, in welcher er durch die
einschneideude Schärfe seiner Beredtsamkeit eine große
Rolle spielte. Er war der Führer der demokratischen
Partei und bekleidete im Jahre 1850 die Stelle eines
Präsidenten der kurhessischen Ständekammer. In der
Sitzuug vom 31. August 1850 stimmte er in Ge
meinschaft mit vier anderen Abgeordneten gegen die
Steuerverweigerung. Als im November 1850 die
Bundesexekution in Kurhessen erfolgte, konnte seines
Bleibens nicht mehr im Lande sein, er begab sich
zunächst nach Zürich, dann nach Amerika, wo er an
fänglich in Green County (Wisconsin) als Farmer
lebte. Später siedelte er nach Town Jordan über.
Bayrhoffer war ein bedeutender Gelehrter, ein scharfer
Denker und ebenso konsequent im Handeln, wie im
Denken. Seinen vortrefflichen Charaktereigenschaften,
der Ehrlichkeit seines Strebens, der Humanität seiner
Anschauungsweise ließen auch seine politischen und
religiösen Gegner Gerechtigkeit widerfahren. Mit
ihm ist eine der hervorragendsten Persönlichkeiten aus
der bewegten vor- und nachmärzlichen Agitationszeit
aus dem Leben geschieden. K. Z.
— Von befreundeter Hand geht uns zu dem in
voriger Nummer des „Hessenlandes "enthaltenen Nekrolog
„Eduard von Goeddaeus" noch die Mitthei
lung zu, daß der kurz nach Eintritt des zweiten
Ministeriums Hassenpflug (Februar 1850) zum Re
gierungs-Assessor und zeitigen Landtags-Kommissar
ernannte Obergerichtsanwalt von Goeddaeus zu Mar
burg die etatsmäßige Stelle eines ersten Berwaltuugs-
beamten beim hiesigen Verwaltungsamte auftragsweise
erhielt und dieselbe bis zu den Ausnahmemaßregeln,
welche auf die Steuerverweigerung der Ständeversamm
lung am 31. August 1850 folgten, bekleidete. Die
in Ausführung der sog. September-Verordnungen ge
troffene Verfügung des Uebergangs der staatspolizei-
licheu Funktionen von der städtischen Polizeibehörde
auf das hiesige Verwaltungsamt wurde sodann Ver
anlassung zur Aenderung des obigen Dienstverhält
nisses. v. Goeddaeus lehnte nämlich als erster Ver
waltungsbeamter es entschieden ab, die polizeilichen
Geschäfte mit zu übernehmen, was sofort seine Ent
hebung vom Amte des ersten Verwaltungsbeamten
mit der Weisung zur Folge hatte, sich zur weiteren
Dienstverrichtung bei dem hiesigen Bezirksdirektor zu
melden. Bei der Umbildung der inneren Landes-
verwaltung im September 1851 blieb v. Goeddaeus
in der Stellung eines Regierungs-Assessors; erst in
1855 rückte er aus ihr auf in die Landrathsstelle
des Kreises Witzenhausen.
Marburg, (Zum Neubau der Univ er
st tätsa ul a). Die Nummern 1 und 2 des in
Berlin erscheinenden „Centralblattes der Bauver.