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Fast in derselben Stunde, an demselben Tage, in
demselben Jahre und kaum zehn Wegstunden abseits
von Gaspariche flochten bei dem Dorfe Aumetz hessische
freiwillige reitende Jäger, Söhne der reichsten und
angesehensten Familien des Hessenlandes unter der
Anführung des Lieutenants von Baumbach — zwölf
Mann und ein Trompeter stark — durch ein eben
solches Bravourstückchen dem Lorbeerkranze althessischer
Tapferkeit ein hellstrahlendes, unvergängliches Reis ein.
Diese kleine wackere Schaar war auf der Ver
folgung eines französischen Streiskorps begriffen, das,
im Rücken des hessischen Heeres operirend, einige
Vortheile errungen und aus dem Rückzüge begriffen
war. Nach dreistündigem, scharfem Ritte hollen die
Reiter das aus zweihundert Mann bestehende von
trefflichen Offizieren geführte feindliche Detachement,
in der Nähe des genannten Dorfes, ein. Der wackere
Trompeter blies in allen Tonarten die verschiedensten
Signale und machte dadurch dem Feinde glauben, er
hübe eine größere Heeresabtheilung vor sich. Dann
fiel, angesichts der großen Uebermacht, von Baum-
bach's Kommando zur Attaque, und wie eine
Windsbraut fegten die Reiter, die Säbel hoch und
die Zügel verhängt, dazwischen, hieben ein und brachten
durch diesen überraschenden Angriff die verplüffte
Truppe in Unordnung, die alsbald in eine regellose
Flucht überging.
Der Trompeter aber,
„Der so famos geblasen,"
war nicht nur ein guter Trompeter, er war ein noch
wackerer Husar, der den Husaren-Säbel nicht minder
zu gebrauchen verstand, als die Trompete und, als
einer der Vordersten beim Angriff, den Führer der
feindlichen Truppe vom Pferde hieb.
So wurde die fast zwanzig mal größere feindliche
Truppe wie im Nu gesprengt, und Viele, darunter
fast sämmtliche Offiziere, gefangen eingebracht.
Der Trompeter hieß Siemon, lebte 1863 noch zur
Zeit der großen fünfzigjährigen Jubelfeier der Schlacht
bei Leipzig und machte als Veteran den Festzug in
Kassel mit. —
So waren unsere Väter! und mit Rücksicht darauf
lassen wir es uns gern gefallen, wenn man uns die
„Blinden" nennt. Wahrlich, wir haben nicht nöthig,
fremden Ruhm für unsere Truppen einzuheimsen;
denen aber, die uns mit „blinden Hessen" zu nör
geln vermeinen, rufen wir zu:
„Ihr — ihr dort draußen in der Welt
Die Nasen eingespannt!
Auch manchen Mann, auch manchen Held,
Zn» Frieden gut und stark im Feld
Gebar das — „Hessen"-Land.
Ludwig Mohr.
Ein ungedruckter Spruch von Goethe.
Einem Freunde unseres Blattes verdanken wir nach
folgenden Denkspruch, den Goethe dem bekannten
Maler Professor Moritz Oppenheim (einem ge
borenen Hanauer) gewidmet hat:
Die Nachtigall war lang entfernt,
Der Frühling lockt sie wieder.
Neues hat sie nicht gelernt,
Singt alte, liebe Lieder.
Zusätzliche Geschichts-Vermerke zu der
„Hessischen Ehrentafel": l) Vom Mai 1756 bis
Mai 1757 deckten jene 12,000 Hessen zum Theile
die englische Grafschaft Southampton gegen fran
zösische Landungen.
2. ) In der Schlacht von Minden, 1. August 1759,
bildeten die Hessen den linken Flügel der Verbündeten,
und lag ihnen zumal der Kampf gegen französische
Geschütz-Stellungen ob. Hier darf des Garde-Gre
nadier-Regimentes noch erwähnt werden, das in wild
freudigem Jauchzen eine starke mit 16 Stücken be
wehrte Verschanzung eroberte.
Da einige Jahre später Herzog Ferdinand als
Gast zu Kassel weilte, und ihm der Landgraf auf
Parade die einzelnen Offizier-Korps vorstellte, wehrte
Jener bei den Garde-Grenadieren ab, indem er in
die begeisterten Worte ausbrach: „wie mächte ich je
mals Euer vergehen, schaue ich doch noch im Geiste,
wie Ihr die große Batterie mit dem Bajonette nähmet!"
Uebrigens hatten zwei Bataillone hessischer Garde,
die in Mitten der Schachtordnung fochten, Antheil
an jenem ewig denkwürdigen Vormärsche der englisch-
hannöverschen Brigade Waldesgrave zum Angriffe auf
63 französische Schwadronen.
3. ) Die französischen Scharen im siebenjährigen
Kriege sollten ebenwohl als Reichs-Truppen gelten,
und waren an Oesterreich „versoldet" (verkauft!);
Maria Theresia löhnte sie für Kaiser und Reich.
Bezüglich der am 30. November 1759 bei Fulda
geschlagenen würtembergischen, von Frankreich gelöhnten
Reichs-Truppen lag also eine Schiebung im Soldes-
Verhältnisse vor.
Man sei staatsrechtlich eingedenk, daß Preußen,
Braunschweig-Hannover, sowie Hessen-Kassel sich in
Reichs-Acht damals befanden. v. Fff.
Wir fügen obigen Geschichts-Vermerken nach
stehende Berichtigungen hinzu:
Es kommen in Nr. 4 und 5 des „Hessenlandes"
in der „Hessischen Ehrentafel" mehrere Druckfehler
vor, die wir zu korrigiren bitten. So muß es Seite 59
bei der Schlacht bei Minden und beim Ueberfall von
Wetter das Jahr statt 1758 — 1759 heißen,
ferner muß Seite 73 statt Bellingshausen Willings
hausen und Seite 73 statt Reuberger — Reis-
bergschanze stehen.
Außerdem bemerken wir noch, daß^ die Vertheidi
gung der Brücker Schanze am 21. September 1762
besonders das Verdienst des Obristen v. Ditfurt ge
wesen ist, welcher dieselbe mit Freiwilligen des Leib-
Regiments behauptete und jenen Leichenwall bauen
ließ. S.