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Bei dem 17jährigen P., so hieß der Falschmünzer,
fand man noch zwei andere Thaler von ähnlichem
Aussehen, die er beim Verhör von seinem Vater,
einem Beamten im Kriegsministerium, erhalten zu
haben vorgab. Nun wurde auch der alte P. noch
Abends 11 Uhr verhaftet und in's Untersuchungs
gefängniß gebracht. Vater P. gab zu, seinem Sohne
zwei Tage zuvor als Monath-taschengeld 3 Thaler
gegeben zu haben, die er von seinem Gehalte ge
nommen habe. Dies schien eine Unwahrheit zu sein
und machte darum den alten P. der Mitwissenschaft
verdächtig, denn der Kassenbeamte würde unzweifelhaft
falsches Geld erkannt und gewiß nicht einem anderen
Beamten als Zahlung gegeben haben.
Der junge P. hatte technische Kenntnisse, er war
damals Lehrling in einem mathematisch-technischen
Institut und galt für einen Grübeler und Denker,
welcher sich besonders mit der Lösung technischer
Fragen den Kopf zerbrach, kurz man konnte ihn für
das richtige Falschmünzergenie halten.
Jedermann weiß, daß Kupfermünzen durch Ein
reiben mit Quecksilber ein silberühnliches Ansehen
bekommen. Wie mancher böse Bube hat nicht aus
einem alten, verschabten Heller durch Quecksilber einen
Silbergroschen gemacht und diesen auch ausgegeben.
Nun kommt Licht in die Sache: Bei P. junior hatte
man eine kleine Pappschachtel, die etwas Quecksilber
enthielt, konfiszirt. Das Verbrechen lag klar zu
Tage: P. prägte oder goß Thaler aus Bronze oder
einer anderen Kupferlegierung und gab ihnen durch
Quecksilber das Ansehen von Silber.
Man hatte bisher von falschen Thalern dieser Sorte
noch nichts gehört, es mußte also der in der ,Stadt
Stockholm" entdeckte der erste oder einer der ersten
falschen Thaler sein, der verausgabt worden war.
Wie stolz konnte die Polizei sein, daß es ihr geglückt,
den Verbrecher dingfest zu machen noch bevor er
größere Summen von seinem falschen Geld i*ks
Publikum habe bringen können. Gott sei Dank! Der
staatsgefährliche Mensch sitzt hinter Schloß und Riegel.
Der Proceß kann ihm jetzt gemacht werden.
Aber mit dem Proceß ging es langsam, es war
aus den Verbrechern nichts herauszublingen, be
harrlich wurde alle Schuld und jede Theilhaberschaft
an einer Schuld abgeleugnet.
Inzwischen war die Geschichte stadtkundig geworden
und hatte eine ungeheure Aufregung hervorgerufen.
Der Held des Tages war der Wirth ,,Zur Stadt
Stockholm". Leute von allen Berufsklassen und
Ständen besuchten sein Lokal, das vom Morgen bis
Abend nicht leer wurde von Neugierigen, welche hier
aus erster Quelle die Geschichte der Falschmünzer-
entdeckung hören wollten. Der Wirth machte dabei
ein gutes Geschäft, er verzapfte mehr Bier als.alle
Wirthe von Kassel zusammen. Mochte sein Gebräue
auch nicht im feinsten Rufe stehen, „se suffens
doch"! Niemand zweifelte mehr an der Falsch
münzerei und an der Schuld des jungen P.
Jetzt wurden auch Sachverständige vernommen,
und dabei hat sich gezeigt, daß auch wissenschaftlich
gebildete und sonst gescheidte Leute von Voreingenommen
heit befangen sein können. Jedermann brachte in
seinem Geiste Quecksilber immer nur mit Kupfer
zusammen, um dieses silberähnlich zu machen, und
merkwürdiger Weise dachte niemand daran, daß Queck
silber auch mit Silber in Berührung kommen kann
und ihm dann Glanz und Klang benimmt. Ja selbst
der Professor der Chemie, Winkelblech, war zum
Voraus von P.'s Schuld überzeugt, denn er erklärte
vor Gericht, daß ihm die Thaler unzweifelhaft falsch
schienen, daß er aber, um deren genaue Zusammen
setzung angeben zu können, zum Zwecke der chemischen
Analyse eine gewisse Quantität Metall von einem
der Thaler abfeilen müßte. Dies konnte aber nicht
zugegeben werden, da das corpus delicti zunächst
noch in seiner Integrität erhalten bleiben mußte.
Nun wurde als Sachverständiger noch der be
rühmte Breithaupt, Inhaber des mathematisch-mecha
nischen Institutes und dermaliger Chef der Prägean
stalt in der Kurfürstlichen Münze vernommen. Auf
merksam betrachtete er mit Ruhe und Kennerblick
einige Sekunden die Thaler und schüttelte dann das
Haupt: Diese Thaler sollen falsch sein? — Der
Untersuchungsrichter bedeutete ihn aber, daß es sich
jetzt nur darum handle, zu erfahren, in welcher Weise
wohl das Gepräge hergestellt sein könne, denn daß
die Thaler falsch seien, daran könne man überhaupt
nicht mehr zweifeln, auch habe eine wissenschaftliche
Autorität dies bestätigt.
„Ein — hat das bestätigt," ruft Breithaupt un
willig. Hier sehen Sie mal den Rand dieses Thalers.
— Um eine Münze so zu rändern, braucht man
eine Maschine, die nicht unter 30000 Thaler kostet.
Und vergleichen Sie einmal die drei Thaler, — sie
sind von verschiedenen Jahrgängen und verschiedenem
Gepräge. Glauben Sie denn, die Falschmünzer be
säßen gleich ein ganzes Arsenal von Prägestöcken? —
Ich will Ihnen den Sachverhalt sagen: es ist Queck
silber mit den Thalern in Berührung gekommen und
hat sie angequickt. Erhitzen Sie einmal die Stücke
5 Minuten über Kohlenseuer, dann geht das an
haftende Quecksilber fort. Bürsten Sie nachher die
Thaler mit geschabter Kreide und einer Zahnbürste,
und sie bekommen wieder Glanz und Klang wie alle
anderen echten Silbermünzen. Und so war es.
Dem jungen P. war beim Arbeiten ein Baro
meter verunglückt. Um das Quecksilber nicht zu
verlieren, hatte er es in einem Pappschächtelchen
gesammelt und dieses unvorsichtiger Weise in die
selbe Tasche gesteckt, worin sein Taschengeld war.
Vom Tage der Gefangennahme bis zur Auf
klärung durch Breithaupt waren 6 Tage verflossen.
Man hatte sich in dieser Zeit so sehr in die Falsch