59
Ein paar Monate sind vergangen, seitdem
Brandes in das Pfarrhaus am Ufer der Lahn
einkehrte. Es ist ein warmer Herbstabend; wieder
fluthet das Mondlicht über das jetzt röthlich
schimmernde Blättergeflecht des wilden Weines,
der die Laube überrankt, und durch die Stille
tönen auch heute fröhlich plaudernde Menschcn-
stimmeu. Diesmal aber sitzen zwei Paare an
dem runden Tisch. Brandes hat dem Freunde
und seiner Frau heute seine liebreizende Braut
vorgestellt und tausendmal für ihre frommen
Wünsche damals gedankt. In fröhlichster Laune
leeren die Freunde ein Glas edlen Weines nach
dem andern, und eben klingen die Römer wieder
hell aneinander, und der Pfarrer bringt einen
höchst launigen Toast aus auf die glückverheißende
Bedeutung von St. Elisabeths Rosen.
mträge zur Geschichte -er liurhessischen Artillerie.
Von August von Duumbgch.
3. Die Artillerie unter dem Landgrafen Moritz.
1592 bis 1627.
Muter diesem Landgrafen, welcher wegen seines
vielseitigen Wissens der „Gelehrte" genannt
i wird, bestand dieArtillerie aus Garnisons-
stübeu, die in den Festungen Kassel, Ziegenhaiu
und Rheinfels, und in den festen Schlössern
Marburg und Spangenberg untergebracht waren,
und unter Zeugwarten standen, denen das er
forderliche Unterpersonal beigegebcn war. Den
ins Feld ziehenden Truppen wurden größere
Stücke zu Belagerungen, und kleinere, Zpfündige
Apostel und 2pfüudige Falkonete, als Regiments
stücke beigegeben.
Im Jahre 1610 kommt ein Oberst von
Scherfs, als Befehlshaber der hessischen Ar
tillerie vor. Er scheint dieselbe nicht nur or-
gauisirt, sondern auch an 35 Jahre lang be
fehligt zu haben, denn erst unter dem Enkel des
Landgrafen Moritz, dem Landgrafen Wilhelm VI.
kommt im Jahre 1645 ein anderer Kommandeur
der Artillerie vor. Oberst von Scherfs war ein
Niederländer.
Landgraf Moritz, der Regierung müde, trat
dieselbe am 17. März 1627 an seinen Sohn,
Wilhelm V. ab, und starb am 15. März 1632
in Eschwege, wohin er sich zurückgezogen hatte.
4. Die Artillerie unter dem Landgrafen WilhelmV.
1627—1637
Wilhelm V. von Hessen-Kassel, der „Be
ständige" genannt, war der erste deutsche Fürst,
welcher dem König Gustav Adolf von Schweden seine
Hülfe zusagte, und in Folge des am 12. August
1631 zu Werben mit dem König abgeschlossenen
Bündnisses ein starkes und mit Artillerie
wohl versehenes Korps ausrüstete und mit dem
selben die Operationen alsbald begann.
*) S. die Nummern 3 und 15 vom vorigen Jahrgang
unserer Zeitschrist „Hessentand". — Unlieb verspätet.
Dieses Korps, so wie die demselben angehörende
Artillerie zeichnete sich unter seiner nur kurzen
Regierung namentlich aus: Den 9. December
1631 bei Mainz, im Januar 1632 bei Mar
burg, den 24. August 1632 bei Nürnberg, den
16. September 1632 bei Lützen, den 11. April
1633 bei Lippstadt, den 28. Juni 1633 bei
Oldenburg und den 13. Juni 1636 bei dem
Entsätze von Hanau.
Der Landgraf Wilhelm V., welcher sein Haupt
korps fast immer in Person befehligte, starb am
21. September 1637, während der Belagerung
von Stickhausen, zu Leer in Ostsriesland, und
seine Gemahlin, Amalie Elisabeth, eine ge
borene Gräfin von Hanau, übernahm die Regier
ung für ihren am 23. Mai 1629 geborenen
Sohn, den Landgrafen Wilhelm VI.
5. Die Artillerie unjer der Kegentin Amalie
Elisabeth und unter dem Landgrafen Wilhelm VI.
1637 bis 1663.
Die Landgräfin-Regentin, welche eben so treu
zu Schwede» hielt, wie ihr verstorbener Gemahl,
vermehrte und verbesserte die hessischen Truppen
ilud ihre Ausrüstung, und verstand die tüchtigsten
Führer für dieselben herauszufinden, wie: Me
lau der, Eber st ei n, Mortaigne, und vor
Allen G e y s e, *) den Stammvater der heute noch
blühenden Familie von Geyso.
Unter diesen Führern, ganz besonders aber
unter Gehst, zeichneten sich die hessischen Truppen
in allen Schlachten, Gefechten und Belagerungen,
an denen sie während der Regentschaft der Land-
gräfin Amalie Elisabeth Antheil hatten, rühmlich
aus, wobei die hessische Artillerie reichliche Ge
legenheit hatte, ihre Vorzüglichkeit zu beweisen,
wie: den 7. Januar 1642 bei Hüls, unweit
*) Johann Geyse, Sohn des landgräflichen Rentmeisters
Peter Geyse zu Borken, war im Jahre 1593 geboren, und
wurde nach dem westfälischen Frieden, als von Geyso, in
den Adelstand erhoben. (S. Hessens. Nr. 17 v. I.Sept. 1887.)